Interview: Thoughts Paint The Sky

Artikel-Bild

Der Fakt, das unsere Musik rockiger/poppiger geworden ist, wird bisher nur von einigen wenigen als wirklich negativ angesehen.

Erst vor kurzem kam die neue Scheibe der Jungs von THOUGHTS PAINT THE SKY heraus, welche mich persönlich ziemlich begeistert hat, auch wenn sie gar nicht zu meinem sonstigen Kram passte. Daher kam auch mein Interesse an einem Interview mit der Band.

Veröffentlicht am 11.01.2012

Danke, dass ihr euch dazu bereit erklärt habt, mit mir dieses Interview zu führen, und um einen guten Start zu haben würde ich euch erst mal bitten, THOUGHTS PAINT THE SKY dem Leser mal näher vorzustellen. Woher kommt ihr, wer seid ihr und wohin geht ihr etc.?

Hallo.
Wir sind THOUGHTS PAINT THE SKY, also Daniel, Flo und Tom aus Essen und Mario aus Köln und wir gehen immer weiter oder fahren immer weiter, wo wir auch immer spielen dürfen.

Ah, ich glaub in Essen war ich sogar mal, um meine Cousine zu besuchen. Wie ihr bestimmt schon in meinem Review zu eurer neuen Scheibe "Nicht mal mehr wir selbst" gelesen habt, bin ich doch ziemlich angetan von eurem neuen Werk. Seit wann wurde denn schon an dem Album gearbeitet und wie lange dauerte das komplette Aufnehmen der einzelnen Songs?

Freut uns sehr, dass es dir gefällt!
Also 2 Songs ("Klavier, Klavier" & "Rien ne va plus") entstanden bereits Anfang 2010, also in der Zeit, als wir durch Flo's halbjährliche Abwesenheit als Trio unterwegs waren. Die zweistimmige Gitarrenarbeit entstand aber später. Nach der Tour mit CITY LIGHT THIEF im September 2010, auf welcher wir "Rien ne va plus" auch schon live gespielt haben, haben wir uns ab November/Dezember 2010 intensiv mit dem Songwriting beschäftigt. Dieser Prozess war diesmal besonders spannend, da sehr viel erst im Proberaum von uns Vieren und nicht schon zu Hause von jemandem alleine geschrieben und arrangiert wurde. Bis April/Mai 2011 hatten wir dann alle Songs beisammen und auch die Texte wurden gerade noch fertig fürs Studio. Aufgenommen haben wir mit regelmäßigen Pausen zwecks Entspannung oder Arbeit den ganzen Juni über.

Sehr cool! Beim gemeinsamen Jammen entstehen immer bessere Sachen, da man immer schön aus dem Bauch heraus spielen kann. Meine Rezension war ja, wie gesagt, ziemlich positiv. Wie sieht es denn mit anderen Quellen aus? Kam das neue Album, trotz der etwas drastischen Stiländerung, auf die ich später noch mehr eingehen will, auch anderswo gut an?

In der Tat. Wenn jeder seine intuitiven Melodien/Beats einbringt, ist das Ergebnis auch viel schneller als sonst rund! Unsere Platte wurde bisher sehr positiv als auch recht negativ aufgenommen. Dazwischen gab es bisher nicht viel. Aber polarisieren ist ja vielleicht sogar nicht unbedingt das Schlechteste, oder? In der aktuellen Ausgabe vom OX-Fanzine zum Beispiel kommen wir äußerst gut weg, in einigen Internetrezensionen wird dagegen kaum ein gutes Haar an "Nicht mal mehr wir selbst" gelassen. Häufigster Kritikpunkt ist mein Gesang. Das war bei den vorigen Platten eigentlich auch schon so, aber diesmal dachte ich, dass der neue Stil besser ankäme, da dadurch schiefe Töne ja quasi ausgeschlossen sind. Der Fakt, das unsere Musik rockiger/poppiger geworden ist, wird bisher nur von einigen wenigen als wirklich negativ angesehen. Der Stilwechsel ist doch auch eigentlich gar nicht so drastisch, oder? Immerhin war auf "Hier spielt die Musik" von 2009 auch schon ein Song mit viel Gesang und Indie-Beats drauf ("Bis zum Geht-nicht-mehr") und 2010 haben wir unser bislang poppigstes Lied "In Anführungsstrichen" als 7" veröffentlicht. Jedenfalls sind wir auf kommende Reviews gespannt!



