TRASHCANNED IN SCHWEDEN - 4 days of party and standard mayhem

Text: Reini
Veröffentlicht am 06.05.2009

Tag 1 – Donnerstag, 2. 4. 2009
(Anreise)

Flughafen Wien Schwechat, 10:00 Uhr vormittags. Zwölf schwarz gewandete, großteils langhaarige Menschen sitzen beim Frühstück im Flughafen-Café „Servas“. Teilweise ist es auch ein erstes Kennenlernen: unsere unauffällige Reisegruppe umfasst neben meinen Bandkollegen Cisl, Bernhard, Hannes, Gregor und unseren drei Trashgirls Melley, Betty und Katl auch die uns teilweise nur flüchtig bekannten Reisi, Hanni, Joe und Schnee. Sie werden mit uns fliegen und nach ihrem Besuch des Metalboats (darüber an anderer Stelle mehr) auch unsere beiden Schweden-Gigs unsicher machen. Glutzi, einen weiteren Fan und Freund, werden wir erst in Schweden treffen, er fliegt von Bratislava aus. Und unser Keyboarder Christian reist direkt aus seinem Auslandssemester in Lissabon an.

Je nach Laune stärkt man sich mit Kaffee, frischen Semmeln, AF-Getränken oder einem Guten-Morgen-Bier. Man spürt förmlich die Vorfreude und Urlaubsstimmung. Und bald – beim Boarding (11:20) geht’s dann auch richtig los mit Party. Passenderweise prangt neben dem Eingang unserer FlyNiki-Maschine der Schriftzug „Rock n’ Roll“. Ein guter Name für unser Flugzeug, und ein gutes Motto… Bald schwankt die freundliche Stewardess angesichts der zahlreichen alkoholischen Bestellungen zwischen Fassungslosigkeit und Amüsement („Ihr seids die ärgsten!“, „A Maturareiseklass is ja nix gegen euch!“), aber es ist immerhin schon Mittag, und bei Preisen von € 2,- für eine (0,33er-)Dose Ottakringer oder € 3,- für einen Gin Tonic kann der tourende Metaller halt schwer widerstehen. Die schon leicht verzweifelte Frage der Stewardess „Seid’s jetzt alle mit Alkohol versorgt?“ beantwortet AMITY IN FAME-Basser Schnee mit einem fröhlichen „Geh lieber net z’weit weg!“, und Bernhard bestellt wie zur Bekräftigung einen Martini.

Kurz danach sind die Gin-Vorräte an Bord aufgebraucht (angeblich!!!), aber unser Flugzeug nähert sich der Landung in Stockholm (14:00). Am Flughafen Arlanda treffen wir planmäßig Christian, dessen Flug eine halbe Stunde nach uns angekommen ist. Zur allgemeinen Überraschung sind weder Gepäcksstücke noch Instrumente verloren gegangen, und auch die ersten schwedischen Widrigkeiten werden bravourös gemeistert (merke: Bankomatkarte verkehrt rum reinstecken, Chip nach unten!). Die erfahrenen Metalboatler Cisl und Reisi empfehlen uns, Streifenkarten kaufen, um mit dem Bus nach Märsta, von dort mit dem commuter train nach Stockholm zum Hauptbahnhof T-Centralen, und von dort mit der U-Bahn bis zur Station Slussen zu fahren. Das klingt zwar langsam und umständlich (ist es auch), ist aber auch aber deutlich preisgünstiger als die schnelle Direktverbindung. Und nach nur etwa neun Minuten Diskussion hat Cisl schließlich auch den jungen Schweden am Schalter von ihrem Plan überzeugt und bekommt Streifenkarten ausgehändigt. Ein Teil unserer Gruppe durchstreift inzwischen den Flughafen auf der systematischen Suche nach Bier. Melley und ich (mit der unbezahlbaren Erfahrung von drei Schweden-Urlauben) klären auf, dass es richtiges Bier nur in einem system bolaget zu kaufen gibt, wie die staatlichen Schnapsläden heißen.

Nach kurzer Busfahrt erreichen wir Märsta, wo wir am Bahnsteig zur allgemeinen Begeisterung ein (wenn auch halb überklebtes) Plakat für unsern Gig am nächsten Tag entdecken. Wir steigen um in den Pendlerzug, und brauchen noch eine dreiviertel Stunde bis Stockholm. Die Schweden-Debütanten amüsieren sich über die auch für uns immer noch lustigen Werbeschilder und Hinweise.



