Aus dem Re-Release-Regal: ST. ELMOS FIRE

Veröffentlicht am 13.10.2015

Carthago Records überraschte uns ja schon mit so manchem kleinen Juwel, und hievte im Zuge seiner Re-Releases von Alben aus den 80ern und 90ern bereits einige wenig bekannte Alben und Bands wieder zurück an die Öffentlichkeit - selbst einige nie veröffentlichte Tonträger bekamen durch Carthago Records die Chance endlich das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken. Im Zuge ihrer "Heavy Metal Classics"-Reihe (kurz HMC) nimmt sich die Plattenfirma nun auch der US-Metaller ST. ELMOS FIRE an.

ST. ELMOS FIRE - da war doch was? Nein, mit dem gleichnamigen weltbekannten Song von JOHN PARR hat die 1979 in Sacramento/Kalifornien gegründete Band bis auf den gleichen Namen nichts zu tun. ST. ELMOS FIRE wurden im Juni erwähnten Jahres von Gitarrist Jeff Jones und Sänger Tim Raynor-Allwein gegründet, und erspielten sich schnell einen guten Ruf in der lokalen Clubszene. Innerhalb kürzester Zeit durften sie für Größen wie NAZARETH, NIGHTRANGER oder Y&T eröffnen. Die Originaldemos aus dieser Zeit haben unter Sammlern heute noch einen teils hohen Wert.

1981, auf einer viermonatigen Tour durch Kanada, erweckten sie die Aufmerksamkeit von Produzent Dito Godwin (MÖTLEY CRÜE, PETER CRISS, NO DOUBT,...), mit dem sie als Produzenten und Manager im Folgejahr mit "Too Bad" ihre erste Single auf den Markt brachten. 1983 verlegte die Band ihren Hauptsitz nach Los Angeles und machte einige Lineupänderungen durch, unter anderem übernahm der mit einem außerordentlichen Organ gesegnete Zane Lazar den Dienst am Mikrofon. Auch in Hollywood erspielten sich ST. ELMOS FIRE mit Supportgigs von Bands wie MÖTLEY CRÜE einen guten Ruf, ehe sie sich 1984 an den Sunset Strip in LA wagten und in legendären Clubs wie dem "Whisky a Go Go" aufschlugen.

Mit der Unterzeichnung ihres ersten Plattendeals 1986 starteten ST. ELMOS FIRE am Sunset Strip durch, und tingelten dort regelmäßig durch die angesagtesten Schuppen der damaligen Zeit. Trotz ihrer für damalige Verhältnisse etwas härteren Ausrichtung, spielten sie Shows an der Seite von Gruppen wie POISON oder WARRANT. Nach dem Release ihres vierten Studioalbums 1992 lösten sich ST. ELMOS FIRE, die im bereits abebbenden Hype des Sunset Strips wohl auch aufgrund ihres ungewöhnlichen Bandnamens nie den wirklichen Durchbruch schafften, auf. Mehr als 20 Jahre danach, 2014, fand die Band unter Gründer Jeff Jones und Drummer Kris Gustofson wieder zusammen, und begann ihren zwischen 1986 und 1992 veröffentlichten Backkatalog auf CD neu zu veröffentlichen. Da sich die beiden Herren zwischenzeitlich um einen Sänger (Mike Palombi) verstärkt haben, steht eventuell sogar in absehbarer Zeit wieder neues Material im Raum...

 


 

1986 - St. Elmo's Fire (Re-Release 7. August 2015)

1. Fade To Black
2. Into The Night
3. Don't Drop It
4. More Than The Air
5. Too Bad
6. Breaking Out
7. Real Life (How Does It Feel)
8. Inside Of The Hunter
9. Innocent
10. Don't Drop It (Demo 1980)
11. More Than The Air (Alternate Version)
12. Too Bad (Alternate Version)
13. Innocent (Alternate Version)
14. Real Life (Alternate Version)

