Interview: New Metal Media - Patrick und Ron

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New Metal Media lebt von dem Gedanken ,In Metal We Are United´

Wie ist es eigentlich für beeinträchtige Menschen ein Rockkonzert zu besuchen? Der Frage wollten wir auf den Grund gehen und haben uns deswegen mit Patrick und Ron von New Metal Media unterhalten. Dabei haben wir Erfreuliches, Interessantes aber auch Schockierendes erfahren......... doch lest am besten selbst........

Veröffentlicht am 13.04.2012

Hallo Patrick! Hallo Ron! Danke, dass ihr euch die Zeit für unsere Fragen zu eurer Homepage New Metal Media nehmt. Es gibt inzwischen Online-Magazine wie Sand am Meer. Der kleine aber feine Unterschied bei euch ist, dass ihr das Thema „Metal und Behinderung“ stark in den Vordergrund rückt. Wie kam’s?

Patrick: Ja, sehr gerne. Euch hatte ich schon länger im Visier gehabt, dass wir etwas zusammen auf die Beine stellen! Bei anderen Seiten habe ich auch mal angefragt – Namen will ich keine nennen – wo nichts passierte. Nun, es begann letztes Jahr in der Februar-Ausgabe des Rock Hard Magazins, da gibt es immer ein Leserporträt, wo sich Leute vorstellen, was sie tun etc. Damals war mein jetziger Chef drinnen und er erzählte über seine Geschichte und New Metal Media. Noch am selben Tag habe ich ihn kontaktiert und seitdem bin ich mit von der Partie. Was uns wichtig ist, ist, dass bei uns nicht immer nur die großen Magazine zu Wort kommen; es ist egal, wie groß jemand ist, wir brabbeln mit jedem!

Ron: Als ich das Magazin 2010 ins Leben rief, gab es keine Seite, die beide Themen behandelt hätte. Ich habe nach Locations gesucht und nach der Möglichkeit, Konzerte zu besuchen, aber die Informationen im Netz waren doch sehr dürftig. Nach dem Start der Seite bekam ich einige Anfragen von Rollstuhlfahrern und darüber habe ich mir dann meine Gedanken gemacht. Ich selber bin seelisch behindert und mit Patrick ist jemand bei NMM, der das Körperliche gut nachvollziehen kann und mit der Hilfe von den Bands und Veranstaltern versuchen wir das Ganze abzurunden. Dabei geht es aber nicht darum, Veranstalter oder Festivals bloßzustellen, sondern eher zur Verbesserung der Lage beizutragen.

Wie sehr werden die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen auf Konzerten und Festivals beachtet? Gibt es da Neuerungen? Patrick, du überprüfst für dein Magazin ja die Barrierefreiheit von Locations, wie geht es dir dabei? Wie gehen die Veranstalter mit dem Thema um?

Patrick: Nun, außerhalb von Konzerthallen und dergleichen habe ich auch Kontakt mit diversen Festivals aufgenommen, wo die Resonanz sehr positiv ausgefallen ist. Man muss allerdings betonen, dass nicht alle Festivals gut auf so eine Situation vorbereitet sind. Aber bei der Gelegenheit möchte ich von einem kleinen Erfolg erzählen: Es gibt ein kleines Zwei-Tages-Festival mit dem Titel „Rock unter den Eichen“. Die Veranstalter boten einen gratis Transfer vom Bahnhof zum Festivalgelände für beeinträchtige Menschen an, allerdings hatten sie keine behindertengerechten Toiletten vorgesehen. Ich habe sofort mit dem Veranstalter Kontakt aufgenommen und oft mit ihm telefoniert und gesprochen. Einige Wochen später kam die gute Nachricht zurück, dass man jetzt auch behindertengerechte WCs aufstellen werde. Das macht einen dann schon stolz, dass man Leute dazu bewegt Änderungen vorzunehmen. Um zu den Clubs und Hallen zu kommen: Wir nehmen nicht nur barrierefreie Locations auf, sollten welche dabei sein, wo mal etwas nicht zutrifft, weisen wir unsere Leser darauf hin. Das erspart ihnen dann meist einen weiten Weg, sollte aus irgendwelchen Gründen die Location nicht passen. Außerdem ist zu beobachten, dass viele Hallen schon umgestellt haben oder gerade dabei sind. Das ist natürlich super zu sehen!

Ron: Grundsätzlich gilt, dass nicht jede Location und jedes Festival geeignet sind. Dies ist gerade bei kleineren Locations ein Problem. Doch wir haben das Glück, dass Betreiber uns Zusagen machen, z.B. dass sie behindertengerechte WCs installieren, eine Rampe für den Eingang anschaffen oder Sonstiges und darum geht es letztendlich; wir wollen die Konzertsituation verbessern und das gelingt uns auch meistens. Bei Veranstaltern ist es so, dass ich am Anfang ein wenig belächelt wurde für die Idee, aber nachdem das Bang Your Head und das Wacken Open Air auf der Seite waren, gab es keine größeren Probleme mehr. Die Veranstalter sprechen offen über ihr Festival und nehmen sich meistens viel Zeit, um alles mit uns zu klären. Bei Locations ist es so, dass manche einfach nicht wollen, da können wir dann nicht viel machen. Aber bei manchen ist es eine reine Geldsache, so würde schon eine kurze Rampe helfen, um Treppenstufen zu überwinden, die Stahlrampen kosten wirklich nicht die Welt. Bei Umbaumaßnahmen ist es schwierig, da meistens die baulichen Vorgaben sehr eng gesteckt sind. Nicht in jedem Club kann man etwas verbessern. Viele Locations verfügen aber schon über nötige Einrichtungen wie WCs oder ebenerdige Plätze.