Hinflug. Stewardess: „Seid’s jetzt endlich alle mit Alkohol versorgt?“ Schnee: „Geh lieber net z’weit weg!“ Bernhard: „Ich hätt gern einen Martini!“


Arlanda Airport. Wir freuen uns, alle Gepäcksstücke und Instrumente wiedergefunden zu haben.


Nach ein wenig Herumirren (T-Centralen = unübersichtlichster Bahnhof EVER) und dem Erwerb weiterer Streifenkarten sitzen wir irgendwann in der U-Bahn, und zwei Stationen weiter steigen wir in Slussen wieder aus. Nach etwa 15 Minuten Fußmarsch verfluchen wir jedes einzelne mitgebrachte Instrument, aber unsere bandexternen Mitreisenden packen unaufgefordert mit an, und so erreichen wir mit letzten Kräften unser Hotel/Hostel Rygerfjord, das auf einem seit 1973 fest verankerten Schiff untergebracht ist.

Hannes und Betty, Gregor und Katl und Melley und ich – werden schon heute hier schlafen und beziehen unsere Zimmer, die anderen verstauen nur ihr Gepäck (und die Instrumente) zum Zwischenlagern im Baggage Room, einer schwarzen Holzhütte, und ziehen dann mit dem schwedischen Metalhead Ulf in Richtung Ablegestelle des Metalboats.

Abend 1 – Donnerstag, 2. 4. 2009 – Stockholm

Zu sechst schlendern wir durch die wunderschöne Stockholmer Altstadt Gamla Stan. Wir entschließen uns zu einem Abendessen bei Burger King (preiswert und nicht allzu fremd, aber doch in vielen Details anders), und steigen dann in die Katakomben der Sjätte Tunnan hinab, einer wunderschönen und bei jedem Besuch wieder überraschend authentischen Mittelalterbar: ein dunkles, nur von Kerzen schwach erleuchtetes Gewölbe, Tonkrüge für die Getränke, Runen und Waffen an der Wand, mittelalterliche Musik im Hintergrund. Mit ausgezeichnetem Birnen-Cider (als Aperitif, quasi) und später mit Bier (das es praktischerweise gleich in 3-Liter-Krügen zu bestellen gibt) stoßen wir auf meinen Geburtstag an.



Gegen 23:00 stoßen ROZENHILL zu uns. Sänger Pabbo und Gitarrist Mikko kenne ich schon vom exzessiven Mailen recht gut, und bald kommt eine angeregte Unterhaltung in Gang. Drummer Johan und Mikkos Freundin Maja sind auch mit dabei, Bassist Simon kämpft noch mit einer Erkältung und ist daheim geblieben. Wir plaudern über dieses und jenes – Bandangelegenheiten, Privates, Musik und die Metalszene an sich. Die sympathischen Schweden warnen uns schon einmal vor, dass bei Underground-Konzerten kaum einmal Stimmung aufkommt, und wir ob nicht vorhandener Publikumsreaktionen nicht enttäuscht sein sollen.

Eineinhalb Stunden später werden wir vom Wirten, einem Parade-Wikinger im Kettenhemd(!) äußerst charmant auf die Straße gesetzt: „Guys, I don’t wanna be rude… Who am I kidding?“ brummt er. Wir beschließen, eine nahe Bar aufzusuchen. Fünf Minuten zwingen uns die strengen schwedischen Jugendschutzvorschriften zu einem Plan B: der Besuch von Bars ist in Schweden erst ab 20 (teilweise ab 23) erlaubt, und Katl ist erst 19, Melley hat ihren Pass im Hotel und kann ihr Alter von… knapp über 21^^… nicht belegen.

Wir schlagen also vor, unsere Hotelbar aufzusuchen. Dort sitzen wir anfangs im Speiseraum bei einigen Flaschen Åbro, ausgezeichnetem schwedischem Bier. Als die Bar schließt, bestellen wir ein letztes Bier, und ziehen uns ein Deck höher in den luxuriös ausgestatteten Aufenthaltsraum (alte, schwere Lederstühle, ein Tisch mit in die eingelassene Metalplatte gravierter Weltkarte, …) zurück. Bald ist die anfängliche Sympathie gegenüber den Schweden zu einem Gefühl von Freundschaft geworden, und wir haben eine Menge Spaß, bis wir gegen halb drei beschließen, zu Bett zu gehen. Am nächsten Tag wartet mehr Schweden, mehr Bier und mehr Party. Und nebenbei ein Auftritt in einem der coolsten Clubs Stockholms.

