Jahresrückblick 2021

2021 war erneut ein merkwürdiges Jahr. Insofern war und ist Musik und in unserem Fall Heavy Metal, Rock und Punk in all ihren Ausprägungen beziehungsweise Untergliederungen eine wichtige Stütze, seelische Erbauung, Plattform des Eskapismus oder einfach nur eine Möglichkeit, um losgelöst von Raum und Ort Spaß zu haben. Die Anzahl der neuen Veröffentlichungen war – mal wieder – unüberschaubar. Man konnte, selbst wenn man wollte, nicht hinterher kommen und alles zumindest anchecken. Die Pandemie hat die Produktion von neuer Musik gefühlt nochmal deutlich angefeuert. Allzu oft war zu lesen: „Eigentlich wollten wir ja auf Tour gehen, aber dann ging nix und deswegen sind wir einfach ins Studio gegangen.“ Oder: „Wegen der Beschränkungen durch Corona war jetzt endlich mal Zeit für dieses neue Band-Projekt, das wir schon lange machen wollten.“

Umso wichtiger waren in 2021 gute Tipps, um aus der Masse des schon Zig-mal-Gehörten die wirklich packenden Sachen heraus zu picken. Metal, Punk oder Rock, der einen mitzieht, emotional einfängt und berührt. Das ist selbstredend bei jedem anders und immer eine Frage des ganz individuellen Geschmacks, klar. Hier nun die Alben, die bei mir 2021 auf irgendeine Art zumindest zum Teil mehr als andere Scheiben punkten konnten (und ja, die neue HELLOWEEN ist auch gut):

Re-release: Eines DER Referenzwerke im technischen Death Metal verlieren: Wer „Testimony Of The Ancients“ von PESTILENCE 30 Jahre nach Erscheinen noch immer nicht kennt, kann kein Interesse an Death Metal haben, eine andere Erklärung kann es eigentlich nicht geben. Daher gibt es hier nix zu den ekonenhaften Melodien, sägenden Riffs, progressiven Songstrukutren und gelungenen, atmosphärischen Zwischeneinspielern – alles vom damaligen Death-Metal-Meisterproduzent Scott Burns im legendären Morrisound Studio im Tampa, Florida kongenial in Szene gesetzt. Die meisterhaften Songs „Twisted Truth“, „Testimony“, „Land Of Tears“, „Stigmatized“, „Prophetic Revelations“ und „Lost Souls“ sind für Fans von hartem Metal einfach Plicht, das muss man einfach kennen!

Thrash Metal mit Hardcore-Einfluss: „Kill Grid“ von ENFORCED. Ein akustischer Vorschlaghammer der Extra-Güte. Die ganz großen Hits fehlen zwar noch, aber die Band ist ja relativ jung. Und „Malignance“, „Hemorrhage“, „UXO“, „Curtain Fire“, das Titelstück, aber auch der Opener sind prächtige Abrissbirnen!

Thrash Metal mit Death-Metal-Einfluss: „Royal Destroyer“ von THE CROWN. Dieses Jahr sind ein paar sehr gute Thrash-Alben veröffentlicht worden, unter anderem auch „Hell Unleashed“ von EVILE. Die Schweden THE CROWN haben aber nach dem (etwas besseren) Glanzstück „Cobra Speed Venom“ (2018) erneut bewiesen, dass sie nicht nur kompromisslos auf die Fresse können („Baptized In Violence“, „Let The Hammering Beginn!“), gerne auch mit Blastbeats bis zur blindwütigen Raserei, sondern mit ihren in der Lage sind, Thrash-Hits zu komponieren („Motordeath“, „We Drift On“, „Beyond The Frail“, „Absolute Monarchy“).

Death Metal: „Strictly Physical“ von GOAT THE HEAD. Die Norweger verbinden verschiedene Stil-Elemente aus dem Doom Metal, Death Metal, Thrash Metal, Viking Metal zu einem oft kongenial tönenden Ganzen, das mal hypnotisch-walzend daher donnert („The Call Of Ixodes“), mal rasend mit kleiner punkiger Note („Exhaler“, „A Three Krater Symposium“), mal intensiv und elegisch. Dazu passt die Produktion und der Sänger gröhlt wunderbar wie ein heiserer V8-Motor. In Zeiten, in denen hunderte Bands immer die gleichen Wege gehen, immer die gleichen Strukturen und Zutaten verwenden, um bereits Dagewesenes vermeintlich neu zusammenzusetzen und dann als „die neuen So-und-so“ bejubelt werden, klingen GOAT THE HEAD überraschend originell und eigenständig. Vor allem die wunderbar eingebaute Hammondorgel verleiht dem Großteil der Songs eine erfrischende, besondere, vollmundige Note und klingt dabei kein Stück nach 70er-Jahre oder so einem Vintage-Kram. Dieses Album hat viele Höhepunkte, die zwar erstmal herausgehört werden wollen, dann aber mit Nachhall im Hörer-Gedächtnis verhaftet bleiben. Wer mit skandinavischem Death Metal alter Schule, GOREFEST zu Zeiten von „Chapter 13“ und auch Doom Metal etwas anfangen kann und sich darüber freut, so einen Mix mit einem etwas anderen Anstrich, nämlich der Hammondorgel, kredenzt zu bekommen, der muss dieses Album anchecken! GOAT THE HEAD machen mt ihrem dritten Album endlich ernst und haben es verdient, gehört zu werden!

