15 vs. 25 Jahre LORDI - eine Retrospektive

Veröffentlicht am 03.01.2017

Monstereophonic - Zurück zu den Wurzeln

Zwei Jahre nach dem letzten Studiooutput, schafften es LORDI erneut, mich zu überraschen. „Monstereophonic (Theaterror vs. Demonarchy)“ (wieder via AFM Records) wurde als Konzeptalbum angekündigt, in dem die Monster einerseits zurück zu ihren Wurzeln gehen, und andererseits auch eine Weiterentwicklung präsentieren wollten. Zugegeben, als das Konzept eines „zweigeteilten“ Albums vorgestellt wurde und der etwas sperrige Titel bekannt gegeben wurde, war ich sehr skeptisch. Ich befürchtete ernsthaft einen neuen Anlauf, die noch immer latent vorhandene „Arockalypse“-Klientel zurück ins Boot zu holen und bereitete mich innerlich auf das Schlimmste vor.

Doch die Tatsache, dass sich LORDI wieder mit Nino Laurenne zusammengesetzt hatten, der schon für den starken „Deadache“-Sound zuständig war, ließ hoffen, und auch das Aufgreifen des zwiegespaltenen Albenthemas in den Kostümen erwies sich als überraschend cool. Als dann noch das Musikvideo zu „Hug You Hardcore“ veröffentlicht wurde, war die erste Überraschung perfekt – zwar sagte mir der Song persönlich überhaupt nicht zu, doch die Monster hatten tatsächlich einen Song über Anal-Fisting geschrieben, und dann auch noch ein ziemlich krankes, blutiges Video mit Kettensägenmassaker, Sektionen am lebenden Körper und einem Strap-On (für die Unwissenden mit dem unschuldigen Gemüt: Das ist ein Dildo zum Umschnallen, damit Frau auch mal die Herren der Schöpfung... – naja, DAS muss ich wenigstens nicht erklären, glaube ich.) dazu gedreht. Zum ersten Mal seit 14 Jahren durfte Mr. Lordi zumindest einen Teil seiner blutigen Fantasien auch tatsächlich umsetzen – keine Frage, jetzt redeten die Monster endlich Klartext.

Zudem hatten LORDI nicht übertrieben, was die Rückkehr zu den Wurzeln anging. Zum Einen, glückte den Monstern hier nun das, was sie auf „Babez For Breakfast“ vergeblich versucht hatten, nämlich den Spirit von Alben wie „Get Heavy!“ und dem übermächtigen „The Arockalypse“ weiterzutragen. Zum anderen, gingen sie wirklich wortwörtlich zurück zu ihren Wurzeln, indem sie den Stil des rumpeligen „Bend Over And Pray The Lord“ mit gewachsener Erfahrung, dazuerworbenem musikalischen Können und einer großen Portion Selbstvertrauen ins Hier und Jetzt transportierten. Und mir wurde klar – irgendwie hatte ich die ganzen Jahre auf genau so etwas gewartet.

Trackliste:
1. SCG8 - One Message Waiting
2. Let's Go Slaughter He-Man (I Wanna Be The Beast-Man In The Masters Of The Universe)
3. Hug You Hardcore
4. Down With The Devil
5. Mary Is Dead
6. Sick Flick
7. None For One
8. SCG VIII - Opening Scene
9. Demonarchy
10. The Unholy Gathering
11. Heaven Sent Hell On Earth
12. And The Zombie Says
13. Break Of Dawn
14. The Night The Monsters Died

Zugegeben, „Monstereophonic (Theaterror vs. Demonarchy)“ ist ein wirklich sperriger Albumtitel. Aber dem steht der direkt nach dem obligatorischen SCG-Intro platzierte Uptempo-Ohrwurm-Opener „Let's Go Slaughter He-Man (I Wanna Be The Beast-Man In The Masters Of The Universe)“ um nichts nach. Dafür ist die Musikkost des ersten Albenteils, „Theaterror“ betitelt, ganz und gar nicht sperrig, sondern LORDI-gewohnt hymnisch („Down With The Devil“), lässig-rockig („Sick Flick“) und ein Bißchen abgedreht („Hug You Hardcore“). Im Verein mit fett geratener Produktion macht das Scheibchen gewaltig Laune, auch wenn die unvermeidliche Quotenballade „Mary Is Dead“ wieder einmal mit etwas schiefer Gesangsleistung daher kommt – geeichte LORDI-Hörer kennen das allerdings schon von früheren Alben.

Im zweiten Teil des Albums, „Demonarchy“, werfen die Monster kurzerhand alles über Bord, wofür man sie bisher kannte und riffen drauflos, als gäbe es kein Morgen. Das zweite Gesicht von LORDI ist härter, fordernder, progressiver als alles, was man bisher von den Finnen gehört hatte (außer natürlich, man ist im Besitz der „Scarchives“...), böllert vorwiegend im Uptempo-Heavy/Powermetal dahin, und geizt nicht mit abwechslungsreichen Arrangements und häufigen Tempowechseln. Die Industrial-Einflüsse kommen vor allen in „The Unholy Gathering“ durch, welches mit vielschichtigen, vertrackten Melodien aufhorchen lässt, und den Hörer dann mit bohrendem, melodischem Ohrwurmrefrain zu packen weiß. „And The Zombie Says“ entpuppt sich als das wahre Highlight des Albums, schaffen LORDI hier doch einen wunderbaren Spagat zwischen ihren klassischen Monsterrock-Elementen und dem neu- bzw. wieder entdeckten progressiv-modernen Sound, mit forderndem Keyboard und einem Extra-Schuss Härte im hier auch wieder richtig fett geratenen Riffing – extrem starke Gesangsharmonien neben des Obermonsters Gröhlestimme werden außerdem noch obendrauf gepackt. (Anm. d. Verf.: Ja, ich hab hier bei mir selbst kopiert. Nach zwölf Seiten Text darf ich das wohl auch mal - ätsch!). Wumms... das hätte man den Finnen wirklich nicht zugetraut, da sieht man auch über den vergleichsweise blassen Schlusstrack „The Night The Monster Died“ hinweg.

Es ist schön zu sehen, dass sich die Monster nun endlich auch über etwas komplexeren Stoff trauen, da ihnen dieser Stil nämlich äußerst gut zu Gesicht steht! Solcherart Experimente hätten die Finnen schon viel früher wagen können, da unter den Monstermasken durchwegs starke Musiker stecken, die sich viel zu lange durch ihren Stil selbst limitierten. So gesehen haben sich LORDI nun endlich von alten Zwängen freigespielt und servieren einen akustischen Arschtritt, über den sich gerade die mehr Metal-affinen Hörer einen Ast abfreuen werden. Zumindest mir ging es so, sagen mir doch ganz ehrlich die etwas mehr lärmenden LORDI weitaus besser zu, als die allzu zahmen Kuschelmonster...


Keyboarderin Hella in München, 2016

 


 

Einleitung
Bend Over And Pray The Lord - Die Anfänge
Get Heavy - Das Debüt
The Monsterican Dream - Träume eines Monsters
The Monster Show
The Arockalypse und der Eurovision Song Contest
Deadache - Schwierige Zeiten
Zombilation & Dark Floors
Babez For Breakfast - Der Abstieg und ein Hoffnungsschimmer
Scarchives Vol. 1 - Rückblick und ein Neubeginn
To Beast Or Not To Beast - Sein oder Nichtsein?
Scare Force One & Monsterimies
Monstereophonic - Zurück zu den Wurzeln
...und es gibt sie noch immer! - Ein Fazit


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