Tag 2 – Freitag, 3. 4. 2009 – Stockholm

Sehr gut geschlafen, ein abwechslungsreiches, bis auf den mit einer entbehrlichen Anis-Note versehenen Orangensaft, sehr gutes Frühstücksbüffet im Rygerfjord und strahlender Sonnenschein bei frühlingshaften 13 Grad in Stockholm: unsere Stimmung könnte kaum besser sein.

Angeführt von meiner Frau Melley, deren Orientierung und Ortskenntnis von Gamla Stan auch mich immer wieder überrascht, und angetrieben von Katl und Betty, die das unvermeidliche Shoppingerlebnis zu beflügeln scheint, machen wir uns zu sechst auf den Weg in die Altstadt – dank der praktischen Lage des Rygerfjord ist das zu Fuß in einer Viertelstunde zu schaffen. Kurze Sightseeing-Tour vorbei am Königspalast, dann in die Fußgängerzone der Altstadt mit den beiden wichtigsten Straßen Stora Nygatan und Västerlanggatan. Eins der Highlights (auch für uns Männer) ist der Besuch des Science Fiction Bokhandeln: ein geniales Geschäft und wahres Paradies für alle Fans von SF, Fantasy und ähnlichen Richtungen. Wir verlassen den Shop nicht ohne ein Handtuch mit „Don’t Panic“-Aufdruck, und Hannes ersteht eine Darth Vader-Wackelfigur…

Gegen 15:00 sind wir zurück im Rygerfjord-Hotel und setzen uns mit einer frischen Flasche Åbro auf das oberste Deck in die Sonne. Angenehmste Temperaturen, Sonne, Blick auf Gamla Stan, ein kaltes Bier und die Vorfreude auf den abendlichen Gig – es könnte uns nicht besser gehen!

18:00, wir brechen auf. Das Equipment haben ROZENHILL freundlicherweise schon abgeholt (im Anhänger), noch mal alle Instrumente zu tragen wäre hart geworden. Die Metalboatler werden wir erst im Club treffen, im Nalen/Alcazar, eine Location die nach unseren Recherchen für einen perfekten Sound bekannt ist, und die ROZENHILL für ihren CD-Release überhaupt erst gewählt haben, weil der ursprünglich vorgesehene Club Tantogården einem Feuer zum Opfer gefallen war (O-Ton Pabbo: "Probably the owner needed to get the insurance money and set up the fire, pretty normal here in Sweden...").

Abend 2 – Freitag, 3. 4. 2009 – Stockholm

Nalen/Alcazar. Netter, mittelgroßer Club. Die Bühne ist nur 20 cm hoch und eher klein, aber die Location ist definitiv ein Ort, an dem man sich schon bei der Ankunft wohl fühlt. ROZENHILL machen gerade Soundcheck. Unsere Leute vom Metalboat treffen knapp nach uns ein, teilweise noch leicht angeheitert bis sturzbetrunken. Auch Bernhard scheint noch ziemlich gezeichnet, ist aber nach Cisls Intervention erfreulicherweise schon am Nachmittag von Bier zu Mineralwasser übergegangen. Was die beiden am Metalboat erlebt haben, könnt ihr (zumindest in Fragmenten) übrigens HIER nachlesen…

Beim Soundcheck trauen wir unseren Ohren nicht: bei keinem unserer (ca. 90) Gigs hatten wir einen annähernd so perfekten Sound – auf der Bühne wie über die PA. Mit einer Mischung aus Euphorie und Nervosität gehen wir mit ROZENHILL in eine nahe Pizzeria zum Abendessen.

21:40. Zurück im Club, schon einige Leute da. Die erste von drei Bands, STOCKHOLM MASSACRE, betritt die Bühne und legt los. Recht ordentlicher Death/Thrash, aber nichts was man nicht auch in Österreich von zahlreichen Bands hören würde, und auch nicht „schwedischer“ vom Sound her. Später sollen wir erfahren, dass die klassischen schwedischen (Melodic-)Death-Bands auf die Underground-Szene so gut wie keinen Einfluss haben, und auch eher als „Kommerz“ verschrien sind – soviel zum Propheten im eigenen Land...

