CHARRED WALLS OF THE DAMNED - Creatures Watching Over The Dead

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VÖ: 23.09.2016
Bandinfo: CHARRED WALLS OF THE DAMNED
Genre: Power Metal
Label: Metal Blade Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Lasst uns mit zwei Zitaten beginnen:

1. "Wir wollten diese Kontraste unbedingt. Ich finde, diese Platte hat alles, was man braucht: Aggression, Power, Feeling und Virtuosität. Das müsste dir eigentlich jeder Arzt auf Rezept geben!" (Tim "Ripper" Owens).

2. "Wem die Refrains von "My Eyes" zu Beginn, später dann von "Living In The Shadow Of Yesterday" und "Afterlife" nicht sofort ins Ohr gehen, der sollte wohl wirklich zum Arzt gehen" (offizieller Promo-Text).

Die Sprüche klingen ja fast wie die Werbespots der (natürlich bösen) Pharma-Industrie. Daher muss auch folgender Satz gelten: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Arzt oder Apotheker. Oder noch besser: den Stormbringer-Redakteur Ihres Vertrauens!"

 

Den Namen CHARRED WALLS OF THE DAMNED (CWOTD) noch nie gehört? Laut Beipackzettel handelt es sich bei dieser Band um das All-Star-Projekt von Gründer und Hauptsongwriter Richard Christy (Drums u.a. bei ICED EARTH, DEATH und CONTROL DENIED), Jason Suecof (Gitarre; Produzent u.a. bei DEATH ANGEL, DEICIDE und CRYPTOPSY), Steve DiGiorgio (Fretless Bass-Legende u.a. bei DEATH, ICED EARTH, TESTAMENT, SADUS und VINTERSORG) und Tim "Ripper" Owens (Goldkehlchen u.a. bei JUDAS PRIEST, ICED EARTH und YNGWIE MALMSTEEN). "Creatures Watching Over The Dead", der bereits dritte Output der Amis, erscheint wie die Vorgänger "Charred Walls of the Damned" und "Cold Winds On Timeless Days" via Metal Blade Records. Hier regierte definitiv die Heavy Metal-Oberliga. Mal hören, ob der Inhalt des aktuellen Albums da mithalten kann...

Was schon mal NICHT zur Oberliga zählt, ist die lächerlich kurze Spielzeit von 33 Minuten. Laut Promo-Text liegt das daran, dass die Songs verdammt direkt und druckvoll wirken sollten und die meisten von ihnen daher gewollt kürzer als vier Minuten sind (der längste Song "As I Catch My Breath" dauert gerade einmal fünf Minuten). Andererseits enthält die Scheibe dafür angeblich sowohl die eingängigsten Refrains als auch die derbsten Parts, die CWOTD jemals geschrieben haben. Nach mehrmaligem Konsum lässt sich das bestätigen.

Was zur Oberliga gehört, ist der Auftritt eines bekannten Gast-Musikers, in diesem Fall Rob Cavestany von DEATH ANGEL mit einem Gitarren-Solo bei "Tear Me Down". Jason Suecof hätte so ein Solo allerdings auch selber fiedeln können.

Was auch typisch für die Oberliga ist, ist der Aufnahmeprozess des Albums an sich. Christy prügelte alle seine Drum-Parts an einem einzigen Tag ein. Steve DiGiorgio brauchte dagegen schon unglaubliche zwei Tage für seine legendären Bass-Spuren. Die Gitarren wurden vom Produzenten (Jason Suecof) eingespielt und sind – technisch betrachtet – über jeden Zweifel erhaben. Nur der Ripper war mit vier endlos langen Recording-Tagen eine lahme Ente (peinlich), Bandleader Christy vergleicht ihn dafür zum Trost mit Dio oder Bruce Dickinson.

Was man auch noch hört, ist der Versuch eine positive Grundstimmung (im Gegensatz zum Bandnamen) zu verbreiten, da so viel Schlechtes auf der Welt passiert. Der Sound des Albums ist zudem trotz luftig-optimistischem Ambiente und massenhaft catchy Melodien äußerst druckvoll und heavy.

 

Kleine Easter-Eggs am Rande bzw. einige Fun-Facts:

  • Man vergleiche die Anfangsbuchstaben aller Wörter der Album-Titel mit dem Bandnamen CWOTD.
  • Richard Christy ist eine unglaublich vielseitige Persönlichkeit, er arbeitete von 2004 bis 2009 als kreativer Kopf für die Howard Stern-Show (sic!).
  • Da entstand auch der Bandname: nach einem von Christys Telefon-Streichen bei einem christlichen Radiosender (Nomen est Omen!) bekam er folgende Antwort: "...ich werde für dich beten, dass deine Seele durch Gottes Gnade gerettet wird … du nicht in der Hölle des Teufels landest, wo du an die charred walls of the damned genagelt wirst!"
  • Richard Christy hat in seiner Jugend Drogenerfahrungen mit Acid gemacht und sogar dem Metal entsagt, und zwar für THE GRATEFUL DEAD. Wie er von den Drogen und dem Hippie-Sound wegkam? Er rührte sie nie wieder an, weil ihm laut eigener Aussage "Metal dann doch zu lieb war!"
  • Der Bandleader empfiehlt die Platte beim anhören voll aufzudrehen, ein Lieblings-Craft-Bier dazu zu trinken und ­– jetzt kommt’s – den Käfig seines Meerschweinchens sauberzumachen.
  • Sollte kein Meerschweinchen (bzw. dessen Käfig) zur Verfügung stehen, kann alternativ auch Rasen gemäht werden (das steht wirklich so im Promo-Text).
  • Von den Aufnahme-Sessions zu "Creatures Watching Over The Dead" sind noch einige – laut Christy – sehr gute Songs übrig geblieben, daher sollten nicht wieder fünf Jahre bis zum nächsten CWOTD-Album vergehen (warum diese nicht auf der aktuellen seeeeeehr kurzen CD gelandet sind, bleibt schleierhaft).

 

Captain’s Empfehlung:

Braucht man nach dem Genuss von "Creatures Watching Over The Dead" also einen Arzt? Schwer zu beantworten. Die neun Songs strotzen nur so vor Aggression, Power, Feeling und Virtuosität, doch für deren Entfaltung braucht es definitiv mehr als durchschnittliche vier Minuten Song-Länge. Genau in dem Moment, wo man in eine Nummer hineingezogen wird, ist diese auch schon wieder vorbei. Fühlt sich fast wie ein kalter Entzug an. Und die Refrains – nicht nur von "My Eyes" und "Living In The Shadow Of Yesterday" – gehen zwar tatsächlich sofort ins Ohr, doch wie es mit Ohrwürmern so ist, wollen die Biester da oft nicht mehr raus. Nebenwirkung: teils schwere nervliche Belastungen mit nervösen Zuckungen können auftreten.

CHARRED WALLS OF THE DAMNEDs drittes Album ist weder absolute Heavy Metal-Oberliga, noch stumpfer All-Star-Projekt-Durchschnitt. Eine Hörgenuss-Überdosis ist auf jeden Fall zu vermeiden, da sonst die Gefahr eines Parasiten-Befalls durch unangenehme, äußerst Hirn-hungrige Ohrwürmer besteht. Bei zu geringer Dosierung fehlt andererseits wieder die Zeit, um z.B. die antidepressive Wirkung von "As I Catch My Breath" zur vollen Entfaltung kommen zu lassen. Dr. Captain empfiehlt daher einen wohlbedachten und vor allem verantwortungsvollen Umgang mit "Creatures Watching Over The Dead".

 



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Captain Critical (21.09.2016)

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