TID - Fix Idé

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VÖ: 07.10.2016
Bandinfo: TID
Genre: Avantgarde
Label: The Sign Records / Cargo
Hören & Kaufen: Webshop
Lineup  |  Trackliste

TID („Zeit“) sind ein schwedisches Phänomen, bestehend aus vier Personen, die sich selbst als Orchester bezeichnen statt als Band. Diverse Nerd-Anleihen beglücken dafür anfällige Personen bereits beim kryptischen Orchesterlogo, welches sich unter anderem aus den drei Raumachsen, einer Zeitachse, dem Buchstaben „Pi“ und dem dazugehörigen Kreis zusammensetzt. Kommt jetzt etwas mit Physik? Vielleicht, aber ich versuche es lyrisch zu umschreiben, denn so halten es auch TID auf ihrem Album „Fix Idé“.

Die schwedischen Texte und die Melodien sind wie bei „Dumhetens Gudinna“ teilweise so catchy, dass sie mit jedem erstklassigen Werbejingle locker mithalten können. Die Nervigkeit der daraus folgenden Dauerschleife im Gehirn ist noch nicht in psychologischen Langzeitstudien am lebenden Menschen erforscht, bis dahin gilt das Mitsingen unter der Dusche also noch nicht als Straftat. Nackt, so wie die Protagonisten der ultrakurzen Pornosequenzen, die TID, wahrscheinlich dreckig kichernd, in ihre ansonsten völlig anders thematisierten Videos schneiden. Ist damit etwa die „Intime Reise“ gemeint, auf die das Orchester laut ihrer Band-Info die Hörer mitnehmen will?

Die Reise beginnt stattdessen mit dem Opener „Born Shiva“, einer tickenden Uhr nebst elektronisch erzeugtem Dramasound, der einem die Assoziation eines Weltraumszenarios vermittelt. Jeden Moment könnte jemand von der „final frontier“ faseln oder im Raumanzug vorbeischweben, um die zur Rettung ausgestreckte Hand ganz knapp zu verfehlen. Tatsächlich kommen dann einige traumartige Sprach-Samples mit viel Hall zu Wort.

„Aurora Surrealis“ beginnt mit einer interessant verstimmten E-Gitarren Melodie, stampfender Bassdrum und weiteren wirren Wortbeiträgen vom Band. Dann geht das los, weshalb diese Veröffentlichung in einem Metalzine diskutiert wird: Der Sänger röchelt sinistre Texte. Die Melodien sind aber immer nur genau so lange düster, bis es einem auffällt, dann wechselt das Ganze zu fröhlichem Dur, um spätestens im nächsten halben Takt wieder umzuschwenken.

„Solens Nya Namn“ startet ebenfalls mit einem Instant-Ohrwurm. Ein verstimmtes Zombie-Piano, apokalyptische Synthetik-Bläser wie beim Blockbuster „Inception“, Orgeln und düstere Chöre dürften in Kombination mit diesem Beat jeden schwarzgewandeten Ausdruckstänzer glücklich machen.

In „Demimond“ erinnern die Synthies dann an die Anfangsmelodie einer futuristischen 80er-Jahre Serie, doch der rauchige Gesang stellt klar: wir fliegen hier nicht zum Spaß herum! Das letzte Kapitel kommt dann auch nicht mehr überraschend. Beim Outro „Nadir“ handelt es sich um ein mit Lagerfeuer-Knistern unterlegtes Hintergrundlied für einen Kurzfilm, in dem schwedische Teenies Urlaub auf dem Ponyhof machen. Sie bleiben für immer Freunde und der Hund stirbt nie, da bin ich mir absolut sicher.

Warum dieser irre Kram gut sein soll? Das was TID hier abliefern zeugt neben vielschichtigem Humor auch von einer großartigen Kreativität fernab aller Zwänge und Konventionen. Und das muss man feiern, denn es ist sehr selten geworden unter Menschen, die professionell Musik produzieren. Das, was man hier mit „Fix Idé“ bekommt, ist letztendlich nicht nur ein Soundtrack, sondern ein kleines Freiheitsgefühl, mit dem man im Alltag verreisen kann. Und ich bin mir sicher, dass jeder Hörer dabei ganz andere Orte vorfindet als jene, die hier beschrieben wurden.

Tid - Dumhetens Gudinna. Official lyric video. from Artax Film on Vimeo.



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Daria Paul (03.10.2016)

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