True Metal: „The Beast Awakens“ von DURBIN. Der amerikanische Sänger James Durbin hat sein eigenes Ding gemacht und ein Album in der Schnittmenge von Iron Maiden, Judas Priest, Hammerfall, Omen und Manowar aufgenommen. Alles nix Neues, aber die Melodien sind überaus catchy, instrumental ist das auf ganz hohem Niveau und der Mann kann einfach technisch besser singen als 90 Prozent seiner Kollegen. Und er hat – was selten ist bei dieser Art von Metal – eine Stimmfarbe, die bei den sehr hohen Tönen nicht wie gequetschte Eier klingt und nervt. Leider ist das Album ziemlich untergegangen, dabei ist es eines der besten in diesem Bereich seit Jahren!

Melodic Metal: „Immortal“ von MICHAEL SCHENKER GROUP. Mit „Immortal“ ist Schenker ein Glanzstück gelungen, selbst wenn es zwei, drei schwächere Songs gibt. Das Album ist wie aus einem Guss, mit wunderbar warmen Sound, tollen Melodien, die durch starke Sänger geschmackssicher intoniert werden. Dass Schenker zu seinem 50.-Jubiläum als Musiker noch immer so viele Ideen hat, ist beeindruckend. Ebenso wie seine Fähigkeit, sein außergewöhnliches Gitarrenspiel gekonnt in zum Teil hymnenhafte, zum Teil rockende Songs zu integrieren und zum rechten Zeitpunkt brillieren zu lassen. Sollte man gehört haben!

Melodic Rock/ Hard Rock: „One Shot“ von RONNIE ATKINS. Ein homogenes Album ohne Schwächen, aber mit viel Gefühl, tollen Melodien und emotionalen, nachdenklichen Texten, die der Musik einen bittersüßen Touch geben. Mit der Einbeziehung der Texte und der Lebenssituation von Atkins funktionieren einige Songs wie zum Beispiel „Real“, „One Shot“, „Picture Yourself“ oder „When Dreams Are Not Enough“ noch mehr. Aber auch so gibt es viel hochklassige Rock-Musik zu hören, die den Wunsch erwachsen lassen, dass RONNIE ATKINS sie bald noch live darbieten kann.

Melodic Rock/ Melodic Hard Rock/ AOR: „X Marks The Spot“ von ART OF ILLUSION. Wieder ein Album, das untergegangen ist. Dabei glänzen die Schweden mit typischem skandinavischen Melodic Rock mit Versatzstücken aus dem AOR („Wild And Free“) und ein paar etwas härteren Phasen, die Richtung Melodic Metal gehen. Auf der anderen Seite überraschen zwei Songs, die stilistisch auch von einem Disney-Musical stammen könnten und so auch von QUENN bei deren orchestralen Momenten hätte kommen können. Auch andere Tracks haben einen leichten QUEEN-Touch, ohne das das abgekupfert wirkt. Diese stilistische Variation kann man aber eigentlich locker akzeptieren, denn musikalisch ist das alles auf ganz hohem Niveau. Der klare, technisch brilliante Gesang von Lars Säfsund verweist jede Konkurrenz im Melodic Rock auf die hinteren Plätze, die Produktion ist detailverliebt und einfach nur erstklassig. Dazu kommt ein Gitarrenspiel mit tollen Oha-Momenten.

Power Metal: „Soldiers Of Light“ von SKYEYE. Genrefreunde beziehungsweise Anhänger von IRON MAIDEN, SAXON und JUDAS PRIEST sollten die Scheibe anchecken. Zwar fehlen noch echte Hymnen, die mit denen der genannten Größen mithalten können. Dafür sind die beiden Longtracker „Chernobyl“ und „Brothers Of The Same Sun“ überaus gelungen und haben wie das gesamte Alben immer mal wieder Oha-Momente wie etwa tolle Soli oder liebliche Gitarren-Leads. Die Slowenen haben auf jeden Fall Potenzial.

Epic Metal/ US-Metal: „Horrors From The Void“ von BLACK SOUL HORDE. Die Griechen haben mit ihrem Drittwerk ein Album vorgelegt, das textlich und musikalisch viel Atmosphäre versprüht, meist recht düsterer Natur ist. Eigentlich klingt es so, als sei die Musik komponiert worden als akustischer Gleichklang zu den Büchern von Heroic-Fantasy-Großmeistern wie Karl Edward Wagner oder David Gemmell oder Rollenspielen wie The Elder Scrolls. Und dabei werden gelungen die dumpfen Metal-Klischees und totgenudelten Plattitüden der Marke „sword, warrior, eagle, dragon“ vermieden. Bis sich einem die leicht progressiven Songs erschließen, braucht man etwas Geduld, aber liebe Freunde des charaktervollen Heavy Metals: es lohnt sich!

Folk Rock: „So Schön“ von DOPPELBOCK. Ein bockstarkes (Kalauer!) Debütalbum, das vieles kann: Partystimmung verbreiten, auch mal sehnsüchtige und nachdenkliche Gedanken herbeibeschwören und in Summe einfach Spaß bringen. Insbesondere live werden DOPPELBOCK damit alles abräumen. Und ja, es ist sogar noch Luft nach oben da, denn bei circa 36 Minuten machen sich drei Songs, die nicht zünden, doch bemerkbar.

 

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Lesercharts: Die meistgelesenen Artikel des Jahres 2021
Seite 3: Jahresrückblick von Angelika Oberhofer
Seite 4: Jahresrückblick von bender
Seite 5: Jahresrückblick von Brigitte Simon
Seite 6: Jahresrückblick von Daniel Hadrovic
Seite 7: Jahresrückblick von Ernst Lustig
Seite 8: Jahresrückblick von Hans Unteregger
Seite 9: Jahresrückblick von Jazz Styx
Seite 10: Jahresrückblick von Julian Dürnberger
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Seite 12: Jahresrückblick von Martin Weckwerth
Seite 13: Jahresrückblick von Sandy
Seite 14: Jahresrückblick von Sonata
Seite 15: Jahresrückblick von Tobias
Seite 16: Jahresrückblick von Werner Nowak


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