SERENITY Foto-Session-Report

Text: Reini
Veröffentlicht am 01.02.2007

Freitag:
Was erwartet man sich eigentlich von einem bekannten Fotografen, der mit einigen Szenegrößen zusammenarbeitet (Nightwish, Sonata Arctica, Sentenced, Poisonblack, ...) hinsichtlich Persönlichkeit und Arbeitsweise? Wahrscheinlich einen etwas abgehobenen, älteren Künstlertypen, in Anbetracht seiner finnischen Nationalität dem Klischee entsprechend sicherlich schweigsam, einen Profi, der einem knallhart sagt was Sache ist. Wenn die Erwartungen solcher Art sind, dann erfüllt sie einer garantiert nicht: jener rundliche Reisende mit schulterlangen Haaren, bepackt mit zwei großen Taschen und gekleidet in eine Timo-Rautiainen-Jacke, der mir am Münchener Flughafen inmitten von Businesstypen aus aller Herren Länder mit einem freundlichen 'Hi, I'm Toni!' die Hand zum Gruß entgegenstreckt. Auf dem kurzen Weg zum Auto frage ich ganz vorsichtig, ob er hoffentlich eh kein Vegetarier ist, denn meine Mutter tischt zu Mittag ob des besonderen Gastes Wiener Schnitzel auf. Doch er winkt gleich ab: 'Don't worry, I'm a MEATeterian!' - Glück gehabt!

Zum Essen wird dann gleich das erste österreichische Bier verkostet (Zipfer), welches gehörig Eindruck macht. Beim Einchecken im Hotel setzen wir das Treffen mit der gesamten Bande für 14 Uhr fest, damit der hohe Gast noch etwas Zeit zum akklimatisieren hat. Um halb drei wird schließlich in gemütlicher Runde in der rustikalen Atmosphäre des Hotels (inklusive Schießscheiben und Rehbockschädeln) das nächste Bier (diesmal Kaiser) getrunken und die Planung für das Wochenende sowie einige stilistische Grundsätzlichkeiten (kein Blut, keine Drachen, keine Schwerter – worüber besonders Drummer Andi froh ist) besprochen.

Da wir zu einem Großteil Außenaufnahmen geplant haben, stört es uns nicht im geringsten, daß der Frühling heuer im Jänner stattfindet – im Gegenteil! Trotzdem frösteln dann gewisse harte Schwermetallmusiker im Hemd beim ersten Shooting neben der Brandenberger Ache. Toni nimmt gleich eines vorweg - 'Don't say „make us look good!“ I'm a photographer, not a magician!' - und zeigt sich alsbald als Profi mit einer gehörigen Portion Lockerheit. Der Park von Schloß Matzen wird in der Folge noch hinsichtlich geeigneter Hintergründe für den nächsten 'Arbeitstag' begutachtet, mehr geht sich nicht mehr aus, da heute noch ein Gig im Innsbrucker pmk ansteht, organisiert von Darkwell-Bassist und Abyss-Bar-Capo Roland Wurzer. Mr. Härkönen ist natürlich mit von der Partie und nachdem wir das pmk beim zweitenmal Vorbeifahren gefunden und unser Zeug deponiert haben, nutzen wir die Gelegenheit und schauen uns kurz die Innsbrucker Altstadt (natürlich auch das 'golden roof') an. Auf die Frage, ob auch in Finnland ein ähnlicher historischer Gebäudestil zu finden ist, bekommen wir ein trockenes 'I think in those times finnish people still used to live on the trees ...' serviert. Wir glauben es ihm nicht. Die Stiegl-Halbe zur Pizza mundet prächtig, das pmk ist gut gefüllt, die Stimmung gut, unser Konzert läuft sehr zufriedenstellend und Toni ist sehr angetan: uns live zu sehen war ihm sehr wichtig in Hinblick auf die Stimmung, die er später mit seinen Bildern einfangen will. Beim Hotel angekommen, stellt Toni fest, daß er sich besser nicht auf einen Nachtportier verlassen hätte sollen, den es nicht gibt. So wird halt circa zehn Minuten lang der Chef persönlich herausgeklopft- und -geläutet, der dem Nordländer schließlich schlaftrunken und in Boxershorts Einlaß gewährt ...

Samstag
10 Uhr. Seen, Parks und Schlösser stehen heute als Locations auf dem Programm. Schauplatz Reintaler See: Mr. Härkönen nutzt den strahlenden Sonnenschein als Effekt und dirigiert uns zwischen Bäume, über Wurzeln und modriges Blattwerk, ständig rudert irgendwer mit den Armen um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. 'I won't remember your names, I'll just say „YOU! Go there! Move here! Come closer!“' - so werden Bandfotos 'komponiert'.

Nach jedem Blitz sollen wir unsere Haltung etwas verändern und nach dem ganzen Arme verschränkt/Hand hinter dem Kopf/Hände in den Taschen/Daumen eingehakt/Gesicht nach links/Gesicht nach rechts/Blick in die Kamera/Blick selbstvergessen irgendwohin gehen uns bald die Ideen aus. Doch Toni ist zufrieden, durch die Linse seiner 16-Megapixel-Kamera muß es demnach recht ordentlich ausschauen. Spaziergänger beobachten die Szenerie und halten respektvoll Abstand, einer davon erkundigt sich, ob wir vom ORF sind ...

