11.04.2019, Tilburg,

Roadburn Festival 2019 - Tag 1 - HEILUNG + MYRKUR + MONO...

Text: Werner Nowak | Fotos: Werner Nowak
Veröffentlicht am 26.04.2019

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Roadburn 2019 Tag 1

Das Roadburn im kleinen niederländischen Tilburg, nahe Eindhofen, bildet nun bereits zum vierten Mal meinen Auftakt in die Festivalsaison.

Und wie jedes Jahr stellt sich die Qual der Wahl, welche Acts man im Timetable unterbringt. An bis zu sechs Locations kann man sich an den vier Tagen (eigentlich fünft, wenn man die Pre-Party “Ignition” mit 3 Bands am Mittwoch mitzählt) quasi zwölf Stundenlang die Ohren volldröhnen lassen. Und das mit Sounds der unterschiedlichsten Genres.

Wohl dominiert das Gitarrengeschreddere, aber ist ist auch immer wieder Platz für Elektronisches, Folkiges und mehr.

Mein erster Tag beginnt mit MYRKUR und ihrem Folkesange-Set, bei dem sowohl traditionellen nordischen Volksweisen als auch Eigenkompositionen präsentiert werden. Unterstützt wird die dänische Multiinstrumentalistin dabei wie vor ein paar Monaten in Wien von der Cellistin JO QUAIL (die noch ein paar weitere Einsätze auf dem Festival absolvieren wird). Zusätzlich mit auf der Bühne sind auch noch Christopher Juul (HEILUNG) sowie zwei Chorsängerinnen. Zu Beginn sitzt Amalie Bruun am Flügel, greift später aber auch zur Akustikgitarre oder zur Bodhrán. Alles in allem eine sehr persönliche und atmosphärische Darbietung!

Deutlich gitarriger wurde es beim nächsten Programmpunkt auf der Main-Stage: Unter dem Namen MOLASSES gaben ehemalige Mitgliedern von THE DEVIL’S BLOOD (Farida Lemouchi, Oeds Beydals, Job van de Zande, and Ron van Herpen) sowie Marcel van de Vondervoort (ASTROSONIQ), Bob Hogenelst (BIRTH OF JOY) und Matthijs Stronks (DONNERWETTER) ihr Livedebüt mit einem für das Roadburn kommissionierten Set. Faridas kräftige Stimme thronte über den schneidenden Gitarren und der doomige 70s-Sound rockte ordentlich die Halle. Damit tritt die Band ein würdiges Erbe von THE DEVIL'S BLOOD an. Man darf auf mehr hoffen!

Im Anschluss war dann mal ein Ortswechsel angesagt. Nach ein paar Minuten Fußweg gelangt man in die Koepelhal, die zweitgrößte Location des Festivals. Hier zeigten sich die diesjährigen “Artists in Residence”, die amerikanischen Sludge-Metaller THOU, von ihrer leiseren Seite. Bei ihrem ersten von vier (!) Auftritten stand ein Akustik-Set am Programm.

Mich persönlich konnte das Set nicht so richtig fesseln und daher ging es nach ein paar Songs wieder zurück in die Haupthalle zu HEXVESSEL. Die finnische Band um Sänger Mat McNerney spielt das im Februar erschienene Album “All Tree” in voller Länge. Und unter “Forest Folk” könnte man dann auch das musikalisch Dargebotene schubladisieren. Mit Hut und großen Gesten trug der Frontman seine Texte dem Publikum vor und das Konzert hat mir auf jeden Fall Lust auf das Album gemacht!

Auffällig viele Künstlerinnen waren dieses Jahr im Lineup vertreten, das ist eine sehr begrüßenswerte Entwicklung! Eine weitere Powerfrau stand daher auch als nächstes auf meinem Zeitplan: EMMA RUTH RUNDLE aus Los Angeles. Vergleiche mit CHELSEA WOLFE drängen sich auf, wobei die Songs rockiger und minimalistischer daherkommen. Mit auffälliger Wuschelfrisur, flankiert von ihren Bandkollegen, präsentierte die Sängerin Songs der beiden letzten Alben “Marked for Death” und “On Dark Horses” dem begeisterten Publikum.

Ein krasser Gegensatz dann dazu HEILUNG! Das war ein optisches Spektakel sondergleichen, sei es die aufwändig gestaltete Kleidung der Künstler oder die Instrumente und sonstigen Klangerzeuger. Aber auch musikalisch war das alles, nur kein Einheitsbrei. So stehen der Sprechgesang von Uwe Faust und die Growls von Christopher Juul im krassen Gegensatz zur Heavenly-Voice von Maria Franz. Dazu gibt’s reichlich Trommeln und Percussion. In Kombination mit den Stimmen oftmals in rituellen, mantra-artigen Soundstrukturen. Bei manchen Songs marschiert dann sogar eine kleine Kriegerschar, ausgerüstet mit Speeren und Schilder auf die Bühne. Es wurde hier wohl auch eine Geschichte erzählt, die hat sich mir aber nicht so ganz erschlossen. Auf jeden Fall wurde gegen Ende hin noch eine Kriegerin hingerichtet oder geopfert und die Krieger haben sind dann nach einem Tänzchen auf der Bühne auch noch Richtung Publikum aufgemacht.

Meinen ersten Live-Termin im Het Patronaat, der ehemaligen Kapelle, hatte ich bei TWIN TEMPLE. Da ging es dann aber alles andere als heilig zu, denn die Truppe hat sich dem “satanic doo-wop” verschrieben. Dieser Musikstil entstand in den 1950er-Jahren, Die Songs basieren größtenteils auf der Harmonik und dem Schema der Rock-’n’-Roll- bzw. Rhythm-and-Blues-Balladen und in den Lyrics werden häufig Nonsens-Silben wie z. B. Diddle-De-Dum, Du-Wah oder eben Doo-Wop. Damals aber natürlich ohne den teuflischen Anstrich. Und so schräg sich das ganze schon im Vorfeld anhört, war es dann auch! Das Outfit der Musiker hat das Satan-Thema dann auch nochmal passend unterstützt, ebenso wie ein Initiierungs-Ritual mit einem Freiwilligen aus dem Publikum. Wirklich toll, dass beim Roadburn auch für derart exotische Acts Platz ist!

Wenn Post-Rock auf Streicher trifft, dann sind MONO & THE JO QUAIL QUARTETT am Werk! Der diesjährige Kurator Tomas Lindberg hat unter dem Titel “The Burning Darkness” einige persönliche Favoriten zum Roadburn eingeladen, darunter auch die Japan-Rocker. Und diese begehen auch gleich ein Doppeljubiläum, den 20-jährigen Band-Geburtstag und das 10-jährigen Jubiläum ihres Albums “Hymn to the Immortal Wind”, welches hier in ganzer Länge performt wurde. Ruhige, atmosphärische Parts wechseln sich mit heftigen Gitarrenattacken ab. Genau so stellt man sich eine schöne postrockige Session vor!

Reichlich Lärm gab es dann noch bei meinem letzten Programmpunkt, dem Noise Industrial-Projekt PHARMAKON ab. Die Solokünstlerin Margaret Chardiet aus New York hat auch zu später Stunde noch für massives Ohrensausen gesorgt, an Reglern herumgeschraubt, auf Steinen herumgekratzt und natürlich auch wieder einen Ausflug in den rappelvollen Zuschauerbereich unternommen!

Ein grandioser und abwechslungsreicher erster Festival-Tag, und ich war mir nicht sicher, ob der noch zu toppen ist!

Mehr Fotos gibt's auf stills.eraserhead.at


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