Zurück in die Zukunft: Das Wiedererwachen der wilden 70er

Veröffentlicht am 13.11.2015

Seit 2007 wabern durch Erdberg süßliche Rauchschwaden. Abgelegt wird die rosa Brille, grün, immergrün ist die neue Lieblingsfarbe. Hierfür sind jedoch keine verbotenen Substanzen verantwortlich, nein, sondern die seit eben 2007 existierende Veranstaltungsreihe Roadtrip To Outta Space in der Arena Wien, die beweist: die beste Droge ist immer noch die Musik selbst. Wir unterhielten uns mit den Herren Milo (PR) und Philipp (Booker) über Past, Present und Future.


Neben der Party-Reihe Iceberg und dem Drum-&-Bass-Event Mainframe ist die Roadtrip To Outta Space-Reihe aktuell einziges „Fixprogramm“ in der Arena Wien. Was gab 2007 die ausschlaggebende Begründung, jene Serie ins Leben zu rufen?

Philipp Gottschall: Die Konzertreihe ist – wie auch viele Konzerte mit jungen oder kleineren Bands in der Arena Wien – aus purer Liebhaberei entstanden mit dem Ziel, die Genres, die durch die Roadtrip-Reihe bedient werden, einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen. Es gibt und gab natürlich schon geneigte Konsumentinnen für Stoner Rock, Doom Metal usw., doch hat sich die Reihe nun schon als Marke etabliert. Das hilft den kleinen Bands, die wir veranstalten, die „Hemmschwelle“ für Besucherinnen, sich Bands anzuschauen, von denen sie vielleicht noch nie gehört haben, ist gesunken, da mittlerweile „automatisch“ davon ausgegangen wird, dass bei den Roadtrip-Konzerten immer hohe Qualität und Spezielles geboten wird. Neben größeren Shows mit bekannten Namen wie THE MELVINS, BRANT BJORK & THE BROS oder KYUSS LIVES entdecken die Leute eben auch die Künstler bei den kleineren Shows.

 

Wie kam der Titel der Serie zustande?

Philipp: In Anlehnung an den Inhalt! Schließlich findet sich viel Musik aus den Bereichen Stoner, Experimental, Psychedelic in unserem Programm. Wenn man minutenlange Drone-Nummern hört und der Bass durch Mark und Bein kriecht, kann man schon von gedanklichen Ausflügen in andere Sphären sprechen. Wer in der komplett eingenebelten Halle beim Konzert von SUNN O))) war, weiß, wovon ich spreche!

 

Bereits oft zu Gast waren unsere deutschen Nachbarn COLOUR HAZE und ROTOR, aber auch die TRUCKFIGHTERS und DOZER aus Schweden, sowie CHURCH OF MISERY aus dem fernen Japan. Außer  Konkurrenz laufen freilich die THE MELVINS-Konzerte. Was waren eure bisherigen Highlights in der bewegten Geschichte?

Philipp: Too many to name, aber die eben angesprochene SUNN O)))-Show ist auf jeden Fall dabei! Daneben waren es für mich persönlich Entdeckungen wie HYPNOS 69, die schwedische Sludge-Maschine SUMA und SAINT VITUS, als sie nach langer Zeit wieder auf Tour gingen. Außerdem PENTAGRAM, ELECTRIC WIZARD, EARTH, CRIPPLED BLACK PHOENIX und und und!

Milo Bauer: Die Auftritte von so legendären, totgeglaubten Bands wie SAINT VITUS, PENTAGRAM und EYEHATEGOD waren für alle Beteiligten ein Triumph. Persönliche Highlights waren außerdem ELECTRIC WIZARD, OM, JEX THOTH und SLEEP – allesamt Giganten des Stoner Dooms.

 

Wodurch würdet ihr in wenigen Worten das breite Spektrum zwischen Doom, Stoner und Psychedelic definieren, welche Charakteristika sind allen Künstlern gemein, was hebt sie insbesondere aus der breiten Masse heraus?

Milo: Eine konventionslose Liebe zu ehrlicher Musik und der reinigenden Macht des Riffs verbindet wohl alle Roadtrip-Bands. Durch die schwierige bis unmögliche kommerzielle Vermarktbarkeit von Doom- und Drone-Acts ist der Hörer sehr nahe an der uneingeschränkten Vision des Künstlers. So werden neue Wege beschritten.

 

Bevorzugt werden die Konzerte im Dreiraum und der kleinen Halle abgehalten. Wie haben sich die Besucherströme seit den Anfängen entwickelt?

Milo: Im Bereich von 70s-lastigem Psychedelic Rock gibt es durchaus Erfolgsgeschichten; Bands wie COLOUR HAZE oder GRAVEYARD konnten im Laufe der Jahre ihre Besucherzahlen verdrei- oder vierfachen. Wir selbst betrachten die “dichte” Atmosphäre der kleinen Halle und des Dreiraums als ideal für Roadtrips.

 

Wie vollzieht sich der Booking-Prozess? Erfüllt ihr euch auch eure „persönlichen Wünsche“ bzw. „Bedürfnisse“, oder sind im Rahmen der Roadtrip To Outta Space-Reihe – ohne dies abwerten zu wollen – reine Promoter-Angebote zu finden?

