VANISHING POINT - Tangled In Dream (Special Edition)

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VÖ: 27.01.2017
Bandinfo: VANISHING POINT
Genre: Power Metal
Label: AFM Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

VANISHING POINT hatten 2014 mit „Distant Is The Sun“ ihr Meisterstück abgeliefert. Ein Album, das mich mit einem Schlag vom schnöden Fan zum Verehrer der Australier machte, zum ersten Mal in meiner Zeit bei Stormbringer die Höchstnote zücken ließ (wer mich kennt der weiß, das kommt nicht so oft  vor) und welches überdies noch immer mein Referenzalbum für die beste Produktion im melodisch-progressiven Powermetal darstellt. Zeit also, die Geschichte der Band ein wenig Revue passieren zu lassen – und wie ginge das besser, als mit einem Re-Release alten Materials? Dankenswerterweise haben sich AFM Records dessen angenommen und liefern uns nun das lange vergriffene, 2000 erschienene, von Kritikern äußerst wohlwollend aufgenommene „Tangled In Dream“ in einer 2-Disc-Neuauflage mit massig Bonusmaterial. Da jauchzt das Herz des eingefleischten Fans (nicht, dass man nicht ohnehin schon irgendwie seine Finger an das Ding bekommen hätte – wegen dem Bonusmaterial warats!) und die Erkenntnis reift heran: Sind das wirklich schon 17 Jahre, seitdem „Tangled In Dream“ (damals übrigens via Limb Music) veröffentlicht wurde? Ich fühl mich alt...

Jene, die nur das neuere Material, respektive das aktuelle „Distant Is The Sun“ kennen, wird es vielleicht überraschen, dass VANISHING POINT nicht immer so klangen, wie sie das heute tun. Wohl zieht sich die progressive Note bereits seit den Anfängen durch ihr musikalisches Schaffen, doch die flottere, härtere, aber auch symphonischere Komponente stieß erst etwas später dazu. Auf „Tangled In Dreams“ frönten die Australier (auch Lineup-mäßig nicht ident mit der heutigen Besetzung – nur Sänger Silvio Massaro und Gitarrist Chris Porcianko sind noch immer mit an Bord) noch hauptsächlich ausufernden AOR-Klängen mit großen Harmonien und stadiontauglichen Refrains, wie in „Closer Apart“ oder dem Opener „Surreal“. Killerrefrains, die den Gehörgang nur schwer wieder verlassen, finden sich im melancholischen, beinahe mythisch wirkenden „Bring On The Rain“, und auch „I Will Awake“ kann mit breitwandig arrangiertem Chorus punkten, wenngleich der Song an sich durch die etwas vertrackte, bisweilen bemüht wirkende Rhythmuskombination nicht so wirklich packen kann.

Zu hochklassigem AOR gehören auch Balladen – mit „The Real You“ und vor allem der wunderschönen Klavierballade „Dancing With The Devil“, hat man auch hier äußerst starke Songs in petto. Die Brecher des Albums finden sich allerdings im Uptempo-Bereich, der flotteren und etwas härteren Schiene, die VANISHING POINT später vermehrt bedienen sollten – so zum Beispiel in „Never Walk Away“, das mit vergleichsweise hartem Beginn, ruhigen, atmosphärischen Parts und großartigem Spannungsbogen einen Vorgeschmack auf das liefert, was die Australier später einmal an progressiven Meisterwerken kreieren sollten. In eine ähnliche Kerbe schlägt „Two Minds, One Soul“, mit knackigen Gitarren und verschachtelter Rhythmik. „Father (7 Years)“ überrascht zunächst mit ungewöhnlichem Beginn, wartet mit ähnlichem Aufbau wie „Never Walk Away“ auf und präsentiert einen äußerst starken Mittelteil, doch durch das eher verhaltene Tempo weist der Song im direkten Vergleich etwas weniger Dynamik auf. Durch die Twin-Guitars im hinteren Drittel, erinnert der Titel dafür strukturell fast ein wenig an IRON MAIDEN in ihrer proggigen Phase, jedoch mit deutlich softerem Coleur. Abgeschlossen wird das Album schließlich vom Titeltrack „Tangled In Dreams“, einem soften, atmosphärischen und nur von Keyboard und etwas Percussion begleitetem Stück, welches wie ein Outro der Platte fungiert.

Die eingefleischte Fan-Schar wird vor allem bei der zweiten Disc des Re-Releases aufhorchen. Diese startet mit einer Neuaufnahme von „Samsara“, im aktuellem, symphonischerem Gewand, was einen direkten Vergleich zulässt, in dem der deutlich voluminösere Sound des mehr als 15 Jahre später aufgenommenen Titels deutlich hervorsticht. Zur Auflockerung gibt es auch zwei Coverversionen auf die Ohren; Zum Einen eine schmissige Version von JOURNEYs „ Separate Ways“, zum Anderen „On The Turning Away“ - als Prog-Band muss man vermutlich einfach einmal im Leben PINK FLOYD gecovert haben. Mit „The Endless Road“ und „Veil Of Deceit“ sind zwei Titel am Start, denen man anhört, dass sie dem großartigen „Distant Is The Sun“ entsprungen sind, die jedoch bis dato lediglich als Bonustracks in Japan veröffentlicht wurden. Beide Songs halten mit Lockerheit das Niveau des 2014er-Albums, und besonders „Beil Of Deceit“ kann sich hier ohrwurmig hervortun.

Überdies darf man sich auch noch auf eine Live & Unplugged-Session aus fünf Titeln freuen – neben den beiden Balladen von „Tangled In Dream“, findet sich hier mit „Inner Peace“ auch der Bonustrack der '99er-Wiederveröffentlichung des 1997 erschienenen ersten VANISHING POINT-Albums „In Thought“. Auch das fluffig vorgetragene „Vanishing Point“ vom gleichen Album ist ein Song, der vermutlich nicht allen Hörern der Australier geläufig ist. Anders dürfte es da schon bei „Hollow“ aussehen, das später als Opener des 2005er-Albums „Embrace The Silence“ diente.  Die Aufnahmequalität der Songs ist leider nicht ganz optimal, mit streckenweise einfach zu leisem Gesang, doch VANISHING POINT beweisen, dass sie nicht nur ihre Balladen, sondern auch ihre breitwandiger arrangierten Songs wie „Hollow“ ohne Verlust von Atmosphäre in abgespeckter Version darbieten können.

Wer „Tangled In Dream“ noch nicht sein Eigen nennt, der sollte nun die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und seine Klauen in dieses lange vergriffene Edelsteinchen des melodischen Metals schlagen. Abgesehen davon, dass man die Scheibe als Kenner und Liebhaber des Genres unbedingt im Schrank stehen haben sollte, gibt das umfangreiche Bonusmaterial noch einen zusätzlichen Pluspunkt obendrauf. Übrigens: auch das bockstarke „Embrace The Silence“ aus 2005 erscheint am gleichen Tag via AFM als Re-Release. Zeit also, die Sammlung zu vervollständigen! Wer die Scheiben noch nicht Zuhause hat, der gehe nun diese erwerben – aber schnell!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (25.01.2017)

WERBUNG: Hard
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