OPERATION: MINDCRIME - Ressurection

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VÖ: 23.09.2016
Bandinfo: OPERATION: MINDCRIME
Genre: Progressive Melodic Metal
Label: Frontiers Records
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Lineup  |  Trackliste

Ja schau einer an, Tates Jüngster versammelt wieder einmal alles was nicht schnell genug das Weite suchen konnte um sich und um den Namen OPERATION: MINDCRIME und nagelt Teil Zwei seiner angedrohten Trilogie auf CD, LP, VHS, Cloud und Wachswalze. An und für sich und eingedenk seiner letzten Veröffentlichung  "The Key" klingt das wie eine Drohung. War der ehemalige Sangesgott (siehe/höre die gleichnamige QUEENSRÿCHE-Wundertat und "Empire" von denselben) jahrelang unanfechtbar, hat er mit seinem immer baufälligeren Gesang in den letzten Jahren blankes Entsetzen, blinde Angst und ihre Kinder versteckende Mütter evoziert.

Neues Spiel, neues Pech? Schau ma amal. Das Album geht rund eine Stunde, beginnt mit sehr kurzen Songs, die zum Erstaunen des, ähm, erstaunten Südweststeirers nicht weh tun. Soundtechnisch etwas dumpf, aber der Gesang kommt in einiger Entfernung an den Geoff Tate der früheren Jahre heran. Die eigenartige Verzerrung, die er sich seit Solozeiten auf den Gesang gepackt hat, ist so gut wie weg. Anfangs und so gut wie. Schau ma amal, was draus wird.

Es ist wohl noch immer Progressiv Metal/Rock, nicht ganz so anbiedernd auf modern und progressiv gemacht wie noch auf "The Key", aber immer noch gut für Hörer, die sich des Akronyms ADHS (gerne auch im Erwachsenenalter) nicht gewahr sind. Wobei es hier eher die Nuancen sind, die den Terminus Technicus "Prog" rechtfertigen.

Und siehe da: mit "Left For Dead" hat OPERATION: MINDCRIME recht zügig so etwas wie einen kleinen Hit vorzuweisen. Gefällt, weil eben auch die Nähe zu "Operation Mindcrime" da ist, "I Don´t Believe In Love"-like schwelge ich in Erinnerungen. Lässige Gitarren/Synthie-Linien und ein echt starker Chorus. Wirklich gelungen, ich hätte es ihm nicht zugetraut.

Das Album ist etwas eigenartig. Nach all dem Brandschatzen, Morden und Vergewaltigen, das Hr. Tate in den letzten Jahren musikalisch und gesanglich gemacht hat, ist man hier bass erstaunt: man darf hier eingängige, gute, des öfteren an seine Ex-Band erinnernde Songs hören. Man mag ihm nun vorwerfen, dass er den Erfolg seiner ehemaligen Weggefährten zu imitieren sucht, aber, samma sich ehrlich, wurscht.

Wirklich progressiv wird's erstmal mit dem siebenten Song "Healing My Wounds", der mit feinen Drumfills, lässigem Gitarrensolo und, warum auch immer, einem Saxophon aufwarten muss. "The Flight" ist ein entspannter Song, der lyrisch wohl so etwas wie eine introspektive Rückkehr darstellt, so ich mich nicht irre, einen Riesenchorus hat und der nächste Hit ist.

(Der Rezensent vergewissert sich, ob er wohl die richtige Veröffentlichung bespricht, aber ja, das tut er).

Gesanglich derblast ("schafft" für unsere außersüd- und ostösterreichischen Leser) er es nicht ganz, aber, wie schon gesagt, das Desaster der letzten Jahre ist vorbei. Er klingt gut, die Instrumentierung haut hin, der Sound ist transparent, knusprig, die kleinen Prog-Spielereien dazwischen passen so gut wie immer. Was ist in all den Jahren passiert, seit er seine ehemalige Erfolgsband verlassen hat? Es scheint, als wären die Jahre, tja, fast nicht mehr existent. 

