Interview: VILE - Colin Davis

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Ja, es gab tatsächlich Zeiten, wo ich die Band begraben wollte.

Die amerikanischen Brutal-Death von VILE sind schon lange in der Szene, ohne richtig durchgestart zu haben. Bandgründer und Gitarrist Colin Davis unterhielt sich mit uns über die neue Compilation "Rare Tracks", den zwischenzeitlichen Wunsch aufzuhören und den umstrittenen Stilwechsel auf dem Album "Metamorphosis".

Veröffentlicht am 05.02.2013

Hey Colin. Danke, dass du dir für uns die Zeit genommen hast. Ihr habt soeben die Compilation "Rare Tracks" auf den Markt geschmissen, wo sich eure Fans durch eure alten Demotage wühlen können. Aus welchem Grund habt ihr das alte Zeug jetzt noch mal veröffentlicht?

Hammerheart Records, unsere europäische Labelaußenstelle, hat mich gefragt, ob sie die Demos nicht als spezielle Veröffentlichung herausbringen könnten. Ich habe all meine alten Aufnahmen und Demosongs gespeichert, weil ich ja Toningenieur bin. Ich habe immer schon gewusst, dass ich das Zeug einmal wieder an das Licht der Öffentlichkeit bringen werden und siehe da - es ist jetzt passiert, haha.

Es sind auch vier Livesongs zu hören. Kannst du dich noch erinnern, von welchem Konzert sie stammen?

Klar. Das war in der Maritime Hall in San Francisco, März 1999.

Deine Band VILE wird eigentlich immer in einen Topf mit CANNIBAL CORPSE und MONSTROSITY geworfen. Kannst du das nachvollziehen oder siehst du deine Band doch ganz woanders verortet?

Das erste Album "Stench Of The Deseased" (1999) war definitiv davon beeinflusst, aber ich würde schon sagen, dass wir unseren Sound über die Jahre gewaltig verändert haben. Natürlich war unser Sound immer an den Florida-Death-Metal-Bands angelehnt, aber andererseits würde ich schon behaupten, dass wir in vielen Bereichen sehr unterschiedlich und eigen klingen. Wenn es eine Florida-Death-Metal-Band gibt, die mich wirklich massiv beeinflusst hat, dann war das definitiv MORBID ANGEL.

Vor zwei Jahren habt ihr das Studioalbum "Metamorphosis" veröffentlicht und seid von der Brutal-Death-Metal-Ecke in wesentlich melodischere Gefilde abgedriftet. Damit waren nicht wirklich alle Fans von euch glücklich. Aus welchem Grund seid ihr von eurer Basisformel abgerückt? Wie siehst du den Wechsel im Nachhinein?

Die Reaktionen waren geteilt. Ungefähr die Hälfte der Leute war mit dem Album wirklich zufrieden, die anderen präferieren eher unser altes Zeug. Ich würde jetzt nicht sagen, dass die Veränderungen zu den alten Alben so bahnbrechend waren, aber natürlich merkt man gewisse Sachen schon deutlich. Ich wollte nicht, dass dieses Album gleich wie die anderen von uns klingt, habe etwas mehr Melodie reingebracht, öfters das Tempo variiert und einfach neue Einflüsse integriert. Als Songwriter muss es für mich spannend bleiben. Meine Songs müssen frisch bleiben, sonst werde ich ja gelangweilt. Diese Veränderungen habe ich nur für mich gemacht - für niemand anderen! Das machen ja auch die meisten Musiker so. Es sollte ohnehin mehr Abwechslung im Leben geben.

Über die Jahre hinweg gesehen hat sich das VILE-Line-Up des Öfteren gewaltig gedreht, die einzige Konstante bist und bleibst du. Denkt man da zwischendurch auch mal ans Aufhören? Hast du da schon ganz schlimme Phasen durchlebt?

Ja, es gab tatsächlich Zeiten, wo ich die Band begraben wollte. Doch niemals wollte ich die Musik aus meinem Leben eliminieren. Solange ich harte und schwere Musik machen will, sollte ich auch mit VILE weitermachen. Ehrlich gesagt ist die ganze Bandgeschichte eine sehr harte. Mit VILE ist schon vom ersten Tag an alles sehr schwierig und langsam vor sich gegangen. Ironischerweise ist es zurzeit am Allerleichtesten für die Band, denn es gibt mehr Gitarren-Frickler und Death-Metal-Musiker denn je zuvor. Meine derzeitigen Jungs in der Band sind wahnsinnig lustig und angenehm im Umgang.

Einige deiner Alben hast du ja komplett aus deiner eigenen Tasche finanziert. Wie viel Zeit ist vonnöten, um die Flamme von VILE am Brennen zu halten und wie geht sich das mit normalen Day-Jobs aus?

Well, das ist auch der Grund, warum bis zum "Metamorphosis"-Release sechs Jahre ins Land gezogen sind. Ich führe Imperial Mastering, Shadowork Recording und ein kleines Geschäft, wo ich Rechtsforschung betreibe. Außerdem habe ich noch eigene Fächer und Studienrichtungen, die mich beschäftigt halten. Die Band ist also ein wichtiger Teil meines Lebens, aber mit Sicherheit nicht der einzige. Ich brauch auch die Abwechslung und die Möglichkeit, in verschiedenen Bereichen zu arbeiten.

