BLIND PETITION – Keine Gnade: 40 Jahre bewegtes Musikerleben

Text: Reini
Veröffentlicht am 30.09.2014

Und die Lebensgeschichte des Hannes aus dem 10. Wiener Gemeindebezirk, der mit seiner Band (völlig zu Unrecht) eher milde belächelt, als gefeiert wurde, liest sich mehr wie ein Abenteuerroman, als eine Bandbiografie. Was auch auf der Hand liegt, denn das Leben des ‘Fusel‘ war ja auch ein einziges Abenteuer. In der Tat! Man darf sich wundern, wie viel Alkohol in einem menschlichen Körper überhaupt Platz hat, wie es sich so anfühlt in Moskau vor über 50.000 Wahnsinnigen gleich zweimal abzurocken oder in Mödling vor 25 Nasen einen desaströsen Auftritt hinzulegen.

Viele Passagen des Buches entstanden in stundenlangen Sitzungen zwischen Autor Andi Appel und Hannes „Fusel“ Bartsch, aber auch die komplette BLIND PETITION-Sammlung bzw. diverse Zeitzeugen haben den Autor bei seiner aktibischen Arbeit unterstützt.

In einem bei der Release-Party zur neuen BLIND PETITION-CD "Law And Order" (zum Review) geführten Interview mit Andi Appel beleuchten wir die Hintergründe zu "Keine Gnade", die BLIND PETITION-Story:

Andi, wie ist überhaupt die Idee entstanden eine Bandbiografie über BLIND PETITION zu verfassen?

Es war eine gemeinsame Idee vom Hannes und von mir. Voriges Jahr, als ich meine Firma Resonance Promotion zugesperrt habe, kam er und fragte mich was ich denn jetzt so machen würde. Meine Antwort war, derweil mal absichtlich gar nichts und nach diversen Mails meinte ich dann im Scherz, wenn alle Stricke reißen könnte ich ja immer noch die BLIND PETITION-Biografie schreiben.

Obwohl es von mir – wie gesagt – eher als Scherz gedacht war, ist beim Fusel der Funke sofort übergesprungen. BLIND PETITION haben ja heuer 40-Jahr-Jubiläum und der Hannes hat sogar schon selber überlegt ob er jemanden wegen eines Buches über die Band fragen solle. Im Endeffekt ist das Ganze von einer Schnapsidee zu einem ernsthaften Projekt gereift.

Für mich war das erste Treffen mit dem Hannes dann der springende Punkt, das Projekt auch wirklich umzusetzen. Ich habe irgendwann realisiert, da geht es um Mehr als um eine übliche Bandbiografie, wir reden hier von 40 Jahren Rockmusik in Österreich, wurscht was man von der Band halten möchte, aber jeder kennt bei uns BLIND PETITION und du musst so etwas erst einmal 40 Jahre lang durchziehen in Österreich.

Wie entsteht so etwas? Bist du da nächtelang mit dem Fusel zusammengesessen, ihr habt’s euch fürchterlich angsoffn und er hat erzählt und erzählt …

Also die Geschichte war erstaunlich nüchtern. Natürlich hat er mir seine Lebensgeschichte erzählt, aber das fand dann doch eher tagsüber bei Kaffee und so statt. Und wir haben uns wirklich oft getroffen und viel, sehr viel besprochen, weit mehr als dann schlussendlich im Buch drinnen sein wird. Ich weiß jetzt gar nicht mehr wie viele Stunden ich auf Kassette gehabt habe, bzw. was ich alles an Notizen mitgeschrieben habe. Mir war auch wichtig einen etwas breiteren Zugang zu dem Ganzen zu finden. Ich wollte Wegbegleiter der letzten 40 Jahre interviewen, naheliegend war der Muff Sopper als eine zentrale Ansprechperson, da er ja lange Zeit BLIND PETITION Manager war. Auch Joachim Luetke, der zu „Perversum Maximum“-Zeiten die Band gemanaged hat, wurde von mir kontaktiert. Ich wusste auch nicht vom Naheverhältnis zwischen dem Hannes und dem Schriftsteller Georg Biron, der natürlich auch näher beleuchtet wurde.

Hast du auf bestehendes Material auch zurückgegriffen? Die „Tschingo Bingo“ Live-LP hat ja die Frühphase im Beipacktext schon beleuchtet und auch auf der Best-Of-Scheibe „Gold“ gab es ja eine ausführliche Biografie bereits.

Ja klar, wobei man dazusagen muss, alles was sich vor dem Internetzeitalter bei BLIND PETITION abgespielt hat, war wirklich nicht einfach zu recherchieren. Die beiden von dir genannten Quellen hab ich natürlich beigezogen und die waren auch eine wertvolle Hilfe. Weiters hat mir der Hannes alle seinen Fotoalben und Pressemappen zur Verfügung gestellt, was auch sehr hilfreich war.