OBACHT: Das Album ist kein Meilenstein. Weit nicht. Aber es ist ein Album, welches man sich entspannt anhören kann, ohne andauernd weiter zu skippen. Es ist eher ein Rock- als ein Metal-Album, und wie schon erwähnt, Progheads haben bei weitem nicht mehr alleine die Lufthoheit über das dargebotene Material.

RIPPER OWENS darf auch mitsingen und tut nicht weh, der Song in dem er mitschreien darf ("Taking On The World") featured auch noch einen der unterbewertetsten Sänger aller Zeiten, Blaze Bayley (hier böte sich mein übliches MAIDEN-Bashing an, aber da es Sonntag ist, verzichte ich heute drauf). 

"Ressurection" schafft es auch in den Teilen, die nicht zwingend die Melodie oder den Fluss des Songs vorantreiben, einfach angenehm rockig zu klingen. Stark auch immer die Bassarbeit, ich vermute, der hier mitwirkende Dave Ellefson hat ein wenig die Finger im Spiel gehabt (na net), nicht nur beim Einspielen, sondern auch bei den Arrangements. Und das tut den Songs gut, da es ein lässiges Tieffrequenz-Bett schafft. (siehe: "Taking On The World" – der stärkste Song des Albums).

Warum das Album es dann doch nicht zu einem euphorischen Neustart schafft, liegt – ungefähr – am dritten Drittel des Albums, während welchem man es dann doch zu gut meint. Da werden ein paar an sich coole Songs zu deftig in die Länge gezogen. Hier hätte man die Fünf-Minuten-Idee im Hinterkopf mitlaufen lassen sollen/können, dann wären auch diese Lieder deutlich weniger anstrengend. "Invincible" ist so ein Beispiel.

Mit "A Smear Campaign" hat man dann noch einen etwas härteren, beinahe schon metallischen Song im Ärmel des Anzugs, auch wenn die (artifiziellen?) Bläser grob daneben hauen. Oder bin ich hier bloß intolerant? Mitnichten, aber hier passt es einfach nicht. Genau bei dem Song beginnt dann die offensichtliche Zeitschinderei. Breaks, die nicht unbedingt notwendig sind, akkustische Intermezzi, die einfach zu lang sind, und wieder diese Bläser, die wohl ein wenig Jazz oder Blues oder was weiß ich darstellen sollen, aber im Endeffekt den Song einfach zum Scheitern bringen. Zach! Das konnten DREAM THEATER vor vielen Jahren besser ("He, der Alte redet schon wieder dauernd von früher!" – "Ja, tut er, mein Rezi, meine Meinung"). Dann kommt plötzlich ein eigenartig harter, auf gewollt progressiv getrimmter Part, der dem Song eine völlig unnötige Wendung gibt. Warum, Geoff, warum?

"Which Side Are You On" hat einfach nichts auf dem Album verloren, was das genau ist, vermag ich auch nach fast vier Jahrzehnten Musikgenusses nicht festzustellen. "Into The Hands Of The World" ist ein Prog-Siebenminüter, der ein wenig zu sehr Prog sein will. Tausend Breaks machen keinen guten Song. Sorry.

"Live From My Machine" zeigt zum Schluss noch einmal, dass sie es wirklich draufhaben. Ein erhabener Song mit einer ganz, ganz großen Melodie, die auch auf "Empire" reüssiert hätte.

"It was a game of two halves" hat Alan Shearer (Anm. d. Red.: einer der besten englischen Stürmer aller Zeiten, natürlich beim Fußball) immer gesagt, und so ähnlich ist es auch hier. Hinten raus schwächelt das Album derb (abgesehen, wie erwähnt, vom letzten Song), aber mehr als die erste Hälfte ist wirklich guter Progrock, den man sich gerne immer wieder anhört.

OPERATION: MINDCRIMEs "Resurrection" ist noch nicht die Rehabilitierung eines gefallenen Sängers/Musikers, aber ich denke, ein erster, großer Schritt ist getan. 

 



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Christian Wiederwald (27.09.2016)

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