DREAMSHADE - Vibrant

Artikel-Bild
VÖ: 09.12.2016
Bandinfo: DREAMSHADE
Genre: Melodic Metal
Label: Artery Recordings
Lineup  |  Trackliste

Heute scheint ein guter Tag zu sein, das Klischee des in allen Ebenen unbeugsamen und durch nichts auch nur annähernd ins Straucheln zu bringenden Metalheads beiseite zu legen und das aufzudecken, was in Allen von uns, zumindest tief verborgen, steckt: Ein Mensch, ein Individuum. Ob es uns nun gefällt oder nicht, aber als Menschen werden wir immer zu einem hohen Grad von anderen Menschen abhängig sein, sei es in beruflicher Hinsicht, sei es in familiärer Hinsicht, oder sei es auch nur in der Hinsicht, dass man sich auf dem unliebsamen Weg zur Arbeit seinen Platz in der Straßenbahn mit anderen, ebenso hoch motivierten Mitgliedern der Gesellschaft, die genauso wie man selbst noch viel lieber im Bett lägen, teilen muss. Unsere moderne Gesellschaft kommt in sogut wie keiner Nische mehr ohne zwischenmenschliche Beziehungen aus, egal ob gut oder schlecht. Das Anfreunden mit den neuen Arbeitskollegen, die langjährige Freundschaft, die zwei Menschen verbindet die sich seit Kindergartentagen kennen, die innige Liebe einer Mutter zu ihrem Kind und der brodelnde Hass auf den Vater, der sie verlassen hat als er von der Schwangerschaft erfuhr. All das sind weit verbreitete, teils sehr emotionale Schicksale, die uns tagtäglich beschäftigen und wohl auch einen großen Teil des Lebens ausfüllen, das wir leben. Es war also abzusehen, dass der Tag kommen würde, an dem auch eine Band die Wichtigkeit dieser Dinge erkennt und sie nicht nur in indirekter Weise in ihrer Musik verarbeitet, sondern ein ganzes Werk um das Thema "Beziehungen" schafft, egal, in welcher Form. Genau diesem Konzept hat sich die Schweizer Formation DREAMSHADE in ihrem neuesten Album verschrieben. Mit dem Namen "Vibrant", was so viel wie "lebendig" bedeutet, könnte das ganze Konzept darum wohl nicht beschrieben werden, beschäftigt man sich doch mit der Quintessenz dessen, was uns zu einem lebendigen Menschen macht. Gleichzeitig distanziert man sich damit auch von dem Bild, das viele vor ihrem geistigen Auge sehen, wenn sie an Metal und die Anhänger dieser Musikrichtung denken. Verpackt wird dieses ganze, doch relativ tiefgreifende Thema in einen musikalischen Mix, den man wohl am besten als "Melodic Metal mit dem Esprit einer jugendlichen Metalcore Band" (jaja, Genreklassifikationen sind toll) beschreiben könnte, was dem doch vergleichsweise emotionalen Thema fernab von Verzweiflung, Tod und Elend zugute kommt. Eine interessante Thematik? Check. Ein dazu passendes musikalisches Konzept? Check. Das Alles sind doch Anzeichen für ein tolles, individuelles Album, das sich von der Masse abhebt oder? Nun ja, also...lest mal weiter.

Wenn man das musikalische Werk, das man hier vorgesetzt bekommt, möchlichst objektiv bewerten möchte, so tut man sich wohl recht schwer, zumal Alles hier sehr zweischneidig ist und eine einheitliche und feste Meinung zu "Vibrant" gerne ins Straucheln bringt, wenn nicht sogar unmöglich macht. Einerseits sollte man der Band zugute halten, dass ihr Spagat zwischen der härteren Spielweise des modernen Melodic Metal und der, nennen wir es "Passion" und der poppigen Ausdrucksweise vieler Metalcore Bands durchaus solide ausgearbeitet wurde. Nichts klingt hier zu sehr gewollt oder aufgesetzt, viel eher scheint es, dass die Mitglieder von DREAMSHADE ganz genau wussten, was sie hier machen wollten und dies mit dem nötigen technischen Geschick auch ohne große Patzer in die Tat umzusetzen wussten. Die 12 Songs auf dem Album, die mit ihren im Mittel knapp 4 Minuten Spielzeit vergleichsweise kurz gehalten sind, wirken alle wie aus einem Guss und DREAMSHADE scheuen sich auch nicht davor, mal zu elektronischen Sounds zu greifen ("Don't Wanna Go") oder immer wieder einmal kurze Streicherpassagen einzubauen ("Dreamers Don't Sleep") , um die Emotionen, die ihre Musik vermitteln soll, zu verstärken. Es klingt alles so perfekt, alle Anzeichen für ein stilistisch grandios ausgearbeitetes Album, das seinesgleichen sucht, sind da und auch durchaus spürbar, und doch...findet es gennantes "Gleiches" wohl sehr schnell und ohne größere Schwierigkeiten. Denn das Album hat mit dem Problem zu kämpfen, dass es, abgesehen von der ansprechenden Thematik, sonst realtiv wenig zu bieten hat was es aus der breiten Masse des poppig angehauchten, emotionalen Metalcore herausstechen lässt . Musikalisch mag "Vibrant" zwar durchaus in der oberen Liga mitspielen können, daran lässt sich recht wenig rütteln, auch bei der Durchführung kann man nur wenig meckern, doch fehlt der Musik schlichtweg die Seele und das Leben dessen, was ein Album dieser Ordnung so sehr gebraucht hätte. Vieles wirkt einfach sehr glattgebügelt und ist dem sehr ähnlich, was schon zig Band vor ihnen geschaffen haben. Das wäre an sich nicht das Problem, ganz nach dem Motto "auch aufgewärmtes Gulasch ist gut, wenn es richtig gewürzt ist" [Anm. d. Lekt.: Manche behaupten aber auch, dreimal aufgewärmt und einmal angebrannt schmeckt Gulasch am besten...], doch fehlt bei diesem Beispiel einfach die "Würze", die den Hörer am Ball bleiben lässt. Die Tatsache, dass die meisten Songs zwar im Kopf bleiben, doch nur selten ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen, hilft da nicht. Positiv zu erwähnen wären hier wohl noch am ehesten "Up All Night" mit seinem interessanten, progressiv angehauchten Einsatz der Leadgitarre und der Closer "Father" mit seinem zugegeben wirklich ehrlichen, emotionalen Refrain, doch das war auch schon alles an Songs, an das man sich wirklich erinnern könnte. Musikalisch ist "Vibrant" also leider meist nicht viel mehr als ein, es schmerzt mich fast zu schreiben, "langweiliger" Genreableger, wenn auch technisch ein durchaus sehr guter.

