SABATON - Das 'The Great War' Gangbang-Review

Auch wenn die schwedischen Power-Panzer von SABATON nicht nur uneingeschränkten Zuspruch genießen, muss man ihnen doch eine Sache zugestehen: während man in unserem wohlergründeten Heavy-Metal-Kosmos glaubt, schon alles gesehen oder gehört zu haben, haben es die Burschen doch geschafft, eine eigene Nische samt passendem Markenauftritt aufzubauen und sich zu einem der Top-Acts ihrer Zunft zu mausern. Dabei mussten die Jungs nicht viel mehr tun, als ihrem Power Metal eine markante und unorthodoxe Stimme zu verpassen, ein paar Keyboards an Bord zu nehmen und die ein oder andere Dissertation in Kriegshistorie zu vertonen. Im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens scheint der Platz der Band Metal-Olymp längst sicher – doch wer rastet, der rostet. Die Erwartungen an Joakim Brodén, Pär Sundström und Co. sind hoch - und „The Great War“ stellt sich der Herausforderung.

Über den Krieg, der alle Kriege beenden sollte

Das neunte Album unserer schwedischen Freunde widmet sich als Konzeptalbum dem Ersten Weltkrieg und beleuchtet die verschiedenen Aspekte des bis dahin verheerendsten militärischen Konflikts der Menschheit. Die zahlreichen Materialschlachten, die über Monate hinweg hunderttausende Opfer forderten, werden am Beispiel der Schlacht um Verdun („Fields Of Verdun”) oder der dritten Flandernschlacht („Great War“) behandelt. Ebenso finden die technischen „Fortschritte“, die das Bild des „industrialisierten Krieges“ ausmachten, Einzug in die Texte. Beschrieben wird bspw. der Einsatz von Panzern („The Future Of Warfare“), Scharfschützen („A Ghost In The Trenches“) und chemischen Kampfmitteln („The Attack Of The Dead Men“), der zu dieser Zeit erstmals erfolgte. Nicht zuletzt werden auch vereinzelten Akteuren wie dem britischen Offizier Thomas Edward Lawrence („Lawrence von Arabien“, „Seven Pillars Of Wisdom“) oder dem deutschen Jagdflieger Manfred von Richthofen („The Red Baron“) Stücke gewidmet. Besitzer der „History Edition“ von „The Great War“ erhalten zu Beginn eines jedes Songs Hintergrundinformationen im Stil einer Dokumentation.

Viel versprochen und Wort gehalten

Textlich gehen SABATON also ihrer Berufung als schwermetallische Kriegshistoriker weiter nach – wie steht es aber um das musikalische Fundament? Nicht selten werden in Bezug auf die Schweden auch kritische Stimmen laut, die ihnen einen allzu laxen Umgang mit den realen Hintergründen ihrer Texte vorwerfen und ihre Musik als (unpassenden) „Party Metal“ geringschätzen. Ganz von der Hand zu weisen ist dieser Umstand auch auf „The Great War“ nicht, doch bleibt das Ganze meinem Eindruck nach in überschaubaren Grenzen.

Natürlich geht es im Hause SABATON nicht ganz ohne den Partyfaktor, den das neue Eisen mit „82nd All The Way“ am stärksten auslebt. Mit diesem Song hatte ich zugegebenermaßen meine Startschwierigkeiten, weil er auf einem recht platten Popbeat aufbaut und insgesamt etwas generisch wirkt - wer spürt dabei nicht die glühende Sonne auf der Stirn und sieht sprühende Bierfontänen vor dem inneren Auge? Natürlich ist die Nummer trotzdem ziemlich catchy und gut anzuhören, aber dass es besser geht, beweisen SABATON selbst mit dem Rest des Albums.

Mit „Fields Of Verdun“ und „The Red Baron“ wurden vorab zwei äußerst schmackhafte Köder ausgeworfen, die die Messlatte für „The Great War“ sehr hoch legten. Ich gebe zu, hier meine Zweifel gehabt zu haben, doch das Niveau wird tatsächlich gehalten. Bereits der Opener „The Future Of Warfare“ zeigt mit starken Riffs und aufregenden Drumspuren, wie der Hase anno 2019 läuft. Das allgemeine Tempo auf „The Great War“ wurde etwas angehoben und beim Komponieren augenscheinlich großer Wert auf Details und Wiedererkennungswerte gelegt. Der Metal dominiert (zumeist) über die Spaßmusik und wird dem Begriff des Power Metal mehr als gerecht. Was mit „Seven Pillars Of Wisdom“ über das Griffbrett gejagt wird, ist der blanke Wahnsinn und auch „A Ghost In The Trenches“ trifft sprichwörtlich ins Schwarze (man verzeihe mir bitte diese wirklich dümmliche Umschreibung...). Auch „Devil Dogs“ ist trotz der stellenweise sehr poppigen Anleihen ziemlich genial und hat Ohrwurmpotenzial.

Der außergewöhnlichste Song folgt mit „The End Of The War To End All Wars“ zum Ende der Platte. Die Nummer bewegt sich deutlich in den Symphonic-Metal-Bereich hinein und addiert eine saftige Portion Dramatik. Durch die Verbindung der für SABATON-Verhältnisse sehr schroffen Riffs mit einem pompös-orchestralen Rückgrat fragt man sich zuweilen, ob die Schweden kürzlich mit DIMMU BORGIR auf „noch ein Bier“ unterwegs waren – großes Kino! Mit einem sonst schmerzlich vermissten Maß an Pathos bildet der letzte reguläre Song einen düsteren Ausblick in die Zukunft, denn wie wir leider wissen, endete 1918 nicht der Krieg, der alle Kriege beenden sollte. Das als Outro platzierte „In Flanders Fields“ (Gedicht von John McCrae) wird komplett im Chor vorgetragen und steht wie eine massive Gedenktafel für die unzähligen Opfer am Ende von „The Great War“.

„Operation: Miesepeter zurückerobern“ erfolgreich abgeschlossen!

Unter dem Druck von Millionen erwartungsvoller Blicke komponiert es sich bekanntlich schwer. Ob es am sechssaitigen Neuzugang Tommy Johansson liegt oder ob Chris Rörland einfach nur besonders gut geschlafen hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf alle Fälle ist SABATON mit „The Great War“ ein Album gelungen, das meine eingerostete Liebe zum Power Metal neu entfachen könnte. Zumindest eines steht danach fest: solange Kracher wie „Seven Pillars Of Wisdom“ oder „Fields Of Verdun“ über Tanzmetal der Marke „82nd All The Way“ dominieren und Monumente wie „The End Of The War To End All Wars“ ihren Platz finden, hat der SABATON-Schriftzug neben den unzähligen Black-, Thrash- und Death-Rabauken auf meiner Kutte weiterhin seine Daseinsberechtigung.

4 / 5 - Lord Seriousface

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: ADL
Seite 3: Lord Seriousface
Seite 4: Christian Wilsberg
Seite 5: Sonata
Seite 6: Pascal Staub
Seite 7: Marc Folivora
Seite 8: Anthalerero
Seite 9: Fazit


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