Ja, also das mit dem Klargesang hab ich nicht verstanden. Klar, dass Geschrei fiel weg, was ich auch extrem schade finde, da ich bei "Ein Gedicht" beim letzten Teil (ihr wisst was ich meine) Gänsehaut bekomme! Aber der klare Gesang, hört sich nicht gerade anders als früher an. Wie dem aus sei, hat das Album mich dennoch überzeugt. Da eure Texte, anders wie bei dem üblichen Zeug, das ich höre, gut verständlich sind, kamen bei mir doch oft die Fragen auf, was mit den diversen Texten überhaupt gemeint ist. Wer von euch ist denn das "Mastermind" hinter der Lyrik und wie genau kommt sie immer zustande?

Ich meinte, dass dieses Rufen, was ich auf der neuen Platte meistens mache, ja keine wirklich gesungenen Töne beinhaltet und deshalb stimmlich absolut nichts Schiefes dabei sein kann. Denn genau das wurde bei früheren Aufnahmen immer kritisiert, aber anscheinend ging es um die Klangfarbe... Wie dem auch sei: wir dachten, dass zu viel Geschrei den neuen Songs nicht so gut stehen würde und haben es deswegen dezenter und effektvoller eingesetzt. Die Texte schreibe ich (Daniel). Freut mich sehr, dass sie dir gefallen! Du meinst mit "gut verständlich" akustisch, oder?
Also die Texte entstehen meistens erst, wenn das Songgerüst schon steht. Ich versuche zunächst skizzenartig ein paar Textzeilen unterzubringen und schreibe dann oft einfach intuitiv eine ganze Menge Zeug auf, aus welchem ich schöpfen kann. Inhaltlich geht es eigentlich selten nur um ein Thema, sondern eher um den Gedankenklumpatsch, den man in der jeweiligen besungenen Situation hat. Es hängt schon alles immer irgendwie zusammen, aber oftmals durch meine eigenen Assoziationen etwas umständlich. Es sind durchweg persönliche Erlebnisse/Erinnerungen/Ansichten, die mir sehr wichtig sind. Welche Fragen kamen bei dir auf?

Ach, wenn ich jetzt nach dem Sinn diverser Textzeilen fragen würde, wäre das Interview hier Seiten lang. Also war ich mit meiner Annahme, dass die Lyrics mehr aus dem Bauch heraus entstehen, auf der richtigen Fährte. Ein anderes Thema, welches ich aufgreifen möchte, ist der Post-Rock Einfluss, in so manchen Songs des Albums. Nachdem ich in anderen Reviews darüber gelesen hatte, war es mir fast schon peinlich, dass ich diesen Einfluss nicht einmal erwähnt hatte. Im Nachhinein bemerkte ich bei jedem Durchgang wieder eine Stelle, die meiner Meinung nach über die Screamo-typische, emotionale Komponente weit hinaus reicht. War euch diese Tatsache bewusst bzw. habt ihr euch von gewissen Bands direkt inspirieren lassen, oder kam es einfach, wie es kam, sprich ungeplant?

