03.08.2017, Wacken Festival Area, Wacken
Wacken 2017 - Death-Donnerstag
Auch wenn auf Festivals vieles ganz anders läuft als im alltäglichen Leben, so bleibt doch eines gleich: Auf Mittwoch folgt Donnerstag. In meinem Fall Donnerstagnachmittag, da mich die gewaltige Gewaltigkeit von ANALEPSY durch Zeit und Raum geboxt hat – einige Stunden in die Zukunft und unter meinen Pavillon. Zum Glück gibt es in dieser Zukunft Metal … und Bier* – es ist also alles in Ordnung!
Noch mehr in Ordnung wäre es, wenn nicht dieses hysterische Quieken von der Harder-Stage herüberwehen würde. So zwingt ROSS THE BOSS reichlich Prozente durch meine Speiseröhre. Mein Weg zur Bühne wird dann aber von einer ungeheuren Menschenmasse blockiert, die sich vor der Einlasskontrolle versammelt hat und sich so gut wie gar nicht vorwärtsbewegt.
(c) Th. Eisbrenner
Mehr als einen ganzen Auftritt später komme ich statt zum Death Metal von DAWN OF DISEASE zum Black Metal von IMPERIUM DEKADENZ ins große Zelt. Die funktionieren irgendwie nicht richtig. Das liegt weniger an ihrer kaum mitreißenden Monotonie als am nachmittäglichen Festival-Feeling. Nach einem heftigen Schauer scheint nun die Sonne und für trübsinnigen Weltschmerz-Menschenhass sind die meisten Festivalgäste einfach zu gut gelaunt. Doch im Vergleich zum von der Faster-Stage herüberwehenden „Final Countdown“ von EUROPE fühlt es sich bei IMPERIUM DEKADENZ wenigstens nicht nach Oldie-Charts im Mainstream-Radio an.
Eine weitere Alternative bietet sich im neuen Zelt nebenan, das den Namen „Welcome to the Jungle“ trägt. Neben Poetry Slam und Wrestling finden dort auch die Auftritte von HENRY ROLLINS statt. Der spricht über Menschlichkeit, Politik, Musik und vieles, vieles mehr. Jedem, der sehr schnell gesprochenes Englisch versteht, kann man diese übersprudelnde Quelle witziger Anekdoten und unbedingter Menschenliebe nur empfehlen. Der Mann ist sogar so gut, dass ich freiwillig den Anfang von ABORTED verpasse.
ABORTED fabrizieren einen so übertriebenen Death-Brüll-Knüppel-Kram, dass viele anderen Acts auf Wacken in die Kategorie Kuschelrock rutschen. Der unmenschliche Lärm hat das mittlerweile gut gefüllte Zelt fest im Griff. Faszinierend, wie so viel Aggression so viel Freude hervorrufen kann und wie präzise diese Gewaltorgie, wie irre das Gebrüll von Vocalist Sven De Caluwe ist. Wie beeindruckend diese Belgier sind, kann man auf der aktuellen Platte „RetroGore“ nachhören.
Beeindruckend ist auch WITCHERYs Frontmann Masse Broberg – beeindruckend gruselig! Und das, obwohl er sich gar nicht allzu sehr verkleidet hat. Seine Band spielt harten, schnellen Thrash, er singt mitunter black-artig. Die Kombi ist heftig, hält mich aber nicht in Bühnennähe.
Unterdessen rocken ACCEPT die Faster-Stage.
Auf dem Weg zurück über den Campground – mein Grill erwartet mich – wird mir von einem sympathischen Metalhead erklärt: „Hier sind drei Fakten über EUROPE: Erstens ist der Drummer der beste Musiker der Band. Zweitens wird der Gitarrist niemals ein besseres Solo spielen als in 'Final Countdown'. Und drittens kann man in den Moves des Sängers sehr gut die Glam-Rock-Vergangenheit der Band sehen!“
Bis Mitternacht dröhnt dann VOLBEAT über den Campingplatz. Ein redseliger Mann mit einem Dosenbier in der Hand bemerkt treffend: „VOLBEAT klingen gar nicht so schlecht, aber bei jedem zweiten Lied denkt man, man hätte es gerade eben schon gehört.“
Die vielen VOLBEAT-Fans können die Songs sicherlich besser auseinanderhalten.
Dieser Weisheit habe ich nichts hinzuzufügen und schlage mich von Camp zu Camp, von Bier zu Bier, von einem interessanten Gespräch zum anderen durch die Nacht. Denn das beste am Metal sind wohl immer noch die Metaller.
* Der Autor dieser Zeilen möchte darauf hinweisen, dass Bier nicht zu einer gesunden Ernährung gehört. Außerdem trinke ich viel lieber Sekt, aber bei der Erwähnung von Sekt werden Metaller halt einfach nicht so glücklich wie bei der Erwähnung von Bier.