Interview: Iced Earth - Stu Block

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Ich glaube, wenn die Band jetzt einfach aufhören würde und keine Touren mehr machen würde, dann wäre das noch viel enttäuschender für die Fans, als nur einen neuen Sänger akzeptieren zu müssen.

Für das neueste Langeisen "Dystopia" hat sich ICED EARTH-Mastermind Jon Schaffer ja bekanntermaßen mit dem INTO ETERNITY-Fronter Stu Block einen neuen Mann hinters Mikrofon geholt, der die Nachfolge von Matt Barlow bei der US-Power Metal-Institution antreten darf. Insofern hat es uns natürlich brennend interessiert, was der gute Herr zu seinem neuen Job und dem Leben bei ICED EARTH zu sagen hat!

Veröffentlicht am 10.10.2011

Für das neueste Langeisen "Dystopia" hat sich ICED EARTH-Mastermind Jon Schaffer ja bekanntermaßen mit dem INTO ETERNITY-Fronter Stu Block einen neuen Mann hinters Mikrofon geholt, der die Nachfolge von Matt Barlow bei der US-Power Metal-Institution antreten darf. Insofern hat es uns natürlich brennend interessiert, was der gute Herr zu seinem neuen Job und dem Leben bei ICED EARTH zu sagen hat!

SB: Hallo Stu, wie läufts?

Stu: Oh, klasse Mann, danke. Hab' ein bisschen Jetlag, aber sonst geht's gut!

SB: Kann ich mir vorstellen! Stu, erstmal vorab: Ich glaube, du bist ja ein ziemlich neues Gesicht für viele ICED EARTH Fans; von denen werden dich wohl nicht so viele Leute von INTO ETERNITY kennen. Willst du dich vielleicht kurz vorstellen? Wer ist Stu Block?

Stu: Wer ich bin? Ich bin ein verrückter Kanadier! (lacht)

Nein, also ich bin einfach ein normaler Kerl, ich liebe Heavy Metal, singe schon eine lange Zeit... seit ungefähr zehn Jahren jetzt! Ich bin wohl noch ein "junger Hupfer" in der Szene und mich kennen noch nicht so viele Leute, aber ich hoffe, das jetzt bald zu ändern! Aber naja, ich hör einfach Heavy Metal, steh' auf Musik... und ich mach auch in meiner Freizeit viele verschiedene Sachen, zum Beispiel Korbflechten... Ok, das war jetzt ein Scherz! Haha!

Nein, ich halte mich gern' auf Trab. In meiner Freizeit schreib' ich gern' Musik; ich hab auch eine Verlobte, mit der ich natürlich gerne viel Zeit verbringe, wenn ich sie habe, und naja... ich bin einfach ein gewöhnlicher Typ, haha.

SB: Kannst du uns ein bisschen darüber erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass du der neue ICED EARTH-Sänger geworden bist? Wann und wie hast du Jon Schaffer kennengelernt?

Stu: Es war eigentlich ganz interessant! Also wir waren mit INTO ETERNITY gemeinsam mit ICED EARTH auf Tour... 2008 glaub' ich war das... und ich lief Jon ein paar Mal über den Weg während der Tour, und dann nahmen INTO ETERNITY eine kleine Auszeit, aber ich wollte einfach weitermachen. Also hab ich ein Posting auf meiner Facebook-Seite veröffentlicht, dass ich für Freelance-Arbeiten verfügbar wäre, und einer der Leute von Century Media hat anscheinend Jon von mir erzählt, und sie haben sich ein paar Sachen von mir angesehen. Und dann kam auf einmal ein Anruf von der Plattenfirma, wo sie mir mitteilten, dass eine Band Interesse daran hätte, mit mir zu arbeiten.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich einiges an Touring hinter mir, und es war gerade eine harte Zeit in meinem Leben. Meine Mum leidet an Krebs und wird ihn wahrscheinlich nicht überleben, viele verschiedene, sehr emotionelle Dinge liefen da ab... und auch bei INTO ETERNITY gab es einige Probleme, sodass ich ein wenig abgeneigt war, gleich wieder auf Tour zu gehen und das Ganze gleich nochmal durchzumachen.