Wie kann man sich als körperlich gesunder Mensch ein Konzert aus der Sicht eines körperlich eingeschränkten Menschen vorstellen? Du bist selbst gehbehindert Patrick, wie geht man mit so einer Belastung um? Inwiefern unterscheidet sich dein Leben von anderen Zeitgenossen?

Patrick: Es kommt auf die Behinderung der Person an. Ich nehme hier mich als Beispiel. Mir sieht man meine Gehbehinderung nicht immer an, außer man achtet wirklich darauf. Für mich ist es nicht gerade leicht, sich durch ein Publikum zu schlängeln oder wenn überraschend ein Pit losgeht, wäre ich ziemlich aufgeschmissen bzw. umgeschmissen (grinst). Mein Problem ist, dass mein linkes Bein / meine linke Körperhälfte nicht die Kraft wie meine rechte Körperhälfte hat. Dazu kommt noch eine Spastik, wodurch bei Überlastung dann das andere Bein unbewusst / automatisch mehr machen muss. Das ewige Stehen auf Konzerten verlangt meinem Körper einiges ab oder macht es mir manchmal unmöglich, ein Konzert zu besuchen. Wie sich mein Leben von anderen unterscheidet? Nun ich kann nicht das, was eigentlich als junger Mensch selbstverständlich sein sollte. Auto / Fahrrad fahren, normal laufen, geschweige denn rennen. Ich habe mich mal mit Leuten darüber unterhalten, die meinten, dass sie in meiner Situation den einfachen Weg des Suizids gewählt hätten. Also wenn das keine Motivation zum Weitermachen ist, dann weiß ich auch nicht. So richtig damit umgehen kann man wirklich nicht. Es gibt Tage, da ist es einfach so und ich lebe mein Leben so gut es geht und dann gibt es allerdings Zeiten, wo man mich besser in Frieden lässt. Mir hilft viel der Galgenhumor / Sarkasmus über meine Situation hinweg, sonst würde alles eine solche Schwere erreichen, dass man einfach unter dieser zusammenbricht.

Ich habe es schon selber des Öfteren auf Konzerten erlebt, dass geistig oder körperlich eingeschränkte Konzertbesucher manchmal mit etwas anderen Augen gesehen werden. Mir kommt es manchmal so vor, dass alle zu übervorsichtig agieren und demjenigen erst wieder das Gefühl geben, dass er „anders“ ist als andere. Wie sieht´s da mit der Toleranz innerhalb der Szene aus? Gibt es da Unterschiede? Ich meine, wir alle sollten uns mal bewusst machen, dass viele Bands von Tod, Gewalt, Krieg und Dingen singen, die grenzwertig sind. Was ist deine / eure Meinung zu dem Thema?

Patrick: Man sollte nicht alle auf eine Stufe stellen. Es gibt schon Vollidioten auf Konzerten und ich hatte schon echt miese Erfahrungen in Bezug auf meine Arbeit. Die kamen in Form von dummen Kommentaren oder teilweise extreme Ansichten, dass Behinderte das „Allerletzte“ seien oder dass Behinderte so viele Vorteile bekämen, dass sie es dann auch nicht anders verdient hätten als behindert zu sein. Auf der Gegenseite habe ich auch schon viele schöne Erfahrungen gemacht, zum Beispiel wo mir die Treppen runtergeholfen wurde. Solche Momente sind für mich schon viel wert. Was die Bands angeht, haben die meist vollstes Verständnis für unsere Situation. Interessanterweise sind die Bands, die meist die brutalsten Texte haben, die freundlichsten Menschen, gar Familienväter. Es gibt ja auch Bands, die völlig gewaltfreie Thematiken in ihrer Musik haben, aber deren Charakter du gepflegt in die Tonne treten kannst.

Ron: Die Situation hat sich erheblich verbessert, vor zehn Jahren wurden Behinderte auf Konzerten noch angepöbelt, mittlerweile hat man sich daran gewöhnt, dass auch gehandicapte Personen Konzerte und Festivals besuchen. Natürlich kommt es immer mal wieder vor, dass „normale“ Besucher sich gestört fühlen, da muss man aber drüber stehen. Die meisten Bands haben keine Berührungsängste, für sie sind das Fans wie jeder andere. Ich habe jede Menge Unterstützung erfahren von namhaften Bands und auch von Newcomern und alle gehen mit dem Thema locker um. Behinderte sollten auf jeden Fall ganz normal behandelt werden, da sie ja keine anderen Menschen sind, sondern nur andere Bedürfnisse haben.