Nach vielen Demos und der 1982 veröffentlichten Single "Really In Love/Too Bad", konnten die von Sacramento nach LA gewanderten Rocker von ST. ELMOS FIRE mit Produzent Dito Godwin 1986 ihr erstes, selbstbetiteltes Album veröffentlichen. Mitten aus dem Sunset Strip kommend, klingen ST. ELMOS FIRE genauso wie es dem damaligen Zeitgeist entsprach, und wie man es auch erwartet. Genauso wie man es erwartet? Nur fast, denn im Vergleich zu anderen Bands der gleichen Lokalisation und musikalischen Ausrichtung, klingen ST. ELMOS FIRE doch ein Stück weit metallischer und düsterer als die fröhlichen Bands die zu jener Zeit mit auffälligen Klamotten und mal mehr mal weniger geschmackvoller Fönwelle über die Bühnen des Strip fegten.

Das merkt man schon bei dem vielversprechenden Intro, das man auch gut und gerne bei einer Powermetal-Band der heutigen Zeit finden könnte. Das folgende "Into The Night" ist gleich einmal ein toller Ohrwurm - genauso ohrenschmeichelnd auch die (Halb-)Ballade "More Than The Air", die Quotenballade des Albums die erwartungsgemäß poppig und radiotauglich einher kommt. Das bereits als Single veröffentlichte "Too Bad" ist dann der Ohrwurm vor dem Herrn - die sattsam bekannte Melodie (woher eigentlich? STATUS QUO eventuell?) fräst sich im Gehörgang fest, und lässt sich kaum wieder entfernen. "Breaking Out" und "Innocent" schließlich kommen mit einem gewissen ACCEPT-Vibe um die Ecke, und machen ordentlich Wetter. Inside Of The Hunter ist ebenfalls ein flotter Rocker, dessen harmonische Bridge wieder einen argen Ohrwurm erzeugt, und der Rest Musikalisch schwer an MÖTLEY CRÜE erinnert.

Hinten raus gibt es dann beim Re-Release noch einiges an Bonusmaterial, darunter eine Demoversion von "Don't Drop It", und einige alternative Versionen der Albentracks. Produktionsmäßig ist das Scheibchen wenig überraschend etwas höhenlastig, entwickelt aber trotz des Alters akzeptablen Druck auf dem Trommelfell. Ein starkes Debüt dass ST. ELMOS FIRE mit ihrem ersten Album da abgeliefert haben, und das in einer vollständigen Sammlung der Liebhaber des Sunset-Strip-Sounds nicht fehlen sollte.

3.5 / 5.0

 


 

1988 - Warning From The Sky (Re-Release 14. August 2015)

1. Don't Want Your Love
2. Let It Burn
3. Caught In The Heartbreak -
4. Hot 'n' Love (She Rocks The Night)
5. Tearin' It Down
6. Hearts On Fire
7. Warning From The Sky
8. World Gone Insane
9. No Way Out
10. Piece Of Your Love (Bonus)
11. Swineherd (Bonus)

 

 

Auf dem 1988 veröffentlichten Zweitling "Warning From The Sky" fahren ST. ELMOS FIRE das Tempo ihres Debütalbums einen Zacken zurück, und setzen dafür etwas mehr auf Melodien - ganz am Puls der Zeit, in der sich vor allem Wohlfühlrock ziemlich gut verkaufte. Wenig überraschend findet man hier einige Anleihen an Bands mit denen ST. ELMOS FIRE die Bühne teilten, allen voran MÖTLEY CRÜE, und in den balladesken Teilen schimmert auch ein klein wenig NAZARETH durch.

