SERENITY - der "Codex Atlanticus"-Gangbang

Mit „Codex Atlanticus“ veröffentlichen SERENITY dieser Tage Album Nummer fünf, das sich mit einem Mammutwerk (lt. Dr. Wikipedia 1.119 Seiten an Texten, Bildern, Skizzen…) des guten alten Leo (nardo da Vinci) beschäftigt. Wer SERENITY kennt und um Georg Neuhausers Leidenschaft für Geschichte weiß, kann sich da dann natürlich auch sicher sein, dass nicht das kleinste historische Detail hierbei nicht korrekt sein könnte. Aber es geht ja primär erst mal um die Musik und es gibt indes immer wieder Veröffentlichungen, die einen nach erstem Durchhören zuerst einmal ziemlich ratlos zurücklassen… so auch diese.

„Westeros Calling!“ - mit einem deutlich an "Game Of Thrones" erinnernden Intro geht es los; es folgt ein typischer Einleitungssong, der auf den Namen „Follow Me“ hört – ein ordentlich nach vorne schiebender, absolut typischer SERENITY-Song, der jedoch deutlich mehr Bombast enthält als zuletzt üblich. Ungewohnt heftiges Riffing und aggressive, sogar leicht keifende Vocals – u.a. auch eine zweite männliche Stimme - bietet im Anschluss „Sprouts Of Terror“ an, ein eindeutiges Highlight des Albums. Doch dann folgt leider ein gewisser Einbruch, denn die nächsten drei Songs plätschern eher zahm und doch recht unspektakulär vor sich hin. Zuerst ein Bombast-Stampfer, danach ein bisschen der symphonische Overkill und danach wiederum eine folkig angeflötete Ballade. Aber SERENITY fangen sich gottlob wieder… nach leicht cineastischem Beginn entwickelt sich „Caught In A Myth“ zu einem sehr KAMELOT-orientierten, aber damit nicht minder interessanten Song. Große Nähe zu den Floridianern zeigt auch das nächste Stück, welches zusätzlich einen sehr schönen Spannungsbogen aufweist. Song Nummer neun, „A Perfect Woman“ sorgt für ungläubiges Augenreiben… das ist ja nun mal eine äußerst unverhohlene Verbeugung vor MEAT LOAF („I Would Do Anything For Love“ anyone?). An sich klingt das ja schon nach einem kleinen Musical, wozu natürlich auch die zweite, weibliche Stimme beiträgt. Das Arrangement ist auch so richtig Jim-Steinman-like. Mit dem folkig angehauchten (doppelt da etwa ein Dudelsack die Gitarre?) und von Rhythmuswechseln geprägten „Spirit In The Flesh“ (auch hier wieder die mysteriöse zweite Männerstimme…) leiten SERENITY dann die Schlussrunde ein, die mit dem typischen Finalsong „The Order“ ihr Ende findet, der wieder richtig nach Musical tönt.

Um auf den eingangs erwähnten ersten Eindruck zurückzukommen – der war in der Tat sehr zwiegespalten, jedoch erweist sich „Codex Atlanticus“ als echter Grower, denn nach den ersten drei bis vier Durchläufen bekommt man einen deutlich besseren Zugang zu dem zuerst etwas sperrig anmutenden Werk. Sicherlich, die beiden Vorgänger „Death & Legacy“ und „War Of Ages“ noch einmal toppen zu können, war fast unmöglich bis aussichtslos. Leider ist es genau die auf diesen beiden Alben perfekt austarierte Balance aus Melodie, Härte und symphonischen Elementen, die „Codex Atlanticus“ nun etwas fehlt. Zu viel Bombast meist, und manches Mal hätte es doch ein bisschen dominanter mit den Gitarren sein können. Andererseits – ich bin selbst Musiker und bezeichne uns gerne als ziemliche Wichser, die das, was sie da verzapfen, zum größten Teil als reine Selbstbefriedigung betreiben und nicht, um die Erwartungen der Fans bis aufs i-Tüpfelchen zu erfüllen. Daher haben SERENITY sicherlich das Album abgeliefert, das sie abliefern wollten, was musikalisch ihren Überzeugungen und momentanen Vorstellungen entspricht, und das muss man auf jeden Fall anerkennen.

„Codex Atlanticus“ kann mit den bereits erwähnten Highlights des SERENITY-Kanons leider nicht ganz mithalten, ist aber weit davon entfernt, etwa nicht gut zu sein… es ist eben etwas anders.

3,5/5 Sterne sagt MH

 

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