Interview: Hypocrisy - Mikael Hedlund

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Wirklich schön ist, dass ich mit HYPOCRISY so viele großartige Fans und Musiker getroffen habe und viele Freundschaften schließen konnte.

Seit 20 Jahren wüten HYPOCRISY mit ihrem knackigen Death Metal durch die Gegend. Wir sprachen mit Bassist Mikael Hedlund über das Megapaket "Hell Over Sofia", ein bereits in der Röhre steckendes neues Album und den Wunsch, ein Sideproject auf die Beine zu stellen.

Veröffentlicht am 17.10.2011

„Hell Over Sofia – 20 Years Of Chaos And Confusion“ habt ihr euer DVD / Doppel-CD Monsterjubiläumspaket genannt. Zum Zehnjährigen habt ihr auch schon ein Jubiläumsscheibchen rausgeworfen. Wie würdest du diese lange Zeitspanne rückwirkend betrachten?

Das erste Best Of war eigentlich gar nie geplant. Wir haben damals in Wacken gespielt und die Plattenfirma wollte den Gig unbedingt als CD und DVD veröffentlichen. So sind die CDs „Hypocrisy Destroys Wacken“ und „10 Years Of Chaos And Confusion“ sowie die DVD „Live & Clips“ nacheinander entstanden. „Hell Over Sofia“ war natürlich schon geplant. Das Schwierigste war einen geeigneten Ort für die Liveaufnahme zu finden. Da herrschte wirklich große Grübelei, weil wir in so vielen tollen Locations auf der ganzen Welt gespielt haben. Peter hat dann eben gesagt: „He Jungs, ich habe mit PAIN in Bulgarien gespielt und es war großartig.“ So haben wir uns für Sofia entschieden, obwohl das natürlich sehr riskant war. Du weißt im Vorfeld nicht, wie die Lage dort ist oder ob die Leute abgehen werden. Im Endeffekt war es einfach fantastisch! Das Ergebnis könnt ihr ja ansehen.

Das mit den Fans ist ja irgendwie logisch. Dort wird man ja auch nicht mit Konzerten und Metalbands erdrückt, wie es hier in Mitteleuropa der Fall ist.

Eben, ja. Bei euch in Österreich oder Deutschland kann man ja quasi jeden Abend zu einem Konzert gehen. In Bulgarien sind die Leute froh, wenn einmal im Monat eine tolle Band auftaucht.

Du bist ja selbst fast seit dem Beginn der Band an Bord. Welche besonders tollen Erlebnisse sind da nach 20 Jahren hängengeblieben?

Also ein wirklich großer Moment war, als wir bei Nuclear Blast einen Plattenvertrag bekamen. Ich war damals ja gerademal 16 Jahre alt. Das war für mich als Die-Hard-Metalfan einfach der Wahnsinn. Ich bewunderte immer schon all die Bands, las die Magazine, hörte mir die Platten an und plötzlich waren wir auch Teil dieser Welt. Wir konnten tatsächlich Alben aufnehmen, mit der Musik, die wir machen wollten. Aber wirklich schön ist, dass ich mit und durch HYPOCRISY auch die Chance bekam, so viele großartige Fans und Musiker, tolle andere Bands zu treffen und Freundschaften zu schließen.

Kannst du mit deinem Job bei HYPOCRISY eigentlich all deine Rechnungen bezahlen?

Musste ich anfangs zumindest. Wir haben ja getourt, getourt und getourt – da bleibt auch gar keine Zeit für einen anderen Job. Ich habe das fünf Jahre lang so gemacht, aber es bleibt natürlich nicht so viel hängen, dass du jeden Monat eine neue Karre anschaffen kannst. Aber zum Miete bezahlen reicht es. Heute habe ich schon auch einen Job neben HYPOCRISY – natürlich hat er auch mit Musik zu tun.

Elf Alben in 20 Jahren – eine stolze Zahl. Was ist denn dein Lieblings-HYPOCRISY-Album und gibt es auch welche, die du nicht mehr ausstehen kannst?

Natürlich mag ich alle unsere Alben. Es gibt welche, die habe ich lieber als andere, aber sie zu kategorisieren fällt mir schwer. „Abducted“ beispielsweise war ein verdammt wichtiges Album. Dort haben wir unseren Stil gefunden und außerdem gelernt, wie wir am effektivsten zusammenarbeiten können. Für HYPOCRISY war das Album rückwirkend betrachtet bahnbrechend.

Das Musikbusiness kann ja durchaus verdammt stressig sein. Hast du eigentlich nie daran gedacht, auch mal den Hut draufzuhauen?