Philipp: Zu 80 Prozent erfüllen wir uns hier Wünsche oder laden Bands ein, die wir für uns neu entdecken. Daneben gibt es natürlich auch altgediente Namen, die alle paar Jahre auf Tour gehen und willkommene Wiederholungstäter sind. So oft es geht laden wir auch heimische Bands ein, um entweder als Support zu spielen oder ihre eigenen Shows bei uns zu machen, an der Stelle muss ich gleich mein Bedauern über das Ende der Band BEEN OBSCENE aus Salzburg zum Ausdruck bringen und – um nur zwei zu nennen – den LeserInnen IRON HEEL und PASTOR ans Herz legen!

Milo: Es gibt eine Reihe von Acts, die schon lange auf unserer Liste waren und dann auch ihren Weg nach Erdberg geschaftt haben. Klarerweise fließt unser persönlicher Geschmack in die Programmgestaltung mit ein.

 

Wäre die Desertfest-Reihe auch für Wien denkbar, oder wodurch unterscheiden sich London, Berlin und Antwerpen von Wien?

Philipp: Überlegungen dazu gab es schon, ebenso, einen Ableger des Roadburn-Festivals in Wien zu etablieren, allerdings bleibt das Roadburn bis auf weiteres eine einmalige, lokale Angelegenheit in Tilburg (Niederlanden), die Desertfest-Geschichte ist vielleicht für die Zukunft einmal ein Thema. Eher warten wir auf eine gute Gelegenheit, unser „eigenes Ding“ auf die Menschheit loszulassen – hier gibt es aber keinen konkreten Zeitplan, es geht da um Terminfindung und darum, einen Zeitpunkt abzupassen, zu dem ein paar namhafte Headliner an ein bis zwei Tagen zusammen Wien besuchen können. Das kann man nicht erzwingen, beziehungsweise gibt es kein Budget für so ein Event, KünstlerInnen aus der ganzen Welt einfliegen zu lassen. Im kleineren Rahmen hatten wir aber schon ein paar Mal „Double-Features“, bei denen an zwei Tagen in Folge Konzerte passiert sind, für die es dann natürlich auch Kombitickets gab. Ein Highlight war hier sicherlich 2011 ELECTRIC WIZARD, PENTAGRAM, GRAVEYARD und noch weitere Bands – das war hart für die Besucherinnen und auch für uns!

 

Mir scheint, dass die Marke Roadtrip To Outta Space generell wenig präsent gehalten wird – während vergleichbare Veranstaltungen im Ausland durchaus mit dem Titel arbeiten, stehen bei der Arena primär die Bands im Vordergrund. Eine marketingtechnische oder wirtschaftliche Entscheidung?

Milo: Die Künstler stehen für uns immer im Vordergrund. Wir bewerben kleine Shows mit den selben Mitteln wie große Shows und behandeln große Bands genauso wie kleinere Bands. Wir lassen das Programm für uns sprechen. Diese Strategie funktioniert bis jetzt sehr gut.

 

 

Wie sieht euer persönlicher Rückblick auf das aktuelle Jahr aus?

Milo: Dank dem großen internationalen Erfolg von Bands wie BLUES PILLS, KADAVAR, GRAVEYARD und GHOST konnte man die vergangenen zwei bis drei Jahre einen deutliche Zuwachs an jungen Stoner/Psychedelic-Rock-Bands beobachten. Eine dieser Bands sind THE HEAVY MINDS aus Linz, die heuer auf dem Wiener Label Stone Free Records, auf dem auch die heimischen TORSO und SAVANAH beheimatet sind, ihr Debüt veröffentlicht haben. Zweifelsohne einer der stärksten Releases aus Österreich heuer. Ein weiterer Liebling, der meinen Plattenteller über lange Zeit nicht verlassen hat, ist "Berkana", das zweite Album der US-amerikanischen Progressive/Stoner-Combo GOLDEN VOID. Und dann wäre da noch das sehnlichst erwartete, neue Album der Sci-Fi-Post-Rocker ZOMBI. Das Duo hat sich mit "Shape Shift" erneut selbst übertoffen und ihren Status als einer der absoluten Roadtrip-To-Outta-Space-Wunschkandidaten gefestigt. Ein wahrer Roahdiamant des finnischen Undergounds ist die ein-Mann-Band PHARAOH OVERLORD. Auf dem aktuellen Album "Circle" zelebriert er epischen Synth Pop, psychedelisch und heavy. Last but not least wäre da noch das Wiener Party-Flagschiff PASTOR. Mit "Evoke", ihrem Debüt, haben sie kürzlich den perfekten Soundtrack für eine Bier-getränkte Headbang- und/oder Skatesession abgeliefert.

 

Die nächsten RTOS-Events:

18.11. - ROTOR und KALAMAHARA
01.12. - TORCHE und PROTOTYPER
15.12. - KADAVAR, HORISONT, THE SHRINE und SATAN'S SATYRS
26.02. - Up In Smoke Tour Vol. 6 feat. MY SLEEPING KARMA, GREENLEAF und MAMMOTH MAMMOTH

 

"Ich will einen verschwitzten Typen mit Haaren im Gesicht wie Theo Mindell von ORCHID oder eine im langen blumigen Rock tranceartig tanzende Frau wie Elin Larsson von BLUES PILLS sehen – das ist echt!" - Markus Jakob von Nuclear Blast weiß genau, was er will. Dies und mehr lest ihr auf Seite 3.

 


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