Ich fragte also dann, wer denn die Band sei, und zuerst wollten sie es mir nicht so richtig sagen. Ich hab dann noch ein bisschen nachgebohrt, bis sie eben mit der Sprache rausgerückt sind und sagten: "Ja, es ist ICED EARTH" - und dann ist mir erstmal die Kinnlade runtergefallen!

Ich dachte dann: Ok, das ist natürlich eine ganz andere Geschichte dann! Ich wollte das natürlich machen, ich bin ja selbst schon lange Zeit ICED EARTH Fan, seit der "Burnt Offerings"... Also gaben sie mir Jons Telefonnummer, wir haben uns ein bisschen unterhalten. Und tja, dann hat er mich nach Indiana einfliegen lassen, wir haben ein bisschen was ausprobiert - ein paar der früheren Sachen zuerst und dann schrieben wir auch zwei neue Songs gemeinsam. Und zu dem Zeitpunkt hat die Chemie dann auch schon so gut gepasst, dass Jon sagte: "Hey, ich will gar niemand anderen mehr ausprobiern - du bist mein Mann!" Und ich war natürlich überglücklich, 30 Sekunden später war ich am Telefon mit meiner Familie und habe ihnen von dieser Riesen-Chance erzählt!

Und tja, seitdem arbeiten wir richtig hart... und jetzt komme ich gerade aus Florida von den Albumaufnahmen - guter Stoff, haha!

SB: Hervorragend! Nun ist es ja nicht gerade eine leichte Aufgabe, Sänger bei ICED EARTH zu sein: Jon hat immer erstklassige Sänger um sich gehabt, einerseits Tim Owens aber vor allem natürlich Matt Barlow, der ja für viele als DER ICED EARTH-Sänger schlechthin gilt. Also hast du relativ große Fußstapfen zu füllen... aber nach dem ersten Durchhören von "Dystopia" kann man definitiv sagen, dass du einen Wahnsinns-Job abgeliefert hast! Was würdest du sagen, was bringst du bei ICED EARTH ein, dass dich von Tim und Matt unterscheidet?

Stu: Naja, ich glaube ich vereine verschiedene Elemente der früheren Sänger. Ich kann zum Beispiel die Screams machen, kann aber auch emotional singen, so wie Matt... naja, nicht ganz so wie Matt - er ist einfach Wahnsinn, er ist ein Gott! (lacht)

Und ich denke, ich habe etwas Einzigartiges und habe viele verschiedene Farben in meiner Stimme: Ich kann aggressiv singen, aber auch die Balladen, und die hohen Falsetto-Sachen, und auch einiges dazwischen. Und das funktioniert mit dem neuen Material einfach sehr gut, denke ich!

Außerdem trage ich, glaube ich, auch etwas mehr zum Songwriting bei als die früheren Sänger. Jon hat ja immer das meiste Material geschrieben bisher, und er wollte einen Sänger, der auch Melodien und Texte schreiben kann, weil er das sonst immer selber machen musste. Und ich hatte eben das Glück, dass er mich ausgewählt hat - und er sagt mir nicht nur: "Tu dies, sing das", sondern ich bin wirklich toll eingebunden in das Gesamtgefüge von ICED EARTH. Ich glaube, Jon schätzt das auch. Ich habe ja mit ihm zehn Songs auf dem neuen Album geschrieben.

SB: Auf "Framing Armageddon" und "Crucible Of Man" hat Jon ja seine "Something Wicked..."-Trilogie beendet; das neue Album klingt nun sehr düster und aggressiv, was auch sicher zu einem großen Teil an deinen aggressiveren Vocals liegt. Kannst du uns vielleicht ein bisschen was über die Hintergründe von "Dystopia" erzählen, worum geht's in den Songs? Und wieviel hast du beigetragen? Hast du nur Texte geschrieben, oder auch am Songwriting mitgewirkt?

Stu: Ich habe echt viel beigetragen! Also Melodielinien zu zehn Songs, dann auch die Texte zu drei oder vier Nummern... Was das Thema von anti-utopischen Städten angeht... also ich will das jetzt gar nicht als Gesamtkonzept für das Album darstellen, das ist es nämlich nicht! Es gibt Elemente, die konzept-ähnlich sind, aber eigentlich haben wir angefangen, über Filme zu schreiben: Sachen wie "V As In Vendetta", "Equilibrium", "Soylent Green" und so. Und ich saß beim Filmegucken einfach mit einem Notizblock da, und machte mir Notizen. Ich schrieb dann was zusammen, zeigte das Jon... er gab mir dann Feedback.

