MACHINE HEAD - das 'Catharsis' Gangbang-Review

Veröffentlicht am 22.01.2018

Launisch und unberechenbar

„Volatile“ heißt der erste Song von „Catharsis“ und stellt damit fest, was der Hörer nach über drei Jahren seit dem letzten Album von MACHINE HEAD aufgetischt bekommt. Ja, damit ist ordentlich Stuff zum Headbangen gemeint, denn den liefert „Volatile“. Damit ist auch vorpreschender Groove gemeint, denn auch den liefert „Volatile“. Auch gradlinige Lyrics und eine „Fuck the World“-Attitüde – alles in „Volatile“ und alles im Album. Aber vor allem ist es der Titel des Songs, der das Album beschreibt: „Volatile“, launisch, unberechenbar, sprunghaft, unbeständig.

Keine Adjektive, die ein gutes Album auszeichnen? Keine Adjektive, die ein Album verdammen müssen!

„Catharsis“ ist nahezu überbordend vielseitig, nimmt sich aber mit fast 75 Minuten auch die Zeit dafür – es nutzt den Platz. Dabei kommt kein in sich geschlossenes, präzise durchkonzeptioniertes Album heraus. Rund und angenehm und leicht zu lieben war „Bloodstone & Diamonds“ (2014). Den Gefallen tun MACHINE HEAD uns mit „Catharsis“ nicht schon wieder. Doch das ist vielleicht gar nicht so schlecht.

Von allem etwas ist zu viel

Die Entwicklung des Band-Klangs verlief wenigstens seit „The Blackening“ (2007) über „Unto the Locust“ (2011) bis „Bloodstone & Diamonds“ ziemlich flüssig und überragend gut. „Catharsis“ nimmt diesen Sound nun auf, versucht Neues, greift aber auch in alte Abschnitte von MACHINE HEAD zurück. Einiges ist weniger Thrash als man erwartet hätte, anderes mehr Nu, „Bastards“ begibt sich in hardcorige Folk-Punk-Gefilde und mit „Behind the Mask“ findet sogar etwas Balladeskes auf dem Tonträger Platz, bevor „Heavy Lies the Crown“ mit einem Fuß in etwas hineinstolpert, das arg wie eine Musical-Kiste aussieht.

Das ist sicherlich zu viel, um ein konstant gutes Album abzuliefern, zumal jede Abweichung Türen zur Kritik öffnet – sicher viele, die einfach nur auf subjektiven Befindlichkeiten und Vorlieben basieren, aber sicher auch angebrachte. Doch was wünscht sich der Hörer von einem Album nach einem sehr guten Album, das „Bloodstone & Diamonds“ unbestreitbar war?

Same, same, but different

„Mehr vom Gleichen!“, rufen da die einen und haben recht. Gerne mehr davon! Das wäre gut, aber bald langweilig – für den Hörer bestimmt, für die Band sicher. „Weiterentwicklung!“, hört man andere schreien, aber natürlich meinen sie eine Weiterentwicklung in eine bestimmte Richtung, in die Richtung, in die sie sich gerade selbst musikalisch entwickeln – falls sie sich noch entwickeln.

MACHINE HEAD tischen mehr vom Gleichen auf. Außerdem entwickeln sie sich weiter. Und zusätzlich blicken sie in alte Tage zurück. Das Album ist annähernd doppelt so lang wie andere Alben. Hör halt die Hälfte, die dir gefällt! Ja, dem Gleichen lässt sich (wahrscheinlich zu recht) vorwerfen, dass es wirklich vor allem mehr vom Gleichen ist und man da doch lieber auf vergangene Alben zurückgreift. Und ja, dem Weiterentwickelten lässt sich vorwerfen, dass es nicht eine oder zwei neue Richtungen gibt, sondern eine allzu bunte Palette von Experimenten. Das macht „Catharsis“ durchaus zu einem nicht perfekten Album, aber es bleibt ein Album in MACHINE-HEAD-Qualität.

Langer Rede kurzer Sinn

Das ist es: ein experimentelles Album, das trotzdem alte Fans und aktuelle Fans nicht enttäuschen möchte. Du bist ein Album-am-Stück-Hörer? Hör was anderes, lerne es lieben oder brich mit deinen Hörgewohnheiten! Du hörst lieber einzelne Songs? Dann solltest du kein Problem mit „Catharsis“ haben, sofern du nicht darauf bestehst, jeden einzelnen Song gleichmäßig lieben zu müssen. Nimm das Album als Ausstellung. Ein Bild, das nicht nach deinem Geschmack ist? Geh zum nächsten! Dir gefällt keines? Dann ist MACHINE HEAD wohl einfach nicht deine Band – wahrscheinlich aber auch vorher nicht gewesen, oder?

Mancher wird sagen, MACHINE HEAD hatten ihre qualitative Höchstphase in der ersten Hälfte der 2010er, andere meinen sicher, dass sie da längst vorbei war, aber wahrscheinlich wird es in der Zukunft auch viele Stimmen geben, die in etwa jetzt den Anbruch einer neuen Hochphase sehen. Ich denke, „Cartharsis“ darf gerne ein so launisches Album sein, wie es ist. Wirklich messen lassen wird es sich meines Erachtens erst in der weiteren Entwicklung von MACHINE HEAD.

4/5 – Jazz

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Christian Wilsberg
Seite 3: Jazz
Seite 4: Pascal Staub
Seite 5: Anthalerero
Seite 6: Fazit


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