Zwischen 2005 und 2011 gab es von euch als Lebenszeichen nur die Single "Wolf At Your Door". War das einfach eine lange Pause oder habt ihr den Laden zwischendurch unbemerkt geschlossen?

Etwa zwei Jahre lang habe ich mich kaum mit Metal und Songschreiben befasst, weil ich meinen Kopf von diversen Dingen freikriegen musste. Ich wusste auch schon damals, dass ich die musikalische Ausrichtung verändern möchte und habe es eben nur auf diesen einen Song geschafft. Nebenbei habe ich ein komplettes Album mit Musik komponiert, aber das war so experimentell, dass ich es nie veröffentlicht habe. 2007 habe ich dann richtig zu schreiben begonnen und das Material bis Ende 2008 fertiggestellt. Im Jänner 2009 haben wir die Drums aufgenommen und gleich darauf den Rest - die restlichen zwei Jahre habe ich für den Mix des Albums gebraucht.

Colin, ich möchte auch mit dir gerne einen kleinen Karriererückblick auf die vier VILE-Studioalben machen. Erzähl uns einfach, was dir dazu einfällt:

"Stench Of The Deceased" (1999):

Das Album haben alle damaligen Bandmitglieder zusammen geschrieben. Unser damaliger Gitarrist, Jim Tkacz, hat alle CANNIBAL-CORPSE-Riffs in unseren Sound eingebaut. Mike Hamilton hat damals die Drums gespielt und der Sound auf dem Album war im Vergleich zu den anderen etwas langsamer und grooviger. Mehr Back-Beat, wenn du so willst.

"Depopulate" (2002):

Beim Songwriting zu diesem Album haben wir sehr viel HATE ETERNAL und noch schnelleres Zeug gehört. Unser damaliger Drummer, Tyson Jupin, wollte jedenfalls einen viel brutaleren und schnelleren Sound für uns haben. Wir haben die meisten Songs in seiner Garage in San Diego geschrieben, aber sie sind dann ziemlich langsam geraten. Als es dann wirklich zum Aufnahmeprozess kam, wollte er unbedingt mehr Punch und Geschwindigkeit in die Sache bringen - wir haben ihm auch alle zugestimmt. Das Album war damals also wesentlich schneller und aggressiver als das erste.

"The New Age Of Chaos" (2005):

Für dieses Album habe ich die Songs ganz alleine in meinem Studio geschrieben. Zuvor habe ich die Songs immer mit meinem Schlagzeuger geschrieben, aber Tyson so weit weg, dass ich Darren Cesca als Hilfe angeheuert habe, denn er ist ein großartiger Programmierer von MIDI-Drums. Ich habe ihm einfach die Songs mit den Gitarren und Click-Tracks geschickt und er hat das Schlagzeug dazu programmiert. Als es dann zur Aufnahme kam, hat Tyson Sachen die ihn störten einfach rausgeworfen und durch eigene Vorlieben und Ideen ersetzt. Ich war damals bereits ein wesentlich besserer Aufnahmetechniker und würde behaupten, dass es immer noch unser am besten klingendes Album ist.

"Metamorphosis" (2011):

Auch das Album habe ich alleine geschrieben, diesmal sogar mit allen Lyrics. Ich habe auch das Schlagzeug selber programmiert, weil die Aufnahmemethoden einfach moderner und einfach zu bearbeiten sind als früher. Sänger Mike Hrubovcak und ich haben uns darüber unterhalten, wie wir die Vocals verständlicher machen können. Bei den Gesangsaufnahmen hat er sich wirklich bemüht, alle Wörter so klar wie möglich zu shouten. Ich finde, er hat das großartig gemacht. Die Vocals sind hier so perfekt. Auf diesem Album war auch wirklich alles ein Teil eines Konzepts; dementsprechend lange habe ich auch an Artwork, Lyrics und Musik gefeilt, um ein großes Ganzes zu erschaffen. Übrigens dreht sich das Album um menschliche und planetare Entwicklungen, Revolutionen und die Wiedergeburt aus der spirituellen und soziologischen Sichtweise.

Im Herbst 2012 habt ihr Europa auf einer Tour durchgepflügt. Werdet ihr in näherer Zukunft wieder für reihenweise Genickschäden in unseren Breitengraden sorgen?

Natürlich. Wir lieben es in Europa zu spielen und können die nächste Tour kaum mehr erwarten. 2013 werden wir wahrscheinlich hauptsächlich auf Festivals in den USA unterwegs sein, aber sobald Angebote aus Europa oder Südamerika bei uns hereinflattern, werden wir unsere Koffer packen. Ich werde auch ein paar neue Songs schreiben, die wir dann live spielen können. Zurzeit ist es mir sehr wichtig, dass wir einfach wieder regelmäßig auftreten und VILE sich in der Szene wieder zurückmeldet.

Willst du deinen österreichischen Fans noch was auf den Weg geben?

Danke für den kurzen Talk und auch danke an euch alle da draußen. Wir hatten in Österreich immer richtig fette Shows und freuen uns schon sehr, 2013 oder spätestens 2014 wieder bei euch aufzutreten. Wenn ihr mit uns Kontakt aufnehmen wollt, dann besucht einfach eine der folgenden Webseiten. Cheers!

www.vilemetal.com
www.facebook.com/thenewvile
www.facebook.com/vilemetal
www.imperialmastering.com
www.shadoworkrecording.com


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