KRAWALLBRÜDER - [ab]norm

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VÖ: 21.04.2023
Bandinfo: KRAWALLBRÜDER
Genre: Deutschrock
Label: Soulfood Music
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Hand aufs Herz: So richtig sind die KRAWALLBRÜDER bis heute nicht zu mir durchgedrungen – und das, obwohl die Jungs quasi gleich bei mir um die Ecke residieren und ich ihre Künste obendrein regelmäßig von meinem guten, alten Kumpel und Deutschrock-Professor Grandmaster P. um die Ohren geprügelt bekomme. Doch wie heißt es so schön? "Kommt Zeit, kommt Rat" und "neues Spiel, neues Glück" – Zeit also, den aktuellen Dreher "[ab]norm" rotieren zu lassen! Kehren wir mit den Klängen zum dreißigsten (!) Bandjubiläum "Zurück an die Front", lassen uns eine "Voll auf die 12" verpassen und schauen, was dabei rumkommt!

Der wichtigste Eindruck zuerst: Die Songs "[ab]norm" sind kompositorisch eine runde Sache geworden und laufen tatsächlich eine Ecke besser rein als die Werke, die ich mir in den vergangenen Jahren eher sporadisch zu Gemüte geführt habe. Zeit, Fleiß und Erfahrung machen sich nun mal bezahlt – eine Lernkurve, die man hört. Ebenfalls lobenswert zu erwähnen ist der Sound. Die krawallenden Brüder sind in dieser Disziplin ohnehin seit jeher rau, aggressiv und etwas rumpelig unterwegs – so wundert es nicht, dass das Gezockte auf  "[ab]norm" einmal mehr klingt wie live vor den Latz geknallt. Kein Anschlag klingt zu 100% wie der andere, nichts wirkt nachpoliert, nichts wie nachträglich geradegerückt. Und gerade diese kleinen, feinen Unebenheiten machen das Live-Feeling einer Aufnahme aus – sie transportieren den Siff des Proberaums, den Schweiß einer adrenalingeladenen Show, die blutige Nase nach zwei, drei Runden Wall of Death. Dieser Kniff ist den KRAWALLBRÜDERn auf "[ab]norm" besonders gut gelungen – klarer Pluspunkt.

Und auch die bereits als wohlgefällig deklarierten Endprodukte leisten ihren soliden Beitrag. Mit hochtourigen Vollgas-Brechern wie dem vor Testosteron überquellenden Opener "Zurück an die Front" oder "VAD 12" (ausgeschrieben "Voll auf die 12") macht man als Szenegänger definitiv nichts falsch – Bier kalt stellen, Aufstandstreter polieren und fröhlich drauflos marodieren. Ein Stück weit extravagant wird es in den langsameren Stücken wie dem beinahe philosophischen "Das, was du verpasst hast" oder dem desolat-elegischen, von Akkordeon und Klavier flankierten Rausschmeißer "Herr deiner Sinne". Gestandene Kost nach Art des Hauses: ja! Sinnlos rausgefeuerte Stangenware: keineswegs.

In altbewährter Drecksmaul-Poesie vortragend, bleibt das rabiate Quartett natürlich selbst für Deutschrock-Verhältnisse harte Kost – aber dieses Attribut zählt wie der Name selbst einfach zum Markenauftritt und würde im Falle einer lyrischen Kahlrasur schmerzlich vermisst. Die Texte bewegen sich in den üblichen Themenfeldern, sind aber auch für den geneigten Vielhörer noch hinreichend unterhaltsam formuliert – simpel und direkt in der Wortwahl, aber niemals plump oder abgedroschen. Die aufbrausende Systemkritik in "Teile und herrsche" mag ein wenig vage formuliert sein (klassisches Deutschrock-Problem), aber andererseits...wer inmitten von Regierenden oder solchen, die es noch werden wollen, blind mit Tomaten um sich wirft, trifft meistens den Richtigen...besonders, wenn man dorthin schmeißt, wo zum eigenen Machtgewinn und -erhalt gespalten wird...

Insofern: Gute Songs, guter Sound und keine Spur von Altersmilde – summa summarum also ein starkes und abwechslungsreiches Album einer Band, die zwar inzwischen alt genug ist, über die guten alten Zeiten zu singen ("Als wir noch jung war'n"), ihren Biss und jugendlichen Hormonspiegel aber noch nicht am Eingang zum Studio abgegeben hat. Im Prinzip sind die BRÜDER damit noch immer die ungehobelten Krawallos von nebenan und manch einem sicherlich ein Dorn im Auge. Für gestandene Klangrabauken und Alteingesessene mit schlecht erzogenem Gehör bleibt der Spaß jedoch ein Hort der Entspannung und ein Fest für die Ohren. Oder wie es in der Werbung unseres hiesigen Supermarktketten-Primus so schön heißt: "da ist die Welt noch in Ordnung"!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (18.04.2023)

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