Das Publikum reagiert bis auf wenige Ausnahmen verhalten. STOCKHOLM MASSACRE haben massive technische Probleme mit ihrem Equipment, schließlich schmeißt der Bassist frustriert seinen Viersaiter ins Publikum und die Band verlässt eine Viertelstunde zu früh die Bühne. Ich bekomme nicht viel mit davon, pendle wie vor unseren Auftritten üblich zwischen Backstage-Bereich und unseren Frauen und Fans hin und her.

Gregor kommt vom Rauchen vor der Tür zurück und erzählt uns von einem bemerkenswerten Erlebnis. Zwei Frauen Anfang dreißig haben ihn vor der Tür gefragt „Is his the first band?“ – „Yeah, why?“ – „Oh great, cause we’re here to see TRASHCANNED!“ Die weitere Unterhaltung ergab zu seinem Erstaunen, dass es sich um zwei Finninen handelte, die das Wochenende in Stockholm verbringen, sich im Internet um Veranstaltungstipps umgesehen haben, auf unsere MySpace-Seite gekommen sind, und spontan so begeistert waren, dass sie sich über den NoiseHeadRecords-Online-Shop gleich mit CD und T-Shirts eindeckt haben (kein Scherz!). Hätten wir noch weiterer Motivation bedurft, hier wäre der Auslöser gewesen.

Aber wir sind auch so schon bis in die Haarspitzen motiviert, gespannt, voller Vorfreude, verdammt heiß und (in positivem Sinn) ziemlich nervös. 22:30, stage time! Zum ersten Mal seit Monaten stehen wir wieder mit Christian auf der Bühne (Auslandssemester), zum zweiten Mal nach seiner neunmonatigen Zwangspause (nach seinem schweren Autounfall) wieder mit Hannes – wir sind wieder eine Band, und das spürt man. Und nicht zuletzt wird das hier der erste Gig in Schweden, unserem „gelobten Land“, in der Traumstadt Stockholm.

Wir legen los. Die ersten Takte von unserm Opener „Ten Days Remain“ erklingen, ich stehe wie immer bis zum „Einsatz-Schrei“ mit dem Rücken zum Publikum. Ich höre Jubel und Schreie, denke mir „geile Lichtshow“ und (erleichtert) „der perfekte Sound von vorher“, und dann geht’s los. Schon bei den ersten Tönen und Bewegungen spüre ich, dass das ein verdammt guter Auftritt werden wird. Man merkt mit förmlich, dass jeder von uns sechs unglaublich motiviert, entschlossen und in Topform ist.



Es wird einer unser allerbesten Gigs, vielleicht sogar der beste seit unserm Sieg beim „Metal For Fairness“ Contest 2007. Dank unserer österreichischen Fans, die sich von der ersten Nummer an voll mitgehen, reißen wir bald sogar das reservierte schwedische Publikum mit, insgesamt an die hundert Leute – könnten mehr sein, aber der Club wirkt halbwegs voll. Meine erste Ansage in schwedischer Sprache sorgt anfangs für besorgtes Schweigen, die zweite dann schon für Jubeln und Lachen. Wir spielen eine mitreißende Show, mit vollstem Einsatz, und beim letzten Song „Memento“ entsteht sogar ein MoshPit. Nach einer viel zu kurzen aber unbeschreiblich geilen halben Stunde ist das Set vorbei. Wir sind geschafft, aber verdammt glücklich – das war besser als alles was wir uns erwartet hätten.



ROZENHILL spielen nach uns, erst ihr vierter (!) Live-Auftritt (in Schweden ist es wesentlich schwerer an Underground-Gigs zu kommen), aber auch sehr gut, wir bangen fröhlich mit und sind begeistert. Sehr coole Songs und gute Liveperformance.

Nach der Show verladen wir wieder alles in den Anhänger, und eine sehr große Partie (ca. 40 Leute) versammelt sich vor dem Club, der bald schließt. Die mitgebrachten Biervorräte schmelzen innerhalb kürzester Zeit dahin. Ich verkaufe nebenbei ein T-Shirt und eine CD an einen sympathischen Schweden namens Micke, und gebe ihm eine Promo-CD für einen Freund mit, der fürs Close-Up schreibt, das wichtigste schwedische Metalmagazin. Micke kennt Bernhard und Cisl flüchtig vom Metalboat und lädt uns (TRASHCANNED plus Anhang) ein, noch bei ihm daheim zu feiern. Wir zögern, weil wir gern noch mit ROZENHILL Party machen würden. Bis sich der ganze Tross von ca. 40, teilweise schon leicht schwankenden, und sich in einem Sprachengewirr aus Schwedisch, Englisch und Deutsch verständigenden Metallern geeinigt hat und in Bewegung setzt, ist eine knappe Stunde vergangen – mittlerweile ist es 2 Uhr früh!

