THE FRINGE - The Fringe

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VÖ: 14.08.2016
Bandinfo: THE FRINGE
Genre: Progressive Rock
Label: Reingold Records
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Lineup  |  Trackliste

Jonas Reingold ist ein ziemlich umtriebiger Kerl, und wenn es sowas wie das Viersaiter-Pendant zu Mike Portnoy gibt, der im niederösterreichischen Sankt Pölten wohnhafte Schwede würde diese Rolle blendend ausfüllen. Neben Arbeiten mit den FLOWER KINGS, KARMAKANIC (das neue Album „Dot“ ist ebenfalls gerade erschienen) und unzähligen Gastauftritten auf schätzungsweise 200 Veröffentlichungen beschäftigt sich der sympathische Träger lustiger Hüte neuerdings mit dem Powertrio THE FRINGE. Und inzestuös, wie der Prog nun mal ist, treffen wir hier auch auf unseren alten Bekannten Nick D’Virgilio (ex-SPOCK’S BEARD), der neben seinem momentanen Gastspiel bei BIG BIG TRAIN scheinbar etwas Entspannung im gepflegten Austausch mit gleichgesinnten Nerds sucht. Der dritte im Bunde ist der bislang relativ unbekannte Wunderknabe Randy McStine, der auf den Alben seiner Band LO FI RESISTANCE jedoch bereits Kollaborationen mit Doug Pinnick (KINGS X) oder Gavin Harrison (PORCUPINE TREE) vorweisen kann. Vom Timbre her klingt der 24-jährige Songwriter am ehesten wie Kollege Casey McPherson von den FLYING COLORS - rau, zerbrechlich, aber dennoch markant und nachhaltig, immer ein wenig im Dunstkreis von Jeff Buckley.

Stilistisch ist das selbstbetitelte, erste Album irgendwo zwischen wohltuendem Alternative-, bissigem Progressive- und kompaktem Hard Rock zuhause. Stellen wir uns einfach mal vor wir werfen  AUDIOSLAVE, FLYING COLORS , THE POLICE, KINGS X und INCUBUS in einen Mixer und drücken "Start": als Resultat wirbeln THE FRINGE genretechnisch gehörig durch den Busch und klingen dabei wie auf einer gemütlichen, schier endlosen Jam-Session. Unüberhörbar auch die BEATLES-Referenzen, ganz besonders im entspannten „Go“. Bereits erwähnter KINGS X-Chef Doug Pinnick hat seine Duftmarken unverkennbar im schwingenden „My Greatest Invention“ hinterlassen, und „Snake Eyes“ wabert gar ein wenig mit groovigem Stoner-Rffing ums Eck. Die wunderschöne Ballade „Yours To Steal“ rundet nicht nur das Album am Ende ab, sondern zeigt auch, welch unprätentiös kultiges Songwriting-Potential in diesem Dreigestirn steckt: da kommt Randys wunderschöne Stimme erst so richtig zur Geltung, und man sieht rundherum nur noch bunte Discokugeln Regenbogenfarben reflektieren, während man sich engumschlungen auf der leeren Tanzfläche diesem L’Amour-Hatscher (wienerisch für Liebeslied) hingibt. Das Solo am Ende macht übrigens noch mal gewaltig Gänsehaut und klingt unweigerlich nach David Gilmour.

Wären da noch der erst etwas unschuldig wirkende Opener „You“- aber der Uptempo-Song kommt bald, und zwar sehr: die proggigen Basslines, die geschickt platzierten Gitarren-Licks, der mehrstimmige Gesang – genau so muss effektives Songwriting gehen! „Opening Day“ sprüht vor positiven Vibes, überrascht durch seine witzigen Strophen-Arrangements (hier winken dann, wie schon beim Opener, INCUBUS recht artig rüber), Nick spielt hier scheinbar nicht nur am, sondern auch unterm, überm, hinterm und seitlich am Schlagzeug. Ist mir nie so richtig aufgefallen, was der Typ eigentlich alles so draufhat! „A Second Or Two“ mit seinen markanten „Oh-Oh-Oh“-Gesängen bleibt sofort hängen, obwohl der Song alles andere als konventionell gestrickt ist: die Chorus-Lines und die Bridges werden euch jedoch auf ewig verfolgen, und eure Hämmer, Ambosse und Steigbügel für den Rest eures Lebens umschwirren. Glaubt mir. Ich krieg die Melodien echt nicht mehr weg, und das ist gut so. Der zentrale Song „Flare“ (als Radio Edit bereits auf YouTube im Umlauf) ist dann noch ein ganz besonderes Schmankerl.

In gut zehn Minuten zelebrieren THE FRINGE hier die große Kunst, schmissige Songparts mit Duftstäbchen-geschwängerten Session-Häppchen zu versüßen, die Konstruktion erinnert an Seventies-Großtaten, und spätestens wenn nach drei Minuten der Song die Richtung ändert, werden die Äuglein feucht: Der Fretless-Bass von Jonas surrt, die Sologitarre von Randy soliert sich in einen wahren Ohrgasmus, Nick jazzt sich am Kit in einen reziproken Groove, am Ende kumuliert der Song nochmals in sich selbst – ein Gesellenstück moderner Musik. Somit ist „Flare“ nicht nur einer der besten Songs, die ich seit langem gehört habe, „The Fringe“ ist eine der angenehmsten Überraschungen im an proggigen Kultalben nicht gerade armen laufenden Jahr. Über das hier ins Spiel gebrachte musikalische Potential brauche ich jetzt wohl keine Worte mehr zu verlieren. Das Teil hat Suchtfaktor. Es ist eines von diesen seltenen Alben, bei dem man sich auf jeden einzelnen Song freut, bei jedem Durchlauf von neuem.  

 

 



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (13.08.2016)

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