NIGHTWISH - "Endless Forms Most Beautiful" Listening Session @Hardrock Café Köln (06.02.2015)

Text: Sonata
Veröffentlicht am 10.02.2015

01. Shudder Before The Beautiful: Kein seperates Intro, stattdessen ein kurzes gesprochenes Intro innerhalb des Openers, der folglich in drückende Strophen mündet und eine leichte, aber sehr wirkungsvolle Orchestrierung einbindet. Der Chorus wirkt fast schon unscheinbar, wird sich mit zunehmender Dauer aber mit großer SIcherheit als Hymne etablieren. Besonderes Highlight ist das nette Keyboard/ Gitarrenduell im Mittelteil, das mich vom Sound her an die Finnen von STRATOVARIUS erinnert. Aber was wäre NIGHTWISH ohne fett inszenierte Chorparts? Genau einer von dieser Sorte erwartet uns gen Ende und rundet das Opening Segment perfekt ab.

02. Weak Fantasy: Dieser Track gestaltet sich rein musikalisch schon mal deutlich anders, überrascht vor allem mit den akustisch orientalisch angehauchten Strophen, die einen für NIGHTWISH-Verhältnisse extrem düsteren harten Chorus einleiten, der mit atmosphärischen Orchesterklängen unterlegt wurde. Besonders gelungen ist hier wieder der Mittelteil, der Marco in Bestform zeigt und toll inszenierte symphonische Klänge als Untermalung hinzuaddiert. Im letzten Chorus gibt's dann ein geniales Zusammenspiel zwischen Floor und Marco, obgleich man zugeben muss, dass "Weak Fantasy" einer dieser Tracks sein wird, die Zeit brauchen werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

03. Élan: Die erste Single kommt überraschend seicht, fast schon poppig daher und bindet wunderschöne Flötenklänge ein, für die sich Mr. Troy Donockley auszeichnet. Die Strophen überzeugen mit einer dichten Atmosphäre, die ein gewisses "Nemo" Feeling aufkommen lassen. Diese Atmosphäre transportiert man auch in den ruhigen samtweichen Refrain, der im großen Finale ordentlich nach vorn drückt und so einen runden Abschluss markiert. In meinen Augen eine mutige Wahl für eine Single, die die Fans hoffentlich honorieren werden.

04. Yours Is An Empty Hope: Hier zeigen NIGHTWISH das, wofür Fans sie lieben. Ein wunderschön inszeniertes orchestrales Intro, in welchem auch durchaus Score-Feeling aufkommt. Das Ganze explodiert dann förmlich und drückt mit dicken Riffs druckvoll nach vorn. In den Strophen präsentiert sich Floor Jansen sehr energisch, ehe Marco Hietala das Zepter in der kurzen knackigen Bridge übernimmt und den düsteren sehr atmosphärisch angehauchten Chorus veredeln darf. Ein alles andere als typischer NIGHTWISH Refrain, der eben vor allem dadurch zu glänzen weiß, dass er sich mal was anderes traut. Der Zwischenpart zeigt sich sehr ausladend und erzielt vor allem mit der symphonischen Untermalung eine große Wirkung. Erneut ein Stück, das viel Entwicklungspotenzial mit sich bringt.

05. Our Decades In The Sun: Hier kommt beim vom Chor umschmückten Intro direkt Gänsehaut auf, die in den ruhigen balladesk angehauchten Strophen weiterhin anhält. Hier zeigt Floor Jansen, warum man sie ins Boot geholt hat. Neben ihrer sehr energischen Stimme bietet sie eben auch eine sehr emotionale Seite, die hier zum Tragen kommt. Der Refrain behält die seichte ruhige Atmosphäre bei, überzeugt dabei allerdings auf ganzer Linie. Im Anschluss verlässt der Song seine bisherige Struktur und gestaltet sich folglich sehr progressiv. Hier gibt es ein tolles Wechselspiel zwischen Floor's Vocals und diversen Gitarrenparts. Folglich kehrt die Nummer zu ihrer ursprünglichen Struktur zurück und intensiviert das Geschehen mit dem zweiten Chorus, der etwas druckvoller erscheint. Den Ausklang bildet ein sehr langes Outro, wo sich Piano, Orchester und diverse Flötenklänge die Klinke in die Hand drücken.

06. My Walden Beim Intro wird der Track von indianischen Klängen umschmückt, mündet anschließend in einen vom Dudelsack beherrschten Part, der an "I Want My Tears Back" erinnert. Die Strophen hingegen verlagern das Ganze in ein etwas düsteres Geschehen, wo ich mich wiederum an "Ghost River" erinnert fühle. Der Chorus widmet sich dann allerdings erneut dem folkloristischen Sound und orientiert sich definitiv an den Stellschrauben, die "I Want My Tears Back" zu einem so großen Hit gemacht haben. Der Mittelteil gestaltet sich akustisch, bindet Flöten- und Geigenklänge ein, ehe ein weiteres mal ein dominanter Dudelsack Part auf den Hörder niederprasselt und den Song langsam ausklingen lässt.