Bei der anschließenden Mittagspause gibt es eine rege Unterhaltung, bei der von Toni so manche Anekdote aus seiner Laufbahn zum Besten gegeben wird – wer kennt zum Beispiel nicht die schrägen Sentenced-Fotos der 'coffin-session'? Aber selbst er kann die Frage nach der neuen Nightwish-Sängerin nicht beantworten, er wäre zwar mit Tuomas und Marco unlängst auf ein Bier gewesen, die beiden haben ihm jedoch nichts verraten. Dafür erfahren wir von seiner eigenen Band, T55 (benannt nach einem russischen Panzer – 'It is like us: it is loud, ugly and thirsty!!'), in der er Gitarrist ist. Gesungen wird auf finnisch und '... it just rocks, it's music for men! No girlie shit.' Welches auch auf seine favorisierten Bands zutrifft, zu denen zB Clutch, Fu Manchu, Spiritual Beggars, Motörhead, Kyuss aber auch The Wildhearts, Tom Waits und die Sex Pistols zählen. Später entpuppt Toni sich noch als Hobby-Astronom und Fan von Stephen King's 'Der dunkle Turm' sowie großer Verehrer von Dan Simmons (SF-Autor aus den USA) – was ihn nur noch sympathischer macht.

Bei den Shootings am Nachmittag beweist sich erneut seine Professionalität: er analysiert eine nie zuvor gesehene Location in Minuten, baut seine Blitzanlage auf, gibt uns Positionierungsanweisungen und 'schießt' was die Kiste hält. Was aus unserer Sicht zuerst noch recht unspektakulär wirkt, verblüfft uns vollends bereits als unbearbeitetes Foto auf Toni's Laptop. Und endlich dürfen wir dann so richtig evil posen! Vor einem massiven Steingeländer im Schloßpark Matzen fordert uns der Skandinavier auf, die Fäuste Richtung Objektiv zu recken, Kampfschreie anzudeuten bzw. auszustoßen und quasi eine 'World, we're coming!!!'-Attitüde an den Tag zu legen. Uns macht das Spaß, die vereinzelten Passanten wundern sich höchstens ... Nachdem noch die untergehende Sonne für weitere Fotos genutzt wird, ist es auch schon Zeit aufzubrechen, denn für den Abend steht ein Besuch der 'Ritterkuchl' in Hall auf dem Plan, um unserem Gast etwas Besonderes zu bieten.

Das Essen ist üppig und schmackhaft, das Bier süffig und die Stimmung prächtig! Wir zerkugeln uns über Szenen aus Monty-Python-Filmen, prosten uns auf deutsch und finnisch (kippis!) zu und Toni macht keinen Hehl aus seiner Abscheu gegenüber österreichischen Mix-Getränken – Spezi zu trinken ist für ihn unverständlich und 'Radler is waste of beer!!' Nachdem er die Kellnerin mit einem herzhaften 'Bitte ein Doppelzimmer mit Dusche! überrascht stimmt er noch die Hymne seiner Heimat an, da dürfen wir nicht zurückstehen: 'Zu Mantua in Banden der treue Hofer war ...' ertönt es noch recht tonsicher in den alten Gemäuern. Mit einem Besuch im Innsbrucker 'Abyss' lassen wir den Abend bei einem Wieselburger ausklingen, und fast trauen wir uns nicht, den sichtlich gut gelaunten, headbangenden Toni zum Heimgehen zu drängen ('Are you finished?' - 'Yes, I am finnish!'), doch er sagt selbst ganz richtig: 'You should stop when it's great, because from that point on it only gets worse!'

Sonntag
Erneut haben wir für 10 Uhr ausgemacht. Zu früh für Mr. H.? 'I feel a little sick today. I think it's the jetlag!' Hm ... nach zwei Tagen bei einer Stunde Zeitunterschied? 'Then it must be the thin air. I'm not used to it.' In einer Seehöhe von circa 520 Metern? Naja ... jedenfalls machen wir uns nun auf den Weg nach Kufstein, wo noch Innenaufnahmen anstehen. Georg hat zu diesem Zweck den Schlüssel für die Schule in der er unterrichtet organisiert. Deren Musiksaal im zweiten Stock bietet eine tolle Kulisse für Bandfotos (dunkles Holz, gelbe Bleiglasfenster) und vor einer weißen Leinwand machen wir noch unzählige (teilweise arg 'geposte') Einzelporträts. Toni möchte, daß wir dazu eine Scheibe auflegen, die wir gerne hören – wir entscheiden uns für die geniale 'V' von Symphony X. Und während Michael Romeo fidelt, gibt uns der Finne per Photoshop einen Vorgeschmack auf die Dinge die da kommen sollen. Und trifft nach einem Zeitaufwand von kaum fünf Minuten so dermaßen ins Schwarze hinsichtlich unseres Geschmacks, daß uns die Worte fehlen (und das kommt selten vor!).

Bei einem Mittagessen beim obligaten goldenen M wird dann über die vergangenen zweieinhalb Tage resümiert, jede Seite ist vollauf zufrieden mit dem Erreichten und es wird Zeit zum Abschied nehmen. Andi, Thomas und Simon treten ihrerseits die Heimfahrt an, Georg und ich bringen Toni noch zum Flughafen. Dieser entdeckt den dortigen Beate-Uhse-Shop und sucht sogleich nach einigen Mitbringseln für den T55-Proberaum ... dabei wollen wir ihn nicht weiter stören, bedanken uns nochmals herzlich und verabschieden uns in der Gewißheit, daß der Meisterfotograf Toni Härkönen aus Helsinki seinen kurzen Aufenthalt in Tirol ohne Frage genossen hat: 'It was like holiday to me!'

All Pics byToni Härkönen


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