Ich glaube, ich habe ein ganz gutes Händchen dafür, eingängige Chöre zu schreiben... und mit dem Feedback von Jon kam das dann gut zustande. Ich glaube, wir sind alle irgendwo besorgt um den Zustand, in dem sich unsere Welt befindet, und da wir auch diese Art von Film mögen, konnten wir das gut verbinden. Wir wollten einfach aggressive Texte schreiben, und die Themen, die diese Filme behandeln, passten uns da sehr gut ins Konzept und waren sehr relevant für uns.

SB: Aber es gibt auch Songs auf dem Album wie "Anguish Of Youth" auf dem Album, der eher in eine Richtung wie "Watching Over Me" oder "I Died For You" - wie schwer war es für dich, solche Songs einzusingen verglichen mit den härteren Tracks des Albums? Gerade Matt Barlow war ja immer bekannt für seine emotionale Stimme bei solchen Nummern.

Stu: Es war eine große Herausforderung! Und es war auch echt nervenaufreibend. Ich meine, ich hab natürlich früher auch schon Balladen gesungen, in anderen Bands... auch gecovert und so... aber es ist natürlich eine Herausforderung, weil du diese Emotion einfach rausbringen musst, und du musst dir jede einzelne Note, die du singst, zu eigen machen. Und das ist etwas, was ich während der Aufnahmen zu diesem Album gelernt habe!

Wir nahmen im Morrisound-Studio auf, und da hat mir Jon echt viel beigebracht, wie ich den Hörer dazu bringen kann, der Geschichte zu folgen. Und die Herausforderung war glaub ich auch, eben nicht zu sehr zu versuchen, wie Matt bei den Balladen zu klingen. Jon will keinen Matt-Klon; er will jemanden, der singen kann, und der den Songs auch seinen eigenen Stempel aufdrücken kann.

Aber weil ich ein großer Matt Barlow-Fan bin, war ich natürlich nervös - du willst, dass alles perfekt wird, und du weißt auch, dass die Fans wirklich diesen emotionellen Aspekt in den Songs haben wollen. Und ich musste das erstmal hinbekommen: gleichzeitig richtig emotionell zu singen, dabei aber schon an die nächste Zeile zu denken und trotzdem jedes Wort richtig betonen und herausbringen.

SB: Andererseits gibt es mit "Boiling Point" und "Days Of Rage" zwei Songs auf dem Album, die sicher zu den härtesten Songs zählen, die ICED EARTH seit langem geschrieben haben. Wurden die Songs schon in Hinblick auf deine aggressivere Stimme geschrieben, oder wurden die einfach so härter?

Stu: Nein also viele der Songs sind ja schon vor unserer Zusammenarbeit entstanden, aber Jon hatte Vertrauen in mich, und nachdem er mich gehört hatte, wusste er auch, dass ich diese Songs in dieser Aggressivität packen könnte. Diese Songs hauen echt rein - da willst du einfach nur dazu abgehen und in den Moshpit rein, und Aggression loswerden. Und ich glaube, das kam gut rüber!

Aber mit den Songs hatte ich nicht so die Schwierigkeiten - das war einfach geradliniger, "balls-to-the-wall"-Heavy Metal; und das liegt mir, haha.

SB: Welches von den älteren ICED EARTH-Alben ist eigentlich dein persönlicher Favorit, und auf welche Songs von früher freust du dich besonders, wenn du sie live performen darfst?

Stu: Ich bin Fan seit "Burnt Offerings", liebe aber auch "Framing Armageddon"... Aber ich steh einfach auf alles haha, ich kann mich gar nicht festlegen! "Watching Over Me" ist natürlich ein fantastischer Song, aber auch "Come What May"... diese Art von Song mag ich sehr. Und natürlich "Dante's Inferno" - diesen epischen Song würd ich echt gerne mal live machen!

SB: Nach dem Release wird ICED EARTH auf Tour gehen - wie nervös bist du vor der Tour, angesichts der Ungewissheit, wie dich die Fans annehmen werden? Was wirst du tun, um die Fans von dir zu überzeugen?

