Witherscape - THE NORTHERN SANCTUARY

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VÖ: 22.07.2016
Bandinfo: Witherscape
Genre: Progressive Death Metal
Label: Century Media Records
Lineup  |  Trackliste

Darf ich vorstellen? Dan Swanö... okay, lassen wir den Quatsch. Wenn ich den Schweden von mighty EDGE OF SANITY noch ernsthaft vorstellen müsste, wäre über die letzten Jahre in der Metalszene wohl einiges schief gelaufen. Und der Tausendsassa aus Finspång ist bekanntlich nicht nur als Musiker in vielerlei Bands wie NIGHTINGALE, BLOODBATH oder DIABOLICAL MASQUERADE zur Legende avanciert, sondern u.A. auch als Produzent einer Shitload of Old-School-Death-Metal-Bands, die momentan ihr Genre unsicher machen und es florieren lassen. Wenn der Herr dann noch ein paar Stündchen Freizeit übrig hat, widmet er sich zusammen mit Ragnar Widerberg von SHADOWQUEST seinem seit 2013 bestehenden Projekt WITHERSCAPE, das am 22. Julei das zweite Album "The Northern Sanctuary" in's Leben rufen wird und von vielen aufgrund des famosen Debüts "The Inheritance" bereits sehnlichst erwartet wurde - zurecht.

Wer das Debüt kennt, wird zumindest eine vage Vermutung haben, was ihn erwartet und das ist am ehesten als eigenständiger Bastard aus EDGE OF SANITY, uralten OPETH und der ein oder anderen Prog-Rock-Koryphäe zu bezeichnen. Als progressiver, melodischer Death Metal, der durch seine zum Teil eigenwilligen, dabei aber immer einprägsamen Refrains eine hohe Hitdichte aufweisen kann. Und damit wird man bereits im Opener "Wake Of Infinity" überhäuft, das zunächst mit obskur-schaurigen Keyboardarrangements, die an KING DIAMOND erinnern, beginnt und daraufhin in dynamischem Riffing aufblüht, das immer wieder von verspielten Leadläufen, dramatisch auftragenden Clean Vocals, Akustikgitarre und einem astreinen Solo durchbrochen wird. Deutlich simpler gestaltet sich nahtlos daran anschließend das partiell fast Stadion-rockig klingende "In The Eyes Of Idols", das dennoch von einem hohen Melo-Death-Anteil geprägt ist und mit einer immensen Hookline auftrumpfen kann.

Dass im Grunde kein Song wie der andere klingt, ist definitiv ein Segen bzw. Trumpf, den WITHERSCAPE hier aufgrund ihres enormen musikalischen Erfahrungsschatzes mühelos ausspielen können, weil man trotz dessen einen Leitgedanken, ein gemeinsames Ziel erkennt, den und das jeder einzelne Song hörbar vor Augen hat. Dabei lassen sich echte Progressive-Perlen wie "Rapture Ballet" (das dominante Keyboard lässt kurz SYMPHONY X aufblitzen) oder "Divinity", die fast schon balladesken, dabei aber immer wieder gern in Richtung Death-Doom springenden "The Examiner" und "Marionette", oder aber das sphärische "God Of Ruin" ergründen, die allesamt einen ungeheuren Spannungsbogen besitzen und nicht zuletzt dadurch ein natürliches Gesamtbild ergeben.

Und als wäre dem noch nicht genug, haben sich WITHERSCAPE auf "The Northern Sanctuary" für das Grande Finale noch einen 14-minütigen Longtrack aufgehoben, den man in dieser Form nicht vom Debüt und der quasi das komplette Album mit allen Facetten zusammenfasst bzw. wunderbar auf den Punkt bringt. Mit einem Pool aus Death und Doom Metal, detailreichen Keyboardarrangements, großen Gesängen, und Akustikparts verzweigt sich das Herzstück des Zweitlings mehrmals in viele Richtungen und hinterlässt hier und da auch gerne mal den Eindruck eines Theaterstücks, wird dafür nach mehrmaligem Hören aber auch umso stärker und kann sein volles Potenzial entfalten. Viel besser geht Musik einfach nicht.

Mit dem Klavier-Outro "Vila I Frid" wird dann klar, dass selbst das noch so großartigste Album irgendwann ein Ende finden muss, aber genau für solch Alben wie "The Northern Sanctuary" wurde der Repeat-Button erfunden. Was soll man also resümieren? Der kommende Freitag sollte in der Geschichte des Metals als Nationalfeiertag für Progressive-Metal-Anhänger ausgerufen werden, denn egal ob man's gern eher modern (PERIPHERY), eher oldschool (WITHERSCAPE), oder aber vielleicht auch einfach beides mag: Das Genre ist um zwei Hochkaräter und 2016-Überalben reicher geworden. Das wiederum ist abermals ein eindeutiger Beweis dafür, wie sehr wir uns glücklich schätzen können, Anhänger dieses immer vielfältiger werdenden Metals zu sein, der einfach für jedes Individuum etwas bereithält. Also hört auf, euch die Köpfe wegen debilen Genregrenzen einzuschlagen. Apropos Individuum: Gebt Ragnar Widerberg endlich die Anerkennung, die er sich unlängst verdient hat, denn er schafft es wie kaum ein anderer Musiker, Dan Swanö für sein kreatives Allerlei ein solch beeindruckendes String-Fundament auszuhändigen - Punkt.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Pascal Staub (16.07.2016)

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