Diese Postrock-typischen Dudel-Gitarren sind eigentlich schon bewusst. Sie bringen immer eine herrliche Atmosphäre in den Song, finde ich! Eben diese Songparts sind auch diejenigen, die meist komplett aus Jams entstanden sind. Solche Elemente sind natürlich von Bands wie EXPLOSIONS IN THE SKY oder JUNE PAIK inspiriert, aber eigentlich hat diese Phase der Postrockinspiration schon vor 2-3 Jahren stattgefunden - am besten hörbar auf unserer Platte "Hier spielt die Musik" von 2009.
Ich würde sagen, dass wir auf "Nicht mal mehr wir selbst" quasi alle kleinen musikalischen Ausflüge dieser Band mit neuen Ideen kombinieren. Man hört die poppigen Refrains von "schlicht & ergreifend.", den vertrackten Krach von "Komödie/Tragödie", die Postrock-Elemente von "Hier spielt die Musik" und neue Klänge und Beats, die insgesamt wohl recht rockig ausgefallen sind.

Jetzt wo ich reingehört habe, kann ich zustimmen, dass schon vorher Post-Rock Einflüsse vorhanden waren. Die Bands, die gerade genannt wurden, sind auch mir ein Begriff und rotieren, vor allem im Winter, wieder öfter im CD Player, hehe. So, ihr habt ja vor kurzem euren Release-Gig gehabt und der soll, meines Wissens nach, ziemlich geil gewesen sein. Erzählt doch mal ein bisschen was darüber. War es mehr ein kleiner Club mit einer Handvoll Leute usw.?

Ja, genau! Die Show war passenderweise auch am Release-Tag, dem 25.11.2011, und zwar im Café Nova in Essen - das ist angenehm heimelig und es hat uns gefreut, dass so viele Leute dort waren. Danke! Unsere Idee war "Nicht mal mehr wir selbst" in Gänze zu spielen und auf Live-Evergreens und ''Die-kann-man-doch-nicht-weglassen-Songs'' komplett zu verzichten. Das haben wir dann auch tatsächlich so umgesetzt inklusive Sample und Gastgesang von David Frings (wie auf dem Album auch). Außerdem haben wir die Songs in genau der Reihenfolge wie auf CD gespielt, was durchaus funktionierte. Lediglich den Track 12 - "Gemälde" - haben wir vom Band laufen lassen, da "Goldener Schnitt" einfach der letzte live gespielte Songs sein musste, bevor es zum Tanzen ging. Einige Songs waren ja schon länger live-erprobt, andere haben wir an dem Abend zum ersten Mal gespielt. Einige konnten sogar schon Textzeilen mitsingen - das war fantastisch! Insgesamt war es eine wunderbare einmalige Erfahrung mal alles am Stück zu spielen. Mal sehen, welche neuen Albumlieder sich nun in die Setlisten für 2012 mogeln...

Cool! Diese kleinen Konzerte sind immer noch die besten, da man sich nicht so eingeengt fühlt und somit die Atmosphäre besser rüberkommt. Via Facebook habe ich natürlich eure Stickeraktion mitbekommen, wo Fans Fotos gepostet haben, auf welchen sie Orte zeigten und groß euren Sticker mit dem Spruch „Hier sind wir nicht mal mehr wir selbst“ in die Kamera halten. Was genau hat es denn mit dieser Aussage auf sich und was wolltet ihr mit dieser Aktion bezwecken? Fanvolkszählung?

Der Spruch wurde ja dem Text des Liedes "Goldener Schnitt" entnommen und ist dort gesellschaftskritisch gemeint. Zusammengefasst geht es in dem Songtext um Folgendes: wir haben Medien, die möglicherweise abhängig machen, wir sind mobil, haben überall und jederzeit Zugriff auf alle erdenklichen Informationen, sind aber trotzdem eingesperrt, sehen die Welt mitunter nur noch durch den Bildschirm und verlieren uns selbst darin, lassen uns gar formen durch die künstliche Realität... Den Ausruf "Hier sind wir nicht mal mehr wir selbst" sollte man aus Stolz das alles ein wenig durchschaut zu haben am Besten so groß wie möglich an Wände schreiben - damit die ganze Stadt es sieht, stehen bleibt, sich wundert, sich Gedanken macht. So wird es im Song beschreiben. Wir haben diese Idee dann tatsächlich in die Tat umgesetzt und uns ein Banner mit eben diesen Worten gebastelt (8 aneinander genähte Bettlaken und eine Menge schwarzer Farbe) und an diversen Orten wie Bürohochhaus, Hotels, Einkaufszentrum, Zeche, Bahnhof aufgehängt. Photos davon gibt es online zu finden. Da auf dem Banner nicht unser Bandname steht, kann man die ganze Aktion wohl nur indirekt als Werbung betrachten, aber wir wollten einmal testen was für eine Aufmerksamkeit man durch so einen Satz erzielen kann und neben dem gewollten Verwunderungseffekt der Augenzeugen auch Neugier wecken. Passend zum ersten veröffentlichten Song des Albums machten wir somit auch den Titel des Albums publik. Die Sticker sind da die Fortsetzung des Ganzen im Taschenformat. Es war toll, dass so viele tatsächlich auch in ihrer Stadt die Botschaft verbreiten wollten.

