IN FLAMES - Sounds From The Heart Of Gothenburg

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VÖ: 23.09.2016
Bandinfo: IN FLAMES
Genre: Melodic Death Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
Lineup  |  Trackliste

Noch vor gut zehn Jahren sprang jeder Melodic Death-Metaller begeistert im Kreis, wenn der Name IN FLAMES auch nur irgendwo am Rande fiel. Über den Status der kommerziell erfolgreichsten Schwedentod-Band aller Zeiten übermäßig viele Worte zu verlieren, ist weiter nicht von Belang. Vielmehr darf man aber die oft kritisierte Abkehr von eben dem Stil thematisieren, den sie einst so gewaltig (mit)bestimmt haben. Nicht erst seit "Siren Charms" ist die Rede von qualitativer Stagnation und der Bewegung hin zu radiotauglichem Alternative Rock. Eine Entwicklung, die man nicht nur auf kompositorischer, sondern auch auf performancetechnischer Ebene beobachten konnte. Der Ära nach "Come Clarity" wird nun mit "Sounds From The Heart Of Gothenburg" ein musikalisches Denkmal gesetzt, welches die neuen Fans erfreuen und Kritiker überzeugen soll. Und auch wenn der Schreiber dieses Artikels definitiv kein Anhänger der neuen Alben aus dem breiten Fundus der Schweden ist, darf das Unterfangen als gelungen bezeichnet werden.

Nein, an dieser Stelle soll sich weder über Frisuren, noch über die Kleidungswahl der beteiligten Musiker das Maul zerrissen werden. Dennoch muss die Entwicklung in der letzten Dekade – weg von dem räudigen Frühstil der Band hin zu dem eher alternativen Auftreten der letzten Jahre – aufgezeigt werden. Exemplarisch kann man dafür die Auftritte auf dem "Wacken Open Air" heranziehen. Hier gab es die ungebändigte Energie ohne viel Schnickschnack, nur mit Explosionen und Pyros, die RAMMSTEIN Konkurrenz machen konnten (2007). Dann die nicht minder spektakuläre, dennoch etwas verkünsteltere Phase mit nicht immer nachvollziehbaren Intermezzi und Filmeinsprengseln (2009). 2012 dann die große, zur Big Budget-Produktion aufgeblasene Show, welche sich dennoch im Vergleich zu den Jahren davor leer anfühlte. 2015 unterschied sich die Show schließlich gar nicht mehr großartig von den Tourproduktionen, wirkte wesentlich reduzierter, basischer und trotz des Fokus auf neuerem Songmaterial wieder packender und mitreißender.

Genau das kann jetzt auf dem vorliegenden Dokument nachvollzogen werden. "Sounds From The Heart Of Gothenburg" beinhaltet ein komplettes Tourkonzert ohne viel Drum-herum und schafft es, die momentan durchaus vorhandene Energie der Band in euer Wohnzimmer zu transportieren. Die Filmcrew bzw. die Regie macht dabei alles richtig, was es zu beachten gilt. Crowdcams, viele Totale, häufige Wechsel zwischen Bühnenshots und Aufnahmen des Publikums, einige Closeups der Musiker (natürlich in Soli- oder sonstigen schwierig zu spielenden Passagen). Dabei wird glücklicherweise weitestgehend auf Schnitte im Rhythmustakt der Songs verzichtet. Gänzlich spart man sich irgendwelche Verkünstelungen, welche aus dem Konzerterlebnis einen künstlerisch wertvollen Konzertflim machen sollen. Also, kein Meta-Footage wie bei GRAVE DIGGER, keine Sepia-Effekte oder sonstige Spielereien. Danke dafür! Nur so kann die Wucht der Live-Show unverfälscht auf die heimischen TV Monitore transferiert werden.

Und die Show hat es in sich. Die Band agiert unglaublich agil und tight, präsentiert dabei endlich wieder einmal die Energie, die man von ihnen gewohnt sein darf. Weg ist die verträumte, irgendwie fremde Attitüde, welche 2012 noch allgegenwärtig war. Die Band ist fokussiert, ist bei ihrem Publikum, und schmettert auch neue Songs mit einer derartigen Wucht, dass man sich gerne an frühere Zeiten erinnert fühlen darf. Dazu gibt es einige dezente Pyroeffekte und eine absolut fantastische Lightshow, welche bei den ersten Stücken zunächst ganz sachte die Szenerie beleuchtet, später aber zu wahrhaftigen Kunststückchen ausholt. Der Sound ist ebenso roh wie knallig. Fast als ob die Band im eigenen Wohnzimmer auftrete.

Die dargebotene Setlist ist derweil so mutig wie kompromisslos. "Sounds From The Heart Of Gothenburg" soll eben eine Momentaufnahme sein. Somit wird bis auf die üblichen Verdächtigen wie "Cloud Connected", "Trigger", "Only For The Weak" und "Take This Life" fast ausschließlich Material ab "A Sense Of Purpose" und aufwärts gespielt. Das zeigt allerdings die interne Festigkeit der Band und die Entschlossenheit, als Einheit hinter den Entwicklungen der letzten Jahre zu stehen. In dieser brillianten Form wirken IN FLAMES damit seit langem wieder eines: authentisch!



Ohne Bewertung
Autor: Christian Wilsberg (29.09.2016)

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