Stu: Das wird natürlich ein hartes Stück Arbeit. Es gibt viele Die-Hard-Fans von ICED EARTH, und das wird schwer, die zu überzeugen. Aber wenn ich auf die Bühne gehe, dann versuche ich nicht, irgend jemand anderer zu sein, als ich selbst.

Man muss sich selbst und den Fans treu sein. Und es ist einfach so: Matt musste sich aus der Band zurückziehen. Wir alle haben die Presseberichte gelesen, es gibt einfach Sachen, die Matt für sich erledigen muss, und das muss man respektieren.

Aber die Fans wollen natürlich trotzdem die Liveshow sehen - und ich bin nunmal jetzt einer der Typen, der verantwortlich dafür ist, dass die Fans auch eine echte ICED EARTH-Liveshow zu sehen bekommen! Und ich kann eigentlich nichts anderes tun, als mich so gut wie möglich vorzubereiten, und so energiegeladen wie möglich an die Sache ranzugehen.

Das muss einfach von einem ehrlichen Platz kommen, und dann glaube ich werden die Fans mich auch akzeptieren. Es werden zwar nicht gleich alle Fans hinter mir stehen, aber das ist okay. Ich bin auch Fan von Bands wo die Mitglieder gewechselt haben, und auch ich war nicht immer glücklich mit manchen Entscheidungen. Aber selbst wenn eben ein Matt Barlow die Band verlässt, möchte ich trotzdem ICED EARTH noch live sehen. Und ich glaube, wenn die Band jetzt einfach aufhören würde und keine Touren mehr machen würde, dann wär das noch viel enttäuschender für die Fans, als nur einen neuen Sänger akzeptieren zu müssen.

SB: In der Tat! Aber du hast den entscheidenden Vorteil, dass meiner Meinung nach "Dystopia" wohl das beste ICED EARTH Album seit echt langer Zeit geworden ist, und deine Stimme echt klasse rüberkommt! Das ist, glaub' ich, ein sehr guter Start!

Stu: Wow, danke Mann! Ja, ich hoffe das wird noch besser, haha... Ich geh ja auf Tour mit den Jungs, und wir werden Tag und Nacht zusammen sein. Und Jon und ich werden ja nicht aufhören, Material zu schreiben, und wir sammeln jetzt schon Ideen für das nächste Album. Ich glaube, das wird dann auch noch ein Stück besser, weil ich dann schon besser integriert sein werde und viel entspannter an die Sache herangehen werde. Es wird sicher sehr interessant!

SB: Noch eine Frage zu INTO ETERNITY: Inwiefern wird jetzt dein Engagement bei ICED EARTH die Zukunft von INTO ETERNITY beeinflussen? ICED EARTH sind ja doch eine große Band, die auf weltweite Tourneen geht - wie lässt sich das vereinbaren, auch wenn INTO ETERNITY gerade eine Auszeit nehmen?

Stu: Ja ich glaube, ich werde zunächst mal keine Zeit für INTO ETERNITY haben. Aber ich musste diese Entscheidung einfach treffen. Klar, die Jungs sind auch meine Freunde, aber die verstehen das natürlich. Wir sprachen darüber, aber ich hatte die Entscheidung schon getroffen... sie gaben mir aber ihren Segen. Sie werden aber sicher weitermachen, und ihr Ding durchziehen. Aber ich muss diese Gelgenheit einfach nutzen, das ist mit Sicherheit eine der großartigsten Chancen in der Metal-Welt im Augenblick!

Ich glaube, seitdem ich bei ICED EARTH bin - also seit März - hab ich wohl mehr über mich selbst und das Singen gelernt, als in all den Jahren davor bei INTO ETERNITY. Ich sehe das als eine Chance, jeden Tag in die "Metal-Schule" zu gehen, haha. INTO ETERNITY werden ihre Sache durchziehen, das ist einfach Tims Baby... aber das ist auch schon alles, was ich dazu sagen kann.

SB: Das heißt also, dass du nicht mehr bei INTO ETERNITY bist?

Stu: Ja, danach sieht es aus. Aber hey, ich meine - wenn ich etwas Freizeit habe und es sich ausgeht, werde ich natürlich gerne ein paar Vocals für sie machen. Aber im Moment muss ich einfach alles um ICED EARTH herum auslegen, das ist jetzt meine Band!

SB: Sehr verständlich! Ich danke für das nette Interview!


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