Bald bewegen wir uns auf die nächstgelegene Bar zu, kommen aber wieder nicht rein (die Bar sperrt bald zu und möchte keine so große Gruppe mehr einlassen). Wieder Ratlosigkeit und Diskussionen. Um den bis dahin so genialen Abend nicht in Diskussionen auf der Straße ausklingen zu lassen, folge ich mit Bernhard, Cisl, Gregor, Melley, Katl, Glutzi und Joe dem jetzt wieder die Führung (zur nächsten Bar) übernehmenden Micke. Der Rest von uns (Österreichern) nimmt ein Taxi ins Hotel. Wir landen vor der Bar am Ende einer Schlange, stellen uns an. In Schweden wird nicht nur der Einlass kontrolliert, die Türsteher nehmen auch eine Art Gesichtskontrolle vor und achten darauf, dass nicht zu viele Leute gleichzeitig im Lokal sind. Als Micke endlich vorne ist, um mit dem Security zu sprechen, stößt der zweite Teil der Gruppe mit den ROZENHILL-Musikern wieder zu uns. Aber auch in diese Bar werden wir nicht eingelassen, und wir beschließen, Mickes Einladung zu folgen und rufen uns Taxis.


Nach einigen Irrwegen bewirtet uns Micke in seiner Wohnung

Acht fröhliche österreichische Metalheads und ein freundlicher schwedischer Gastgeber warten auf Taxis. Nun sind neun Personen aber gerade eine ungünstige Zahl, um sich auf zwei Taxis aufzuteilen. Bernhard, Cisl, Melley und ich teilen uns eines – Micke nennt unserem Fahrer den Weg und beschreibt die Adresse, dann dem Fahrer des zweiten Taxis, und steigt selbst ins Dritte.

Unser schwedischer Taxler, ein freundlicher Mann Ende 30 mit Migrationshintergrund, spricht interessanterweise kein Wort englisch (geschweige denn deutsch), und offensichtlich auch nur unwesentlich besser schwedisch als wir. Zum Glück hat er ein Navi dabei. Trotzdem beginnen wir uns langsam zu wundern, als wir rechts und links der Straße immer größere Industrie- und Bürogebäude sehen und offensichtlich auf den Industriehafen zuhalten. Unser Taxler redet mittlerweile in irgendeiner merkwürdigen Sprache auf uns ein, und macht uns schließlich mehr mit Händen und Füßen begreiflich, dass er die Adresse zu der er uns bringen soll, vergessen hat (!). Wir wollen Micke anrufen – dummerweise hat aber nur Micke Cisls Nummer, und nicht umgekehrt…

Wir steigen also irgendwo, in einem zu dieser Nachtzeit komplett unbelebten Viertel, aus dem Taxi aus. Zum Glück erreichen wir Gregor, der (wieder zum Glück) mit Micke im Taxi sitzt. Micke schickt mir darauf hin ein SMS mit seiner Adresse. Nach mehreren missglückten Anhalteversuchen hat schließlich ein Taxifahrer ein Einsehen mit uns, bleibt stehen und bringt uns zur genannten Adresse. Micke ist die Sache sichtlich unangenehm, und er übernimmt die Kosten fürs zweite Taxi.

Gemeinsam (wieder zu neunt) geht’s jetzt in Mickes Wohnung. Vierter Stock, kein Lift. Und dann stehen wir in einer wunderschönen, großen, top ausgestatteten und mit diversen Musikinstrumenten (von Gitarren bis zu einem elektronischen Schlagzeug) und Equipment (vom diversen Amps bis zum Home-Studio) befüllten Altbauwohnung mit Balkon in dieser sicher nicht ganz billigen Gegend.

Micke erzählt uns auf unsere nahe liegende Frage nach seinem Job, dass er sein Geld mit dem Übersetzen und Testen von Computerspielen verdient – sicher für jeden zweiten Mann der Traumjob! Am nächsten Morgen muss er beruflich nach Finnland, Mitte April nach Spanien. Wieso für eine Englisch-Schwedisch-Übersetzung eines Games ein längerer Spanien-Aufenthalt nötig ist, wäre freilich eine nicht unberechtigte Frage, aber Micke ist ein so netter, sympathischer Typ dass man sich einfach nur für ihn freut. Und er ist auch überaus gastfreundlich. Wir nehmen alle am Boden im geräumigen Wohnzimmer Platz, und Micke holt Drinks. 20 bis 30 Dosen Bier, eine sicher zweistellige Anzahl an Schnapsflaschen und ein bissel was zum Mischen. Ich trinke zwei Bier, dann eine abenteuerliche Kombination aus Erdbeersmoothie und Absolut (Vodka) Mango, eins zu eins gemischt, aber mit wirklich wunderbar mildem und fruchtigem Aroma.