Bereits beim Opener "Don't Want Your Love" gehen ST. ELMOS FIRE auf Nummer sicher, und liefern einen soliden Rocksong ab, dessen Ohoh-Refrain vermutlich am Strip so richtig abging, aber heutzutage dann doch eher abgelutscht klingt. Mit "Let It Burn" wird es etwas härter, und der Song wäre damals vermutlich tatsächlich als Metal durchgegangen, vor allem wegen der  - heute wird er dann doch unter hochklassigem Rock verbucht. Hervorstechend hier vor allem die tolle Gesangsleistung von Fronter Zane Lazar. Nach diesem starken Song fällt das Album aber ab, und liefert eine durchschnittliche Quotenballade "Caught In The Heartbreak" und auch die weiteren Songs wie zB "Tearin' It Down" wollen nicht so richtig zünden. Stark dafür wieder as groovige "Hearts On Fire" - und so wenig wie der Bandname etwas mit JOHN PARR zu tun hat, hat dieser Song etwas mit HAMMERFALL zu tun. Der Titeltrack "Warning From The Sky" schließlich ist wieder ein etwas flotterer, rockiger Song, der im Gedächtnis bleibt. "No Way Out" hat in Folge wieder diesen metallischeren Touch, und entpuppt sich als einer der besten Titel des Albums.

Auch auf dem Re-Release von "Warning From The Sky" gibt es wieder Bonusmaterial - das glamrocklastige "Piece Of Your Love", sowie das coole "Swineherd" haben es hier zu verspäteten Ehren gebracht. Produktionstechnisch gibt es Futter für Soundpuristen - der recht trockene Sound ist weniger höhenlastig ausgefallen als beim Debüt, dafür knirscht es stellenweise bei den Gesangsspuren die hier nicht so sauber rüberkommen wie auf "St. Elmos Fire". Mit dem Re-Release von "Warning From The Sky" bedienen ST. ELMOS FIRE schon eher die Liebhaber-Klientel, die vom Sound der 80er nicht genug bekommen können.

3.0 / 5.0

 


 

1990 - Powerdrive (Re-Release 21. August 2015)

1. Gonna Get Wild - lässiger Rocker
2. Isolation - bisserl eintönig.
3. Wrong Side Of Love
4. City (Behind The Walls)
5. Powerdrive
6. I Need Your Touch
7. Smoking Gun
8. Street Lethal
9. Into The Night (Alternate Version)
10. Breaking Out (Alternate Version)
11. Inside The Hunter (AlternateVersion)
12. Breakin' Out (Demoversion)

 

Den auf "Warning From The Sky" eingeschlagenen Weg gehen ST. ELMOS FIRE auf ihrem dritten Album konsequent weiter. Das 1990 veröffentlichte "Powerdrive" ist erneut rocklastiger und sanfter als die beiden noch mit mehreren metallastigen Songs verbrämten Vorgänger, aber kann dafür mit differenzierterer Produktion aufwarten als die Alben der 80er.

Wie schon auf dem zweiten Album gehen ST. ELMOS FIRE mit dem Opener "Gonna Get Wild", einem schmissigen Rocksong dem aber der letzte Punch zum richtig mitreißenden Stück fehlt, auf Nummer Sicher. Nach dem etwas eintönigen "Isolation", geht es mit "Wrong Side Of Love" MÖTLEY-CRÜE-lastig weiter und es kommt zum ersten Mal so richtig das Feeling des Sunset Strip durch. Ohrwurmalarm gibt es dann beim Titeltrack "Powerdrive", dem einzigen flotteren, wieder etwas metallastiger gehaltenen Song des Albums. Die nach diesem vergleichsweise harten Song platzierte Schmuseballade "I Need Your Touch" wirkt danach extrem schnulzig. Dafür gibt es mit "Smoking Gun" und "Street Lethal" noch zwei amtliche Ohrwurmrocker auf die Ohren, die auf lange Sicht gesehen aber etwas austauschbar und wieder zu sehr auf Nummer Sicher wirken.

Für das Bonusmaterial hat man sich auf dem Re-Release von "Powerdrive" wieder bei Alternativ-Versionen älteren Materials bedient ("Into The Night", "Inside The Hunter"...), und auch eine Demo-Version von "Breakin' Out" hat es zu Veröffentlichungsehren gebracht. Produktionstechnisch ist "Powerdrive" wie bereits erwähnt stärker als seine beiden Vorgänger, dafür zeigt sich im teils austauschbaren, wenig mitreißenden Songwriting die Schattenseite des Sunset Strip - möglichst genauso zu klingen wie die bereits zu Größen gewordenen Bands hat hier oberste Priorität. Als 80's-Fetischist der seine Sammlung unbedingt möglichst komplett sehen will, kann man auch bei diesem durchschnittlich geratenen Album bedenkenlos zugreifen.

