GHOST - das 'Prequelle' Gangbang-Review

Im Zeitalter der Gimmick Bands ist GHOST das vielleicht größte Marketingphänomen überhaupt. Gar nicht mal allzuweit weg vom komödiantischen Konzept der Transylvanischen, pardon, Saarbrückener Vampirhunde POWERWOLF bestach das Konzept um Mainman Tobias Forge lange Zeit durch strikte Geheimhaltung. Was geheim ist, ist natürlich interessant. Wer versteckt sich da unter den Masken? Gezielte Sticheleien in Interviews, angeordnet rund um die theatralischen Bühnenshows und dem angenehm gruseligen und nicht minder humoristischen Flair hievten die Schweden in Rekordzeit an die Spitzen der Charts und der Festivalpositionen dieser Welt. Alles errichtet auf einem zu Zeiten von "Opus Eponymous" und "Infestissumam" noch recht originärem musikalischen Fundament, welches Spätsiebzieger und Frühachtziger Pop-Rock mit allerhand psychedelischen und metallischen Elementen zu vermischen wusste. BLUE ÖYSTER CULT trifft IRON MAIDEN - oder so ähnlich. Das Fundament wurde mit "Meliora" und den folgenden EPs langsam um Psychedelik und Progressivität entschlackt, man komponierte direkter und eingängiger. Alle Releases trafen bislang stets den Nerv von Kritikern und Publikum zugleich. Nun, auf dem vorläufigen Zenit der Karriere angekommen, muss "Prequelle" natürlich abliefern. Das gelingt allerdings nur eingeschränkt.

"Prequelle" enttäuscht als Album. Schauen wir nur mal auf die Hard Facts. Wir haben zehn Songs auf der Tracklist. Davon müssen wir Intro und gleich zwei (!) Instrumentals abziehen. "Rats" war vorab schon bekannt (der Die Hard Fan wird auch bereits Mitschnitte weiterer Stücke bei den bisherigen Live Gigs gehört haben), bleiben unterm Strich lediglich sechs neue Stücke. Das ist besseres EP-Niveau. Von welchen wir, die Vergangenheit hat es gezeigt, in Zukunft bis zum nächsten vollwertigen Album einige weitere erwarten dürften. Das ist nach dem ganzen Hype einfach zu wenig und hinterlässt einen faden Beigeschmack. Des weiteren wird der Anhänger der ersten Stunden auch songwriterisch nicht glücklich mit dem neuen Material. Es ist nur logisch und konsequent, nach den krachenden Erfolgen von "Square Hammer" und "He Is" (welches beide fantastische Nummern sind), auf dem gleichen Konzept aufzubauen. "Rats" ist offensichtlich (und von Forge im Interview bestätigt) an "Square Hammer" angelehnt, kracht noch eine Dosis mehr, lässt aber den Retro Charme früherer Werke vermissen. Kommt man mit klar, da der Song für sich gesehen einfach wieder Bärenstark ist. Auch "Faith" geht diesen Weg. "See The Light" (mit typisch schwedischer Melodieführung), "Pro Memoria" und vor allem das abschließende "Life Eternal" gehen den epischeren, getrageneren und hymnischeren Weg von "He Is". "Dance Macabre" und "Witch Image" wiederrum sind zwei handfeste Stadionrocker, welchen den Landsmännern vom NIGHT FLIGHT ORCHESTRA auch gut gestanden hätten. Ihr seht, was hier fehlt? Vorbei die Zeiten irrwitziger Spielereien eines "Con Clavi Con Dio", oder auch der sagenhaft dynamischen und abwechslungsreichen Metal-Riff-Monster wie "From The Pinacle To The Pit" oder dem Jahrhundertsong "Ritual". Logisch, GHOST waren immer eingängig. Aber alles hatte genug Ecken und Kanten, um über viele Spins hinweg spannend zu bleiben. Fast alles auf "Prequelle" ist leichte Kost. Fantastisch angerichtet, aber auch sofort verdaut! Und warum muss ein Album einer "Band" wie GHOST, welche bewiesenermaßen nur aus einem konstant besetzten Sängerposten besteht, gleich zwei Instrumentals beinhalten? Also keine kurzen Zwischenspielchen wie "Spöksonat", sondern lange, ausgebaute Instrumentals? Macht in diesem Zusammenhang einfach keinen Sinn.

Das ist jetzt erst mal ein Haufen Gemecker, welchen sich Mr. Forge von mir anhören darf. Nachdem jetzt mal rausgelassen wurde, was an Albumkonzeption und Songwriting fehlt, darf man aber auf keinen Fall überhören, welche Stärken "Prequelle" mit sich bringt. Von den sieben Songs ist keiner, wiederholt KEINER, schlecht. Im Gegenteil, einzeln und für sich atmet jeder Song die Pure Quintessenz des hitorientierten Hard Rock. "Rats", schön galoppierend, geiler Refrain, coole Klampfen. Tiefgestimmt, was man von GHOST nicht gewohnt ist, aber dennoch knackig wie nie zuvor. "See The Light", Gänsehaut in der Strophe, drückender Chorus. "Dance Macabre" und "Witch Image", was sind das bitte für sensationell genial-fantastische Melodien? Egal, welcher Song, jeder ist für sich gesehen und alleine stehend ein in sich geschlossenes Meisterwerk. Nur eben als ganzes, rundes, abendfüllendes Gesamtwerk funktioniert "Prequelle" nicht. Aber ist es nicht genau das, was Forge und GHOST mit ihrer ganzen Theatralik eigentlich wollten?

3,5 / 5 – Christian Wilsberg

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Christian Wiederwald
Seite 3: Christian Wilsberg
Seite 4: Pascal Staub
Seite 5: Sonata
Seite 6: Anthalerero
Seite 7: Fazit


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