07. Endless Forms Most Beautiful: Hier trifft wohl eine Umschreibung voll und ganz zu: "Good Old Nightwish!" Der Titeltrack bietet eine ordentliche Härte und dominanten Bass seitens Marco Hietala, wo mir persönlich direkt "Wish I Had An Angel" in den Sinn kam. Die geniale fast schon unscheinbar wirkende Bridge leitet einen extrem ohrwurmlastigen Chorus ein, der auf kommenden Konzerten sicherlich als große Hymne abgefeiert werden wird. Hier kommt auch das Gefühl auf, als sei Floor schon seit Jahren Bestandteil dieser Band, was man ihr definitiv zugute halten muss. Abgefeiert habe ich hier persönlich auch den groovigen Mittelpart, der von dicken Bass- und Gitarrenlines dominiert wird. Eingeworfen wird noch langsam einsetzender Chor und dickes Orchester, ehe ein kurzer sehr crazy wirkender Klavierpart das nächste Highlight markiert. Im finalen Chorus gibt's mal wieder ein schönes Zusammenspiel zwischen Floor und Marco, das die Nummer perfekt abrundet. Wäre man auf Nummer sicher gegangen, wäre das mit Sicherheit die perfekte Wahl für eine Single gewesen.

08. Edema Ruh: In der Lead Melodie kommen hier deutliche Parallelen zu "Amaranth" auf, wohingegen sich die Strophen sehr balladesk gestalten. Der Chorus wirkt sehr emotional, doch irgendwie auch sehr beruhigend. Besonders toll wirkt hier der Zwischenpart, der ein weiteres mal mit tollen Flötenklängen ausgestattet wurde, sich aber auch einer grandiosen Atmosphäre hingibt, die gesanglich gekonnt von Marco in Szene gesetzt wird. Der finale Refrain kommt sehr ausladend daher, wird jeden Liebhaber symphonischer Musik mit einem zufriedenen Lächeln zurücklassen.

09. Alpenglow: Der wohl merkwürdigste Titel, den ich auf der Tracklist eines NIGHTWISH Albums bisher vernommen habe. Meine ersten Gedanken waren komischerweise "Aprés Ski"... Glücklicherweise ist das musikalisch ganz weit weg davon, bietet stattdessen ein schlichtweg wunderschönes orchestrales Intro, das bei mir dicke Gänsehaut erzeugen konnte...Folglich nimmt der Song langsam aber stetig Fahrt auf, mündet dann allerdings in ruhige Strophen, die wiederum durch eine intensive sehr kraftvolle Bridge abgelöst werden. Der Refrain gestaltet sich eher ruhig und seicht, kommt am Ende in einer Reprise Version hervor, die fließend in eine energischere Form des Refrains abdriftet. Allgemein ein Song, der sich mit jeder Sekunde in seiner Intensität steigert. Vergessen möchten wir hier nicht den Mittelteil, der, wie sollte es anders sein, mal wieder von Flötenklängen ausgeschmückt wird (die allg. das Album oft einnehmen, aber auch positiv zur Atmosphäre beitragen) und im Anschluss einen fett inszenierten Vocal Part zum Besten gibt.

10. The Eyes Of Sharbat Gula: Was fehlt uns bis hierhin? Genau! Ein Instrumental! Das bekommen wir hier gegen Ende der Platte serviert und das Gesamtkonstrukt dieser Nummer setzt durchweg auf eine dichte Atmosphäre, die auf Trommelklänge und ein Harfenartiges Instrument setzt, welches ich ehrlich gesagt nicht zu benennen weiß. Gesang wird hier nur in Form eines Kinderchors eingebunden, der im Zusammenspiel mit der gesamten Atmosphäre ein tolles Highlight verkörpert. Mein Problem mit diesem Track ist die Tatsache, dass er sich von seiner Länge her zu sehr streckt und dadurch an Substanz verliert. Ein kurzes Instrumental wie "Arabesque" war in seiner Einfachheit dazu in der Lage, den Hörer schnell an sich zu binden, das gelang hier bei dem Durchgang weniger gut.