Wie man auf eurer Homepage nachlesen kann, habt ihr euch schon mit der einen oder anderen größeren Band aus der Szene unterhalten. Wie stehen diese zu der Thematik? Habt ihr da vielleicht die eine oder andere gute Anekdote für uns?

Patrick: Klar da habe ich was für euch:

Tom Angelripper von SODOM: „Das sind Fans, die gehören dazu, du bist auch einer, die kann man nicht einfach außen vor lassen.“

M. Roth von EISREGEN: „Also Behinderung ist für den Betroffenen immer das, was er daraus macht, und ich finde das auch sehr positiv, wenn man sich nicht zu sehr einschränken lässt von seiner Behinderung und immer noch versucht da etwas Positives für sich selbst zu finden.“

Ron: Also die Thematik wird überwiegend gut angenommen, natürlich kommen auch Ausrutscher vor, aber nichts Gravierendes mehr. Die erste Band, mit der ich gesprochen habe über das Thema, waren HELLOWEEN auf einem Gig in Berlin und die Band hat mich ermuntert, etwas zu tun. Wir werden von vielen Bands unterstützt und viele Bands nehmen sich Zeit für uns. Eigentlich sind es viel zu viele, um sich bei allen persönlich zu bedanken. Wichtige Leute für mich sind Tom Angelripper, Tobias Sammet, Peppi Dominik, Pfisty von ABSORB, Christian von PORTA INFERI und viele mehr. All diese Musiker haben immer zu mir gehalten und mich immer unterstützt.

Wie sieht’s mit eurer Seite aus? Wird die Seite gut angenommen und kommen Menschen ohne Nachfragen auch auf euch zu? Man kann auf eurer Site auch spenden, was passiert mit dem Geld?

Patrick: Das Thema Behinderung in Bezug mit Metal ist wirklich gefragt und es ist längst überfällig, dass man da was ändert. Ich denke, das gelingt meinem Chef Ron ganz gut. Dieser bekommt am Tag so an die 100 Mails und noch mehr, außerdem leistet er ungemein viel, um unsere Leserschaft immer mit den neuesten News und dergleichen zu versorgen. Und das ist echt nicht einfach bei seiner Krankheit. Die Spenden, die über unsere Homepage reinkommen, wollen wir für ein kleines Festival hernehmen, wo wir drei bis fünf Bands spielen lassen. Ist noch alles im Entstehen, aber ich denke, das könnte eine klasse Geschichte werden!

Ron: Ja, mittlerweile tut sich da immer mehr, gerade Bands wollen auf www.new-metal-media.de vertreten sein. Ich bin dankbar für jede Unterstützung, so bekam ich vor kurzem eine kleine Seo-Schulung und ein wenig Programmierunterricht, damit ich die Seite auf den neusten Stand bringen kann. Also mit dem Spenden, das ist so eine Sache, bisher ist da nicht viel zusammen gekommen. Es sind oftmals eher Sachspenden. Gedacht war das Ganze, um ein Festival auf die Beine zu stellen für behinderte und nicht behinderte Rock- und Metalfans, das Ganze sollte dann für einen guten Zweck sein. Teile wollte ich auch in die Förderung von Bands stecken. Aber wie gesagt, es sieht da eher mau aus, ich hoffe, dass da irgendwann der Durchbruch kommt. Von Spenden habe ich selber nichts, da ich mich für meine Arbeit nicht selber bezahle.

Wie kann man euch sonst noch unterstützen außer mit Spenden und Mundpropaganda?!

Patrick: Nun, was wir wirklich bräuchten für die englische Version unserer Page, wären zuverlässige Leute, die uns Reviews / Interviews / Konzert- und Festivalberichte übersetzen. Das wäre uns schon eine große Hilfe, was dieses Thema angeht, hatten wir oft nur Pech und Ärger.

Ron: New Metal Media lebt von dem Gedanken „In Metal We Are United“. Ich freue mich über Mails, die ich erhalte, mit Tipps zu Festivals und Locations, wer also ein Konzert besucht und feststellt, das war besonders gut und die Halle hat ihm gefallen, einfach eine Mail an uns und wir sehen zu, die Halle bei uns aufzunehmen, das Ganze gilt auch fürs Gegenteil. Denn wie alle Magazine benötigen wir immer Bands, es dürfen sich alle Bands gerne melden, da wir vom Newcomer bis zum alten Hasen alles dabei haben wollen. Bei uns seid ihr gerne gesehen.

Danke für das Interview, die letzten Worte gehören euch!

Patrick: Ich danke dir für die Fragen und deine Unterstützung. Dank auch natürlich an unsere treuen BesucherInnen, Freunde, Bands, Veranstalter, die uns unterstützen. Und beste Grüße an die österreichische Metal-Gemeinde. Schaut einfach mal bei uns vorbei, es ist für jeden Geschmack was dabei.

Ron: Danke für die großartige Chance in eurem Magazin mal etwas machen zu dürfen. An alle Freunde, Unterstützer und Bands: Wir danken euch! – In Metal We Are United –


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