Wir beschließen, dass es Zeit für ein Gruppenfoto ist. Micke geht zu seinem Vorzimmerkasten, und kommt kurz darauf wieder – mit schätzungsweise 15 verschiedenen Gasmasken im Arm! Wir packen es überhaupt nicht, v.a. weil die absoluten Anfänge von TRASHCANNED ja eng mit Gasmasken verbunden waren… ;-) Micke erklärt uns, dass er seit Jahren Gasmasken sammelt, und man interessanterweise in verschiedenen Ländern immer nur jeweils ausländische Masken erhält (er hat eine finnische Gasmaske in Spanien erworben, eine deutsch in Belgien usw.). Wir positionieren uns fürs Gruppenfoto, sieben bis acht Fotoapparate werden Micke hingehalten, er macht mit jedem ein paar Fotos, bis ihm unserer aus der Hand fällt. Das Objektiv ist verbogen, die Digicam kaputt. Was soll’s, dieser Abend ist uns das wert!

Später – als alles andere ausgetrunken ist – gehen wir dann zu Erdbeerlikör über (Minttu, den 50%igen Pfefferminzlikör aus Finnland, erspare ich mir). Der schlafende Glutzi wird ein Opfer des klassischen Wer abkackt wird angemalt, aus unerfindlichen Gründen (*räusper* Cisl *räusper*) haben wir alle bald einen roten Punkt auf der Nasenspitze, und als Draufgabe bringen wir Micke und einem mittlerweile eingetroffenen Freund von ihm (der am selben Abend von einem zweijährigen USA-Aufenthalt zurückgekehrt ist und direkt vom Flughafen zu ihm gekommen ist), österreichische Trinkspiele wie das gute alte „Eine Ente…“ bei.

Ein unglaubliche lustige Partynacht geht gegen sechs Uhr früh zu Ende, als Micke (dessen Flug nach Finnland etwa vier Stunden später geht) kaum mehr aufrecht sitzen kann, und Glutzi (dessen Flug zurück nach Bratislava etwa vier Stunden später geht, allerdings von einem anderen Flughafen) nach seinem zwei Stunden andauernden, wachkoma-ähnlichen Zustand sich wieder zu bewegen beginnt. Die Vögel singen, und es dämmert bereits, als wir Mickes Haus verlassen. Mehr durch Zufall finden wir in unmittelbarer Nähe eine U-Bahn-Station. Um halb 7 erreichen wir das Hotel, um 9 stehe ich wieder auf (Frühstück schon am Vorabend bestellt), und lege mich dann noch mal bis Mittag hin.

Abend 3 – Samstag, 4. 4. 2009 – Märsta

Am Nachmittag teilt sich die Gruppe: wir schauen noch einmal nach Gamla Stan, einige Leute gehen mit Ulf und ein paar Schweden brunchen, und wieder andere kümmern sich im system bolaget um die abendliche Alkoholversorgung. Am späten Nachmittag soll’s dann nach Märsta gehen. Dreiviertel fünf haben wir ausgemacht, aber so ein Dutzend Metaller ist schwerer zu hüten als ein Sack Flöhe, und als endlich jeder einzelne alles Notwendige aus dem Zimmer geholt hat, und jeder noch mal brav am Klo war, ist es halb sechs vorbei.

Zu allem Überfluss verirren wir uns noch am Bahnhof T-Centralen (immer noch der unübersichtlichste Bahnhof der Welt). Schnee und ich gehen zeitgleich zu Informationsschaltern (zwei verschiedenen) und bekommen prompt zwei vollkommen unterschiedliche Auskünfte über den Weg. Melley, Betty, Hannes und ich haben schon die Karten abstempeln lassen, und die Sperre durchschritten. Nachdem wir uns eine Zeit lang über eine Menschenmenge hinweg angeschrieen haben, gehen wir vier unseren Weg, die anderen folgen ihren Anweisungen. Wir treffen zuerst am Bahnsteig ein (ha-ha!), die andern folgen einige Minuten später und schaffen es gerade noch rechtzeitig zum einfahrenden Zug. Um unserer Uneinigkeit noch einmal Ausdruck zu verleihen, steigen wir in unterschiedliche Waggons. Eine dreiviertel Stunde später, am Bahnhof Märsta, sind wir aber alle wieder ein Herz und eine Seele.

