Cephalic Carnage - Misled by Certainty

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VÖ: 03.09.2010
Bandinfo: Cephalic Carnage
Genre: Death Metal
Label: Relapse Records
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Lineup  |  Trackliste

Ein neues CEPHALIC CARNAGE-Album stellt einen Rezensenten immer auf eine Geduldsprobe: Rasant schlängelt sich das Gehörte durch jenen Teil des Gehirns, in dem vermeintlich das musikalische Verständnis liegen sollte. Mit anderen Worten: Zu Beginn kapiert man nicht, was die Musiker hier machen: Brutalen Death Metal mit wahnwitzigen technischen Spielereien und jazzigen Strukturen gibt es also auch anno 2010 von den Herren aus Colorado zu bestaunen. Doch eine Kleinigkeit hat sich zumindest im Vergleich zu ihren Frühwerken geändert: “Misled by Certainty“ ist zwar schwer zu erfassen, doch bei einem gewissen Hingebungsgrad erkennt man jene Strukturen, die in der Anfangsphase der Band durch das Chaos verdrängt wurden.

Insgesamt stellt "MIsled by Certainty“ natürlich kein Novum dar. Bereits die beiden Vorgänger verabschiedeten sich vom bloßen Chaos der Anfangstage. CEPHALIC CARNAGE sind also tatsächlich soweit, Songs zu schreiben und nicht bloß mit ihrer Wahnwitzigkeit zu punkten. Der viel zitierte rote Faden ist in diesem Fall beim Riffing zu verorten. Charakteristische Groove Riffs sorgen für einen Gegenpol zur schnaubenden Raserei und werfen dem Hörer zudem einen musikalischen Rettungsanker zu, der ihn davor schützt in die Untiefen des CEPHALIC CARNAGEnschen Ozeans zu sinken. „Ohrwurm“ ist ein solcher Song, der zwar ordentlich scheppert, aber im Endeffekt nicht ausschließlich aufgrund des musikalischen Wahnsinns überzeugt, wenngleich der Titel trotz der halbwegs übersichtlichen Struktur eine gewisse Portion Zynismus offenbart.

Die Herren aus Denver sind wirklich gut darin, die Subgenres verschmelzen zu lassen. Ob Death oder Grind oder gänzlich genrefremde Elemente: CEPHALIC CARNAGE sind spieltechnisch über jeden Zweifel erhaben und lassen sich bezüglich ihrer eigenen Orientierung nicht beirren. Ja, dieser Irrsinn hat System: Die unterschiedlichen Vokalstrukturen, diese Mischung aus am Nervenkostüm nagender Hektik und walzendem Groove. Alles hat einen Sinn und alles seine Struktur. Und in diesen Worten wurde das Problem bereits impliziert: Während "Misled by Certainty“ musikalisch absolut überzeugen kann, ist man an einem Punkt angekommen, an dem CEPHALIC CARNAGE nicht mehr überraschen. Wenngleich eine gewisse Routine dem Großteil der Fans gefallen dürfte, so finde ich es - in diesem Fall - nicht ausschließlich positiv, „zu wissen was man bekommt“. Schließlich lebt diese Band auch von den integrierten Überraschungen. Doch das Saxophon von Bruce Lamont (YAKUZA) oder die eingestreuten gesprochenen Passagen reichen nicht aus, um mich vollends zu überraschen.

Zudem befinden sich auf „Misled by Certainty“ ein paar Grindsongs, die nicht unbedingt die Genialität manch anderer Songs erreichen: So klingt z.B. “Pure Horses“ nach prüder Durchschnittsware, die es nicht schafft, den Schrecken der Monster “Ohrwurm“, “The Incorrigible Flame“ und „Repangaea“ zu verbreiten.

Dennoch: Freunde der musikalischen Verrücktheit werden CEPHALIC CARNAGE lieben. Wie immer bekommen die Fans auch auf „Misled by Certainty“ was sie wollen: Kompromisslosen, technisch perfekt umgesetzten Wahnsinn, der bei jedem Mainstreamhörer spätestens nach 10 Sekunden hysterische Anfälle auslöst. Die Geduld, die benötigt wird um diesen Irrsinn zu verstehen, macht sich im Endeffekt großteils belohnt. Also: Hirn einschalten und reinhören!



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: El Greco (02.09.2010)

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