11. The Greatest Show On Earth: Da ist es also, das größte Monstrum, das NIGHTWISH bisher auf uns losgelassen haben. 24 Minuten zählt der dicke Longtrack und die wollen natürlich gut gefüllt sein. Genau das gelingt schon mal mit dem tollen Piano-Intro. Langsam setzt Orchester ein, eine wunderschöne Pianomelodie offenbart sich, wird nebst dem Orchester von Flötenklängen umsiedelt und lässt ein weiteres mal dieses große Moviefeeling aufkommen. Das beherrschen Nightwish in Perfektion, was sie hier einmal mehr unter Beweis stellen. Floor Jansen glänzt hier mit aussagekräftigem Operngesang und verdeutlicht erneut, wie vielschichtig sie mit ihrer Stimme umzugehen weiß. Anschließend wird die Pianomelodie aus dem Intro wieder aufgegriffen, ehe Mr. Donockley zum Dudelsack greifen darf, um der Atmosphäre einen tollen Stempel aufzudrücken. Nun begrüßt uns erneut eine Erzählerstimme, die das lange doch sehr wirkungsvolle Intro zu einem Abschluss bringt und den Song in die Vollen gehen lässt. Bei wem die folgende Melodie keine Gänsehaut erzeugt, der sollte sich jeglichen musikalischen Erguss selbst verbieten. Wahnsinn, was für eine intensive Stimmung hier aufkommt...Die erste Strophe zeigt sich mit verzerrtem Gesang seitens Floor und die folgende Bridge könnte durch ihren Hymnencharakter fast schon als Chorus durchgehen. Der eigentliche Chorus legt allerdings nochmal eine Schippe drauf, gestaltet sich sehr intensiv und zeigt eine wahnsinnig starke Gesangsperformance von Floor. Dies möchte ich definitiv als absolutes Highlight der gesamten Platte benennen, großes Kino! Natürlich setzt man auch hier wieder auf fette orchestrale Parts, die mit viel Chorgesang umschmückt werden. Der Chorus erhält nun in abgewandelter Form Einzug, präsentiert sich im folgenden in einer Reprise Version, wodurch die nächste Gänsehautattacke nicht auf sich warten lässt...Die nächste Explosion schreitet voran, Chor und Trommeln erzeuge eine ungemein dichte Atmosphäre, die dennoch sehr druckvoll wirkt. Sounds aus dem Tierreich werden eingespielt, die Atmosphäre wird von einem sehr düsteren Gewand umhüllt. Mit großem Gebrüll folgt die nächste ruckartige Explosion und dicke Riffs sowie ein domninanter Bass verleihen der Nummer einen ordentlichen Härtegrad. Auch Marco darf hier mal wieder gesanglich zeigen, was er drauf hat und sich mit der grandiosen Floor Jansen das wohl intensivste Gesangsduell der gesamten Platte liefern, wobei jenes Duell wohl den zweiten Refrain des Longtracks markiert. Atmosphäre erhält erneut Einzug, ehe sich wieder ein deutlich aggressiverer Part in den Vordergrund spielt. Der zweite Chorus präsentiert sich ein weiteres mal, woraufhin sehr druckvolle beats folgen. Der zweite respektive dritte Part (wenn man das lange Intro mitzählt) nähert sich energisch seinem Ende und switcht nun in ein balladeskeres Gewand um, das von seichten Streichern umrandet wird. Troy Donockley darf nicht fehlen und führt uns auch hier wieder in beeindruckender Form in die Kunst der Blasinstrumente ein. Nun folgt ein bewegendes Zitat von Richard Dawkins ("Most people are never going to die because they are never going to be born."), das den Geist der Platte bzw. insbesondere den des Longtracks verkörpert. Was dann folgt, ist der wohl eindringlichste Orchesterpart des Albums, der mir ungelogen während der Listening Session ein paar Tränchen in die Augen trieb. Hier zeigt sich Tuomas Holopainen's ganze Erfahrung in Zusammenarbeit mit einem Orchester. Das ruhige Ende lässt uns nach dieser aufreibenden Reise erschöpft mit ruhigem Meerrauschen und angenehmen Walklängen zurück, auch wenn der Ausklang vielleicht einen Tick zu lang geraten ist. Sei's drum, jede Sekunde dieser 24 Minuten war der pure Hörgenuss und so endet "Endless Forms Most Beautiful"...

Tja, was soll ich sagen? Mir ist es schlichtweg nicht möglich, ein NIGHTWISH Album mit kurzen knackigen Worten zu umschreiben und so fiel mein Bericht der Listening Session weitaus länger aus, als geplant. Mir war es ein Bedürfnis, unseren Lesern diese umfangreiche Platte in ihrer Gänze näher zu bringen und ich hoffe, das ist mir mit diesem Track by Track Special gelungen. Im Endeffekt muss ich sagen, dass "Endless Forms Most Beautiful" wie ein Best Of Album erscheint, das alle Elemente einbindet, für die NIGHTWISH stehen, sich aber auch an neue Ideen und Experimente heranwagt, die es zu entdecken gilt. So würde ich die Scheibe als sehr rundes Paket bezeichnen, das viel Zeit benötigen wird, sich komplett zu entfalten, aber dennoch schon bei nur einem Durchgang extrem viel in mir auszulösen wusste...


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