Interessant. Als Werbung habe ich es auch nie gesehen, sondern mehr als spaßige Aktion. Doch nach dieser Erklärung kann ich mir doch ein besseres Bild davon machen, was damit bezweckt werden sollte. Ich würde noch einmal gerne auf den Post-Rock Einfluss eingehen. Gibt es da ein paar Beispiele, die ihr nennen könnt, welche euch besonders inspiriert haben? Und falls ihr derzeit privat Post-Rock hört, was sind eure Favoriten?

Ich, für meinen Teil, bin 2003 zum ersten Mal intensiv mit Postrock in Berührung gekommen, als das geniale Album "The Earth Is Not A Cold Dead Place" von EXPLOSIONS IN THE SKY rauskam. Mich hat das Gitarrenspiel sehr fasziniert und inspiriert. Mittlerweile finde ich Postrock-Elemente kombiniert mit Screamo wie bei THE BLACK HEART REBELLION, GANTZ, SUIS LA LUNE oder JUNE PAIK am interessantesten.

Dann denke ich, dass GOD IS AN ASTRONAUT auch keine Unbekannten sind (wenn doch, unbedingt reinhören!!!). Wie genau sieht es denn mit euren zukünftigen Vorhaben aus? Ich denke erst einmal stehen wieder ein paar Gigs an, oder? Bestände denn evtl mal die Möglichkeit, dass ihr nach Bayern kommt? Oder gar nach Österreich(da die Endung .AT hinter Stormbringer ja nicht ohne Grund da steht)?

Kenne ich und finde ich auch gut! Also ab April wollen wir möglichst viele Wochenenden mit Shows-Spielen verbringen - gerne überall in Deutschland und natürlich auch Österreich, wenn das irgendwie klappen sollte. Würden uns sehr freuen!

Dann ist's ja gut! So, bevor mir jetzt langsam die Fragen ausgehen, würde ich noch ganz gerne von dir (oder euch) wissen, welche Alben bzw. Bands derzeit bei euch gehört werden? Irgendwelche Empfehlungen?

Also Mario mag FEAR BEFORE THE MARCH OF FLAMES: "The Always Open Mouth" & LA DISPUTE: "Wildlife", Flo hört gerne JOHN FRUSCIANTE: "To Record Watter Only For Ten Days" & THE OFFSPRING: "Americana" und Daniel empfiehlt THE BEAUTIFUL MISTAKE: "Light A Match, For I Deserve To Burn" & RIVAL SCHOOLS: "Pedals".

Ich und hoffentlich auch ein paar Leser werden bestimmt mal reinhören! Damit wären wir beim Ende des Interviews angelangt und ich möchte euch noch einmal für euer Interesse danken. Das letzte Wort gehört euch!

Oliver, vielen lieben Dank für die wunderbaren Fragen & das Interesse! Danke an alle für's Lesen!
Wir sind gespannt auf weiteres Feedback zum Album und freuen uns 2012 vor allem darauf, die neuen Songs live spielen zu können! Bis bald.


ANZEIGE
ANZEIGE