ROZENHILL holen uns ab, und es sind nur ein paar Meter vom Bahnhof bis zur Location des Abends, Klubb Garage. Eine winzige Bühne, sonst eine nette Bar. Eine Stiege hinunter in den Backstage-Raum, der mit Schachteln, Tischen usw. sehr voll, aber dank diverser Ledersofas recht gemütlich eingerichtet ist. Doch dann der Schock: aufgrund der strengen schwedischen Sicherheitsbestimmungen ist es nicht erlaubt, in diesem Raum Alkohol zu trinken – weil er keinen gekennzeichneten Notausgang hat! Wir halten uns (großteils) daran; wenn der schwedische Clubbesitzer wegen einer österreichischen Metalband zehntausende Kronen Strafe zahlen müsste oder seine Lizenz verlieren würde, wäre uns das doch etwas unangenehm... Der Soundcheck ist scheiße, es ist zu eng, wir sind müde und schlecht gelaunt, der Sound um Klassen schlechter als am Vortag, und der Tontechniker dilettantisch und rechthaberisch. Zum Glück geht’s bald zum Essen in die nahe gelegene… Pizzeria!

ROZENHILL haben uns mehrere Packerl mit Essensgutscheinen in die Hand gedrückt, es geht sich aus, dass wir nicht nur unsere Frauen, sondern auch unsere Fans einladen, und den Schweden sogar noch einige Gutscheine zurückgeben. Das Essen ist ausgezeichnet, und wir unterhalten uns wieder nett mit den Burschen aus Märsta, aber wir alle fühlen uns zunehmend müde, krank, einfach kaputt. Wir schleppen uns wieder in den Backstageraum. Cisl geht mit den Worten „Weckt’s mich zehn Minuten vorm Gig wieder auf“ auf ein Sofa, ich fühle mich schwach und fiebrig, und auch den anderen geht’s kaum besser. Ich vermisse jegliche (positive) Anspannung oder Nervosität, es ist mir alles egal, ich will nur mehr schlafen.

Gegen 22:00 schleppen wir uns irgendwie auf die Bühne, müde, schwach und demotiviert… Zumindest bis zu den ersten Klängen von „Ten Days Remain“. Dann sind wir wie verwandelt, alle Müdigkeit ist wie weggeblasen, und wir spielen wieder einen überdurchschnittlichen, eigentlich großartigen Gig. Es sind noch etwas mehr Leute da als am Vortag, und mit Fortdauer der Show werden sie auch noch enthusiastischer als das Stockholmer Publikum. Allen voran bangen und schreien sich natürlich wieder unsere österreichischen Fans die Seele aus dem Leib. Um auch die Schweden noch ein bisschen anzuheizen bedanke ich mich bei den Mitgereisten und fordere ein „Scream for me, Austria!“. Unglaublich, wie laut sieben Leute sein können. Doch beim anschließenden „Now scream for me, Sweden!“ werden sie um Längen geschlagen, und im ganzen Club herrscht ohrenbetäubender Lärm.

Die Show ist vorbei, und um uns drängen sich begeisterte Zuschauer. Unter Begeisterungsstürmen der gar nicht mehr zurückhaltenden, kühlen Schweden wie „Fuck, I’ve seen so many bands playing their underground shows here in this club, but then you guys come, and suddenly it’s like an international act rocks the stage!” oder “Why the hell do you play here in Märsta? You should be touring all the great festivals!” verkaufen wir wieder mehrere CDs. Aber bald schlägt die Müdigkeit wieder zu, und ich begleite die mittlerweile wirklich kranke Melley und Betty noch während des ROZENHILL-Gigs zurück ins Hotel (so kommen wir „schon“ um zwei Uhr früh ins Bett), der Rest der Band schaut sich die restliche Show an und zieht dann mit den Schweden (und zahlreichen Fans) weiter in deren Proberaum, der nur ein paar hundert Meter entfernt liegt.

