Poets of the Fall - Clearview

Artikel-Bild
VÖ: 30.09.2016
Bandinfo: POETS OF THE FALL
Genre: Rock
Label: Insomniac / Playground
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Es ist Herbst, und pünktlich dazu sind die finnischen Poeten des Herbstes wieder zurück, die nach der Konfrontation mit neidigen Göttern nun wieder klar sehen. Wem das jetzt auf die Schnelle zu abstrakt war, dem sei nüchtern mitgeteilt, dass POETS OF THE FALL mit „Clearview“ ein neues Album am Start haben. Ein bißchen Sinn für Andeutungen, Metaphern und einen etwas künstlerischen Zugang zur Musik, beziehungsweise dem grundliegenden Konzept, sollte man allerdings schon mitbringen, wenn man sich eingehender mit den Finnen beschäftigt. Denn größtenteils lebt das Schaffen der im heimischen Finnland sattsam bekannten Mannen um Sänger Marko Saaresto von feinsinnigem Schöngeisttum anstatt stumpfer Haudrauf-Mentalität.

Entsprechend darf man von POETS OF THE FALL keine großen Härteeskapaden erwarten, da der Fokus der Finnen auf hochwertig gemachtem Poprock der Marke SUNRISE AVENUE liegt – nicht umsonst teilten sie mit den hierzulande deutlich bekannteren Landsmännern bereits die Bühne auf einer deren Europatouren. Wohl gingen die Poeten des Herbstes auf früheren Outputs (man erinnere sich an die Alternative-Rock-Großtat „Twilight Theater“!) um ein gutes Stück härter zu Werke, doch wie auf dem Vorgänger „Jealous Gods“, bewegt man sich auch jetzt auf „Clearview“ hauptsächlich im deutlich poppig geprägten Ohrenschmeichelrock.

Das mag den ganzen „faster, harder, louder“-Wackingern nun vielleicht sauer aufstoßen, doch in ihrer Sanftheit gehen die Finnen um einiges mitreißender und eindringlicher zu Werke als so manche Krawallkapelle. Wenn man sich, so wie der hier schreibende Rezensent, von poppigen Klängen wie diesen bis hin zu schädelspaltendem Todesmetall so ziemlich alles reinzieht, dann darf man gut gemachte Musik auch einmal vollkommen Genreunabhängig würdigen. Und in dieser Hinsicht, ob man nun für poppige Melodien empfänglich ist oder nicht, wissen POETS OF THE FALL ganz genau was sie tun. Punktgenau komponierte Titel wie „The Child In Me“ oder „Center Stage“ könnten ohne weiteres auch im Radio laufen – würden es aber nicht, da qualitativ hochwertige Songs mit solcherart großem Spannungsbogen nicht ins Berieselungsschema der 08/15-Radiokonsumenten passen würden.

Ja, POETS OF THE FALL sind inzwischen im Pop angekommen, doch von ihrer Faszination und ihrem Gespür für Melodien und Arrangements haben sie nichts verloren. Der durchschnittliche Metalhead wird höchstens noch mit dem getragenen „Drama For Life“ etwas anfangen können, das mit gut knackiger Gitarre und schön schmeichelndem Ohrwurmrefrain aufwarten kann, und vielleicht noch der düsteren Klavierballade „Moonlight Kissed“, die als Rausschmeißer fungiert, etwas abgewinnen können. Doch spätestens beim balladesken „Children Of The Sun“, das schon mehr in den Ambient-Bereich geht, aber den tollen Stimmungsaufbau hinten raus leider in einem blassen Finale aussanden lässt, wird der Liebhaber härterer Klänge wohl endgültig aussteigen. Wer eine Freundin zuhause hat, die sich partout nicht mit sägenden Gitarrenklängen anfreunden kann, dann ist POETS OF THE FALLs „Clearview“ das Mittel der Wahl – somit stellt ihr wenigstens sicher dass eure Freundin, wenn schon nicht eure Mukke (aka, Krawall), dann wenigstens gute und künstlerisch wertvolle Musik hört, und keinen in ein paar Minuten zusammengeschusterten Mist.

Die Zeiten knackiger Gitarren und treibender Rhythmen sind bei POETS OF THE FALL vielleicht vorbei, doch sie sind noch immer weit davon entfernt „schlecht“ zu sein, wie sie mit „Clearview“ beweisen. Klar, mögen muss man diese Entwicklung natürlich nicht, doch respektieren kann man sie allemal – denn trotz fehlenden Härtefaktors, bleiben die Songs nachhaltig in Erinnerung. Das ist die bessere Seite der radiotauglichen Musik, in die es sich durchaus reinzuhören lohnt – selbst wenn man eigentlich mehr am härteren Ufer zuhause ist.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Anthalerero (29.10.2016)

ANZEIGE
ANZEIGE