2.5 / 5.0

 


 

1992 - Desperate Years (Re-Release 21. August 2015)

1. Chain Around My Heart
2. On Fire
3. Desperate Years
4. Without You
5. Part Of My Life
6. Hot Time
7. Here And Beyond
8. Where Were You
9. Michelle
10. This Time
11. Rivethead Jam
12. Other Nights To Cry
13. Summertime Girls (Bonus)
14. Really In Love (Bonus)

Das vierte und (nach der Reaktivierung der Band 2014 vorläufig) letzte Album von ST. ELMOS FIRE hört auf den Namen "Desperate Years". Der Titel beschreibt die Situation der amerikanischen Rocker ziemlich gut - nach fast zehn Jahren in LA hatte man sich zwar lokal eine stabile Fanbase erspielt, und der große Durchbruch war so nah - und doch in weiter Ferne, zeichnete sich der stilistische Wechsel des Breitengeschmacks in Richtung Grunge doch bereits ab. "Desperate Years" markiert das letzte Aufbäumen von ST. ELMOS FIRE doch noch als Mainact Fuß zu fassen, und dafür entfernten sich die vier Amis schlussendlich weit von ihren Wurzeln im frühen US-Metal, und kehrten auf dem vierten Album ihre sanfte, oft sogar bluesig angehauchte Hardrock-Seite hervor.

Dabei wird man zu Anfangs noch ordentlich in die Irre geführt, braten doch bei "Chain Around My Heart" die härtesten Gitarren der bisherigen Bandgeschichte aus den Boxen. Der bluesige Midtempo-Song hat hier deutlich mehr Pfeffer im Arsch als die vorangegangenen, im Mix größtenteils recht höhenlastig ausgefallenen Alben. Das poppige "On Fire" kommt teilweise sogar ein wenig sphärisch einher, während sich "Desperate Years" als großartige Stadionrockhymne entpuppt, die durchaus den Durchbruch hätte bringen können. Doch dann packen ST. ELMOS FIRE die Schnulzenkeule aus, und verteilen über die Albumlänge gleich drei wirklich klebrige Balladen in die Titelliste. Während "Without You" und "Other Nights To Cry" eher unspektakulär daherkommen, ist mit "Where Were You" auch ein wirklich hochklassiger Schmusesong enthalten. Ein wunderschöner Song mit toller, gefühlvoller Gesangsleistung - insgesamt tatsächlich einer der besten Titel des Albums. Cheesy aber breitentauglich die zweite Stadionrock-Hymne "Michelle" - hört man hier tatsächlich einen Schuss BON JOVI heraus? Bei "Rivethead Jam" darf sich die Band einmal ausgiebigst an ihren Instrumenten austoben, was Instrumental fast ein wenig in die Richtung von DEEP PURPLE oder RAINBOW geht, aber nicht deren Klasse erreichen kann.

Dass die älteren Sachen ganz einfach mitreißender und seelenvoller waren als das recht glatte "Desperate Years" sieht man sehr schön an den Bonussongs mit denen der Re-Release aufwartet: Sowohl der oberlässige Rocker "Summertime Girls" als auch die '84er-Single "Really In Love" sind prägnanter und bleiben länger im Gedächtnis als der Großteil des vierten Albums. Dem technischen Fortschritt geschuldet kann "Desperate Years" zwar mit guter, dennoch in der Qualität etwas schwankender Produktion aufwarten, aber nicht über den verzweifelten Versuch hinwegtäuschen einen letzten Anlauf zum Durchbruch zu starten. Für Freunde der 80er hält ST. ELMOS FIRE's "Desperate Years" aber ausreichend Unterhaltung bereit um eine Anschaffung zu lohnen.

3.0 / 5.0

 


 

Die komplette Diskografie von ST. ELMOS FIRE gibt es bei Carthago Records auf jeweils 1000 Exemplare limitiert und mit Zertifikat versehen.


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