Niemals. Musik war immer schon ein verdammt wichtiger Bestandteil meines Lebens und ich liebe diesen Job einfach. Wirklich herausfordernd war die lange Pause zwischen „Virus“ (2005) und „A Taste Of Extreme Divinity“ (2009). In dieser Zeit haben sich bei uns allen einfach so viele Dinge im privaten Bereich verändert, dass wir uns vor zwei Jahren erst einmal selbst wieder beweisen mussten, ob wir das lange Touren noch so auf die Reihe kriegen bzw. ob wir noch Lust dazu haben. Und alles hat dann perfekt funktioniert, was für mich eine Art Statement war.

Die DVD „Hell Over Sofia“ enthält ja eine 90-minütige Banddokumentation. Was können sich die Leute denn genau davon erwarten?

Es ist halt verdammt schwierig 20 Jahre Bandgeschichte auf 90 Minuten Bildmaterial zu pressen. Wir haben uns aber zusammengesetzt und überlegt wie wir das geschickt angehen können. Man sieht Interviews mit ehemaligen Bandmitgliedern, zum Beispiel mit unserem ersten Sänger Masse Broberg und mit vielen anderen Leuten, die mit der Band zu tun haben. Wir haben Videomaterial von der allerersten Show, bei der Peter den Gesang übernommen hat und zahlreiche Bilder, die man noch nicht kennt. Außerdem ist etwa eine halbe Stunde des Materials unserer Südamerika-Tour gewidmet. Hier reist man quasi mit uns und sieht, wie viel Spaß wir auf der Bühne und Backstage haben.

Habt ihr für die Dokumentation auch Sachen von euren Fans bekommen?

Eigentlich nicht, aber das ist eine grundsätzlich gute Idee. Können wir ja dann zum 30-jährigen Jubiläum verwenden. (lacht)

Ich finde das Artwork eurer DVD verdammt genial. Wer hat es denn gemalt und was soll es symbolisieren?

Das Cover ist wirklich erst in der allerletzten Minute entstanden und ich kann dir leider nicht sagen, wer es gemalt hat. Aber als wir eben diesen Entwurf gesehen haben, waren wir begeistert. Man sieht so viele Details und Finessen.

Nachdem Peter momentan viel mit PAIN macht und auch gefühlte zig Millionen Gastauftritte einnimmt – bleibt da Zeit für HYPOCRISY Livekonzerte in naher Zukunft?

Natürlich. Peter ist permanent im Stress, aber ich finde es gut, so wie es ist. So habe ich auch Zeit um zuhause zu sein und zu entspannen und außerdem habe ich ja auch noch einen Job. Bis zur Erscheinung unseres nächsten Albums werden wir aber nicht viel touren. Beim Metalfest 2012 sind wir dabei, aber ich kann dir nicht sagen, ob es noch viel mehr werden wird. Wir wollen uns eher auf die Produktion des neuen Albums konzentrieren.

Was kannst du denn zum neuen Album verraten?

Ich habe schon sehr viele Ideen und einiges an Material zusammengesammelt. Peter ist außerdem ein Mensch, der an so verschiedenen Projekten wie HYPOCRISY oder PAIN gleichzeitig arbeiten kann, somit hat auch er schon viel Material beieinander. Ich denke, es wird ein gutes Album werden.

Wann wollt ihr das Teil herausbringen?

Kann ich noch nicht sagen, wir waren ja noch nicht mal im Studio. Aber ich denke nach den Festivals, so in Richtung Frühherbst 2012 kann man sich orientieren. Natürlich sind das jetzt nur erste wage Behauptungen.

Ihr habt mit eurem Sound unzählige Metalbands inspiriert und beeinflusst. Von welchen Bands wirst du eigentlich inspiriert?

Als ich ein Kind war, waren meine Haupteinflüsse KISS und JUDAS PRIEST. Ende der 80er Jahre kam dann der Death Metal dazu. Ich mag einfach Musik, die gut ist. Ich versuche so viele verschiedene Einflüsse wie nur möglich aufzusaugen. Inspirieren ist fast noch untertrieben, Musik ist etwas ganz Spezielles für mich. Wenn ich vom Touren nach Hause komme habe ich meistens mehr Inspirationen als sonst, denn all die Bands die mit uns spielen beeinflussen mich natürlich auch sehr stark.

Vor drei Jahren habt ihr „Catch 22“ im neuen Gewand rausgebracht. Plant ihr das auch mit anderen älteren Alben von euch?

Geplant ist nichts, aber man weiß nie was die Zukunft bringt.

Vor allem in Schweden scheint ja jeder Musiker in 100 Bands zu spielen. Du hingegen bist völlig auf HYPOCRISY fokussiert. Reizt dich nicht auch ein Sideproject oder gar eine andere Musikrichtung als Abwechslung?

Wenn ich etwas anderes machen würde, wäre es in jedem Fall Metal. Klar denke ich oft daran etwas Eigenes zu machen, aber ich habe einfach keine Zeit dafür. Ich bin viel zu beschäftigt, um mich wirklich gut darauf konzentrieren zu können. Den Gedanken gebe ich aber nicht auf, ich schiebe ihn nur weiter.


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