Trotz alledem war es schwierig bis unmöglich herauszufinden wer jetzt z.B. in einem bestimmten Jahr welchen Gig für die Band gespielt hat. Selbst was mich gewundert hat, der IRON MAIDEN Support 1986 auf der Donauinsel, eine für die Band natürlich außergewöhnliche Geschichte, da findet man im Netz wirklich Null Info, lediglich der MAIDEN Fanklub Österreich hatte da ein wenig was, aber sonst ist das eine Grauzone gewesen. Der Hannes hat, es sei ihm bei 40 Jahren BLIND PETITION verziehen, manches Mal gar nicht mehr gewusst welcher Sänger denn bei diesem oder jenem Auftritt tatsächlich mit der Band auf der Bühne war, was allerdings bei den doch unzähligen Line-Up Wechseln auch kein Wunder ist.

Einen kompletten Line-Up Stammbaum von BLIND PETITION bringt man also heutzutage nicht mehr zusammen oder?

Nein, wir haben für das Buch versucht einen Stammbaum zu kreieren, aber daran sind wir gescheitert. Der Hannes hat mir auch erzählt, es rufen ihn öfters Leute an, die dann sagen sie hätten im Jahre Schnee mal einen Gig als Aushilfe bei BLIND PETITION gespielt, weil gerade in der Anfangsphase der Band sehr viel auf Jam-Sessions aufgebaut war. Dass heißt, du warst semi-offiziell bei BLIND PETITION, hast mit der Band aber keinen richtigen Gig absolviert und bist auch relativ schnell wieder zu bzw. mit jemand anderen jamen gegangen.

Das Faszinierende an „Keine Gnade“ ist ja, es liest sich weniger wie eine Bandbiografie, sondern eher wie ein Abenteuerroman. War das beabsichtigt?

Das ist de-facto passiert. Natürlich muss man versuchen so einer Geschichte ein wenig Leben einzuhauchen. Eine rein stupide Aufzählung über mehr als 200 Seiten welcher Sänger denn jetzt wann und wie lange in der Band war, das würde mit Sicherheit niemanden interessieren. Das Schöne war aber, wir haben nichts dazu erfinden müssen, selbst in jener Zeit, in der die Band quasi auf Eis gelegen ist, hat der Hannes bzw. sein Umfeld genügend Stoff für ein Buchfüllendes Lesevergnügen geliefert.

Es war eher die Schwierigkeit diverse Sachen wegzulassen, so in die Richtung, dass wir nicht die 300. Eskapade der Band wieder und wieder breittreten, als händeringend nach Stoff zu suchen.

Der Ritterschlag des Buches ist ja das Vorwort vom Christian Kolonovits, der ja auch einmal mit dem Fusel ein Akustik-Projekt am Laufen hatte. War es schwierig eine honore Persönlichkeit wie den Christian Kolonovits hierfür zu gewinnen?

Das war wirklich easy. Ich habe den Christian klassisch angerufen und gefragt „Machst as?“ und er hat prompt zugesagt. Was mich bei seinem Vorwort so gefreut hat und was das Buch auch immens aufwertet: Er hat nicht irgendwas geschrieben, sondern seine Worte sehr nett, sehr persönlich gewählt und dafür muss man ihm natürlich mehr als dankbar sein. Auch vom Timing her lief alles optimal, im Gegenteil, der Christian Kolonovits hat sich sogar höflichst entschuldigt, dass er seinen Text einen Tag zu spät geliefert hatte, was bei einem Künstler seines Ranges natürlich nicht die Selbstverständlichkeit darstellt.

Würdest du jetzt, mit all dem Wissen über BLIND PETITION sagen, dass ihr Ruf, der ihnen zweifelsohne immer vorausgeeilt ist, 1000x harmloser ist, als er womöglich immer dargelegt wurde?

Glaub ich gar nicht, harmloser auf keinen Fall. Dieses Anrüchige, das hat im Zusammenhang mit BLIND PETITION schon seine Berechtigung . Im Endeffekt glaub ich aber, dass sie besser sind als viele das jemals geglaubt oder vielleicht sogar mitbekommen haben. Man muss sich nur einmal anschauen wer da wirklich mitgespielt hat. Ich glaube sie wurden und werden oft unter ihrem Wert geschlagen, an dem sind sie aber natürlich auch zu einem gewissen Grad selber schuld.

„Keine Gnade“ erscheint im Resonance Verlag (http://www.keinegnade.at) und weiß nicht nur ob seines flotten Erzählstils, sondern auch mit dem bereits im Interview erwähnten, sehr bewegenden Vorwort von Christian Kolonovits zu überzeugen.


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