AMON AMARTH - das 'Berserker' Gangbang-Review

Bevor ich mit meiner Rezension zu "Berserker" beginne, möchte ich erstmal einen kleinen Nachtrag zur "Jomsviking" leisten: die damals von mir gewählten vier Punkte waren mindestens ein Regal zu hoch gegriffen, das Album hat sich leider schon kurz nach Release – und nicht nur wegen DOROs Gastbeitrag – erheblich abgenutzt, was darauf schließen lässt, dass ich in meiner ersten Euphorie ob des Releases eines neuen Werks einer mir geliebten Band schlichtweg eine Spur zu gnädig resümiert habe.

Bei "Berserker" konnte mir dieser Fauxpas erfreulicherweise nicht unterlaufen, denn hier gilt: Nomen est omen. Nicht nur die spätere Betrachtung des Vorgängers, sondern auch der Albumtitel, der zudem an ein fürchterlich schlechtes "Artwork" geknüpft ist (ein besonders glückliches Händchen hatten AMON AMARTH dabei ohnehin nur selten), waren Zeichen genug, um nicht erneut demselben Enthusiasmus zu verfallen. Und dann kam auch schon "Raven's Flight", welches sicherlich keine rabenschwarzen Flügel verleiht, abgesehen davon aber trotzdem ordentlich zu unterhalten weiß – und zu den besseren Liedgütern des Berserkers zählt, wie sich später herausstellen sollte.

AMON AMARTH machen, analysiert man den Gesamtverlauf mit seinen zwölf Songs genauer, an der Oberfläche eigentlich gar nicht so viel falsch, wie ich nach nur zwei Hördurchläufen dachte. Mein Eindruck hat sich mit der Zeit also tendenziell gebessert, wenngleich einige gewichtigere Kritikpunkte trotzdem bestehen bleiben: die Schweden wirken zum Teil nicht nur müde und ausgebrannt, sondern erscheinen für mich auch so, als hätten sie – ähnlich wie ihre Landsmänner ARCH ENEMY übrigens – ihre Identität vergessen oder gar verloren. Das hängt gar nicht so sehr damit zusammen, dass man nach den zwei Ausflügen zu Andy Sneap nach England nun in Übersee gelandet ist und sich von Jay Ruston produzieren ließ, sondern eher an der stilistischen (Neu-)Ausrichtung, die diese Personalien legitim erscheinen lässt.

Worauf ich hinaus will? Wenn (Lead-)Gitarrist Olavi Mikkonen im Making-Of zu diesem Album mehr oder minder beiläufig erwähnt, wie eindimensional die früheren Songerzeugnisse auf ihn heute doch wirken und wie wenig in ihnen passiert, ist das natürlich seine eigene Meinung. Im Angesicht des aktuellen Materials muss ich mich darüber allerdings wundern, weil einige Kompositionen zwar offensichtlich variantenreichere Strukturen vorweisen können oder wollen, dafür aber jegliche Atmosphäre oder Emotionen schuldig bleiben. Faktoren, die man offenbar ablegen muss, wenn man den amerikanischen Markt erobern möchte. Das soll kein Affront sein, aber wenn ich die guten "Mjölner, Hammer Of Thor", "Skoll And Hati" oder "The Berserker At Stamford Bridge" höre, bin ich eben maximal kurzweilig bespaßt, während sich "damals" eine pittoreske Geschichte vor dem Auge abspielte. Und "damals" heißt in diesem Zusammenhang: bis einschließlich "With Oden On Our Side" - und eben nicht: „die ersten zwei bis drei Alben.“

Mir persönlich fehlt einfach etwas, das man mit dem sukzessive angehobenen, auf "Berserker" quasi finalisierten NWoBHM-Anteil nicht kompensieren konnte: Atmosphäre, Stimmung, Flair, wie auch immer man es nennen möchte. AMON AMARTH unterschreiten auch mit dem schwungvollen "Crack The Sky" oder dem sehr persönlichen "Into The Dark" nie das Attribut "solide", durchaus aber ihre eigene Leistungsfähigkeit. Die Bildsprache der Texte ist weitestgehend flöten gegangen, die Melodien klingen zumeist eher austauschbar und auch beim Schlagzeugspiel – nichts für ungut, Herr Wallgren – musste man nach dem Abgang von Fredrik Andersson (ob das nun unrühmlich oder tadellos abgelaufen ist, müssen andere beurteilen) ein deutliches Downgrade hinnehmen.

Was ich AMON AMARTH zugute halten muss: trotz ihres Erfolgs erscheinen sie zumindest nach außen immer noch sympathisch. Diesbezüglich geben sich ARCH ENEMY und ihre kompromisslose Promomaschinerie ja überhaupt keine Mühe mehr. Auf musikalischer Ebene überschneiden sich die Symptome allerdings in frappierender Weise: wenngleich man immer noch zweifelsfrei nach AMON AMARTH/ARCH ENEMY klingt, hat man gleichzeitig doch irgendwie mit einem Identitätsverlust zu kämpfen. Es fühlt sich an, als hätte man sein Gesicht mit einem Maskenbildnis des eigenen Konterfeis verdeckt – die generellen Gesichtszüge sind zwar dieselben, aber die Emotion fehlt. Auf die Musik übertragen bedeutet das, dass man als Hörer zwar schon ab der ersten Sekunde weiß, mit wem man es zu tun hat, dennoch aber das Gefühl nicht abstreifen kann, dass elementare Bestandteile der Band irgendwie abhanden gekommen sind. "Berserker" lässt sich also, abgesehen vom Totalausfall "Ironside", einigermaßen gut durchhören, liefert dabei aber auch keinerlei Gründe, warum ich stattdessen nicht "The Crusher", "Versus The World", "Fate Of Norns" oder "With Oden On Our Side" (meine persönlichen Favoriten) einlegen sollte. Vielleicht bin ich da zu engstirnig, wer weiß? Mir reicht Metal, „zu dem man gut abgehen kann“ bzw. Dienst nach Vorschrift allerdings nicht aus, wenn wir von einer Band wie AMON AMARTH sprechen, die in einem großen Abschnitt ihrer Karriere einfach viel mehr als das zu bieten hatte und dadurch erst diesen Bekanntheitsgrad erlangen konnte.

3,0/5,0 – Pascal Staub


Inhaltsverzeichnis:

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Seite 3: Christian Wilsberg
Seite 4: Daniel Csencsics
Seite 5: Jörn Janssen
Seite 6: Lord Seriousface
Seite 7: Pascal Staub
Seite 8: Fazit


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