Sonntag, 5. 4. 2009
(Heimreise)

Treffpunkt halb 10. Natürlich niemand fertig, Katl kommt nach einer durchzechten Nacht gerade erst ins Hotel zurück. Dafür hat überraschenderweise Mikko das von Christian frei gewordene Bett im Schlafsaal übernommen – warum weiß er selbst nicht mehr. Draußen regnet’s, und wir lassen uns – eh schon zu spät dran – an der Rezeption ein Taxi rufen. Dann kommt auch der Rest der Gruppe drauf, dass sie ein Taxi wollen, es ist aber keines mehr verfügbar. Der Fahrer des Neuner-Busses lässt uns am Bahnhof aussteigen, und wir springen in den commuter train nach Märsta, Teil zwei unserer Gruppe muss den nächsten Zug nehmen.

In Märsta zum Glück kein Regen mehr, Melley und Betty bewachen das Gepäck, wir anderen wandern zum Proberaum, wo meine klugen Bandmitglieder die Instrumente am Vorabend untergebracht haben, um sie nicht in der Nacht zurück nach Stockholm und jetzt wieder zurück nach Märsta zu schleppen. Wir verabschieden uns von Pabbo, und sind genau zeitgleich mit den Nachzüglern, die den späteren Zug nehmen mussten, wieder am Bahnhof.

Kaffee und Muffins putschen uns wieder ein bisschen auf, dann geht’s mit dem Bus zum Flughafen, wo wir gemäß meiner Berechnung tatsächlich ganz pünktlich um 12:00 eintreffen. Unser Rückflug geht um 13:35. Nur – unser Flug ist nicht auf der Anzeigetafel angekündigt! Ich mache mich auf den (mehrere hundert Meter weiten) Weg zur nächsten Information, und erhalte dieselbe Information, die meine Leute parallel auch selbst herausfinden: unser Flug geht von Terminal 2, wir befinden uns aber auf Terminal 5. Noch mal fünfzehn Minuten Eilmarsch mit Gepäck und Instrumenten. Zum Glück gibt’s Kofferkulis. Schließlich geht sich aber alles locker aus, der Flug verläuft ruhig, was einerseits am Wetter, als auch daran liegt, dass wir alle komplett erschöpft sind.

Wieder zurück in Wien-Schwechat, wunderbar warmes Wetter: 23 Grad am Abend entschädigen dafür dass der Alltag uns wieder hat. Wir wollen nur noch heim, nur für die bedauernswerte Cisl beginnt um halb sieben ein Nachtdienst. Ein schnelles Abschiedsfoto. Zum Glück alles Gepäck angekommen. Nachdem ich als einziger mit dem Auto beim Flughafen bin, kommen sämtliche Instrumente wieder in meinen Kia Cerato. Hannes und Gregor begleiten Melley und mich und helfen tragen. Wir verladen alles, ich starte, und – nichts. Ein merkwürdiges klackerndes Geräusch, flackernde Lampen, kein Starten. Batterie leer.

Ich rufe den ÖAMTC, während Melley und Hannes sich auf den Weg zu einem mysteriösen Informationsschalter machen, der auf der Rückseite der Parkkarte erwähnt wird. Mit der bereits bezahlten Parkkarte hat man nämlich nur 15 Minuten Zeit die Garage zu verlassen, und die sind schon abgelaufen. Besagter Info-Schalter soll in P4 (Parkhaus 4) sein, wir stehen im P3 (Parkhaus 3) – genau am anderen Ende des Flughafens. Nach einer Odyssee die sie mehrmals über den gesamten Flughafen geführt hat und eine gute Stunde dauert, ist Melley schließlich zurück, ich habe mit wieder aufgeladener Batterie und laufendem Motor gewartet und inzwischen die letzten Tage Revue passieren lassen: ein unvergessliches Wochenende für uns alle, zwei geniale Konzerte, viele unglaublich nette Menschen kennengelernt – mit Micke, ROZENHILL und allen voran unseren Mitreisenden Reisi, Hanni, Joe, Schnee und Glutzi haben wir wirklich gute neue Freunde gewonnen! Aber jetzt geht’s wirklich nach Hause – endlich Guitar Hero für die Wii ausprobieren dass ich zum Geburtstag bekommen habe. Eine würdige Fortsetzung der gerade überstandenen Tour-Episode…


Danke an Tim (Trashcanned) für diesen wirklich bombastischen Bericht, wer noch mehr Fotos sehen will, der checke bitte die MySpace Site von TRASHCANNED an, dort gibt es noch tonnenweise Erlebnisse zu bestaunen!!


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