Gesanglich macht "Vibrant" prinzipiell ebenfalls eine annehmbare Figur. Die Band verlässt sich hier zu großen Teilen auf kraftvollen Klargesang, der nicht wenig an OF MICE AND MEN erinnert, in den Strophen gerne mit Mid-Range Growls aufgepeppt wird und so den Hörer ohne große Probleme durch das Album führt. Auch hier sollte wieder bemerkt werden, wie leicht die Vocals der Band von der Hand zu gehen scheinen, als wäre es die leichteste Aufgabe der Welt, die Musik stimmlich makellos zu ergänzen und so die Emotionen und Geschichten, die DREAMSHADE an den Hörer bringen will, auf einem Tonträger zu vereweigen. Doch ist auch hier wieder das Problem, dass das alles nichts ist, was sich in irgendeiner Weise von hunderten anderen Bands abhebt und das Album zu einem wirklich erinnerungswürdigem Erlebnis macht. Nur um einen Vergleich zu ziehen verweise ich hier mal auf das letzte Album "Battles" von IN FLAMES. Dieses mag zwar auch sehr in Richtung Mainstream gehen und hat auch musikalisch teils kleinere Überschneidungen mit dem, was DREAMSHADE hier abliefern, doch sind die Songs und vor Allem die Vocals auf "Battles" durchsetzt mit progressiven Einflüssen, die dem Allem einen eigenen, leicht befremdlichen Sound geben, der, durch erinnerungswürdige Ohrwürmer begleitet, zu einem ganz eigenen, wenn auch leicht zugänglichen Hörerlebnis führt. Bei DREAMSAHDE dagegen ist es eben genau das, was man schon sehr oft genauso gehört hat. Gut gemacht, aber nichts, worüber man noch großartig Worte verlieren könnte.

Zusammengefasst findet man auf dem neuesten Album von DREAMSHADE also einen prinzipiell gut gemachten, technisch und auch textlich anspruchsvollen Mix aus Melodic Metal und Metalcore, der allerdings stark darunter leidet, dass er nicht wirklich etwas auf den Tisch bringt, was ihn von der Konkurrenz abhebt. Was letztendlich zu loben bleibt ist das Konzept des Albums, in dem sichtlich viel emotionale und persönliche Arbeit steckt und zum Nachdenken anregt. Dies reicht, auch in Verbindung mit der guten Durchführung jedoch nicht, um als wirklicher "unique selling point" zu gelten, womit "Vibrant" wohl dazu verdammt sein wird, im Mittelfeld hängen zu bleiben, und das, obwohl hier durchaus noch viel Potenzial nach oben gewesen wäre. Bleibt zu hoffen, dass das nächste Werk die guten Ansätze des aktuellen Werks beibehält und dem Allem noch einen Tick mehr "Seele" einhaucht, denn, sollte dies geschafft werden, steht uns ein wirklicher Kracher ins Haus, von einer Band die sich dann vor nichts und niemandem mehr zu verstecken braucht!

Zuletzt stand die Musik von DREAMSHADE bei uns 2013 mit ihrem Album "The Gift of Life" zur Debatte. Meinungen und Ohrfeigen sind bekanntlich verschieden, deswegen ist für einen anderen Blickwinkel auf die Musik der Band das damalige Review von Kollegen symX durchaus zu empfehlen!



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Daniel Csencsics (25.06.2017)

ANZEIGE
ANZEIGE