Interview: Sieges Even - Markus Steffen

Artikel-Bild

‚Progressive‘ bedeutet für mich in erster Linie Veränderung.

Sieges Even kommen im Oktober erstmals nach Wien. Mit im Gepäck: das neue Album PARAMOUNT. Wir haben Sieges Even Gitarristen Markus Steffen zum neuen Album und zu dem, was die Zuschauer auf der kommenden Tour erwarten dürfen, befragt.

Text: ag
Veröffentlicht am 10.09.2007

Gratuliere zum neuen Album Paramount. Kannst du uns ein bisschen was über die einzelnen Songs und deren Inhalte sagen.

Vielen Dank. Im Gegensatz zu unserer letzten CD ‚The Art Of Navigating by The Stars‘ gibt es auf ‚Paramount‘ kein durchgängiges Konzept. Allerdings handeln mehrere Tracks von den großen und kleinen, von den guten und den bösen Träumen der Menschheit. Das Titelstück handelt z.B. vordergründig vom Traum der Menschheit (haben wirklich alle davon geträumt?), einen Mann auf den Mond zu schicken. In der zweiten Strophe wird allerdings eine andere Perspektive eröffnet: Ein Individuum, das einen Gipfel erreichen will, einen blinden Fleck auf der Landkarte, ein einsames Glück in einer Wüste aus Eis. Insgesamt war es unsere Absicht, die Songs sowohl inhaltlich als auch musikalisch untereinander abwechslungsreicher zu gestalten – jedes Stück quasi ein Individuum. Stücke wie ‚Tidal‘ oder ‚Leftovers‘ sind eher persönlicher Natur (was die Texte angeht), ‚Iconic‘ oder auch ‚Bridge To The Divine‘ dagegen ‚globaler‘ und direkter.

Welche Musik hörst Du selbst gerade und beeinflusst sie Dein Songwriting?

Ich höre momentan ‚quer durch den Garten‘: die neue Dream Theater gefällt mir sehr gut. Sehr stark finde ich auch ein schon älteres Album des Südamerikaners Gustavo Santaolalla (reine Instrumentalmusik, die man vielleicht aus Filmen wie ‚21 Gram‘ oder ‚The Insider‘ kennt). Die neue Porcupine Tree ist auch sehr gelungen. Allerdings lasse ich mich heutzutage nicht mehr sehr von anderer Musik beeinflussen. Jeder von uns Vieren versucht aus seinem persönlichen kreativen Fundus zu schöpfen. Aber natürlich kannst Du schon von anderen lernen, z.B. was produktionstechnisch gerade en vogue ist. Da sollte man aufgeschlossen sein.

Wie komponieren Sieges Even und welchen Stellenwert haben die Lyrics?

Grundsätzlich gibt es kein Rezept für einen Sieges Even-Song. Da wir räumlich recht weit auseinander wohnen – Oliver in Hamburg, Alex in München, Arno in Rotterdam und ich in Wien – machen wir uns das Internet im mehr zu Nutze: Wir mailen uns Ideen, treffen uns dann in München, um die neuen Sachen gemeinsam auszuarbeiten. Arno bekommt dann von uns das Rohmaterial für seine Gesangarrangements geliefert. Ein sehr entspanntes und zeitsparendes Arbeiten. ‚Navigating‘ entstand dagegen noch vollkommen traditionell: Drei Musiker, die Proberaum jammen und arrangieren. Die Lyrics waren uns immer wichtig. Da wir auf ‚Paramount‘ auch in dieser Hinsicht abwechslungsreicher sein wollten, haben auch Alex und Oliver einige Texte beigesteuert.

Jeder von euch ist auch stark in andere musikalische Projekte verwickelt. Wie viel Zeit und Engagement bleibt da für Sieges Even?

Genug, wie ich denke. Es alles eine Frage guter Planung. Natürlich gibt es hier oder da Koordinationsprobleme, aber für jedes Bandmitglied hat Sieges Even 100%-ige Priorität.

‚The art of…’ wurde von Fans und Presse extrem gut aufgenommen. War es schwierig mit den hohen Erwartungen an ein neues Album umzugehen?

Darüber machen wir uns eigentlich keine Gedanken. Natürlich: Du hast die guten Reviews und die Verkaufszahlen schon irgendwo im Hinterkopf, aber letztlich musst du dich davon frei machen, sonst stagnierst und blockierst du. Nach ‚Navigating‘ war uns klar, dass wir mit ‚Paramount‘ etwas anderes versuchen wollen. Unser Anspruch geht dahin, uns immer zu verändern, immer unberechenbar zu bleiben. Als Musiker solltest Du allein deinem Instinkt und deiner Intuition folgen; ich glaube, nur dann kannst du etwas schaffen, dass auch für den Hörer aufregend und inspirierend sein kann.

Das neue Album wirkt Soundmässig moderner und streckenweise härter. Welchen Einfluss hatte Euer Produzent?

Kristian hatte natürlich, wie sich das für einen anständigen Ko-Produzenten gehört, großen Einfluss auf das Sounddesign. Ich persönlich finde, dass uns und ihm mit ‚Paramount‘ die produktionstechnisch beste Sieges Even-CD gelungen ist. Mir persönlich gefällt die differenzierte und dennoch kraftvoll-moderne Produktion jedenfalls ausgesprochen gut. Er hat sich wirklich sehr gut eingebracht und sofort verstanden, was wir wollten. Auch was die Implementierung von Samples und Synthesizer anging, lagen wir vollkommen auf einer Wellenlänge. Wirklich wunderbar.

Wie viel bedeutet Dir/Euch das Wort ‚Progressive’? Welche Bedeutung hat es im Selbstverständnis von Sieges Even?

‚Progressive‘ bedeutet für mich in erster Linie Veränderung. D.h. auch, Gebiete auszuloten, die vielleicht nicht unbedingt viel mit dem Prog-Genre zu tun haben; ich denke da an diverse AOR-Einflüsse (z.B. in Eyes Wide Open) und dergleichen. Wir sind uns durchaus bewusst, dass einige von uns noch immer vordergründig komplexe Musik erwarten, durchsetzt mit vielen Läufen und ungeraden Takten. Diese Dinge sind noch immer irgendwo präsent, nur eben nicht mehr vordergründig. Unser Interesse liegt heutzutage eher am Song selbst, seiner Struktur, seiner Aussage. Ich fände es ausgesprochen langweilig, hätten wir versucht, ein zweites ‚Navigating‘ oder gar ‚Steps‘ zu komponieren. Diese Dinge haben wir gesagt, warum sie also ein zweites Mal sagen?

Wo siehst Du Dich und Sieges Even in 5 Jahren?

Wir wollen kontinuierlich am weiteren Aufbau der Band arbeiten. Für viele, die uns erst mit ‚Navigating‘ kennen gelernt haben, sind wir eine Newcomer-Band, die sich noch etablieren muss. Man kann aber spüren, dass etwas vorwärts geht. Um konkret zu werden: Es wäre wunderbar, wenn wir es bald einmal in das Vorprogramm einer größeren Band kommen könnten, um uns und unsere Musik einem größeren Publikum vorzustellen. Wir sind auf jeden Fall hungrig wie nie zuvor – ich glaube, dass sind die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft.

Wie wichtig sind Euch die Bühne und Live-Spielen?

Wir sehen uns in erster Linie als Live-Band. Natürlich lieben wir auch die Studioarbeit und das Songwriting, aber richtig lebendig werden die Stücke erst auf der Bühne; übrigens auch unsere ganz alten Songs, die wir immer wieder neu erfinden müssen, um sie zum klingen zu bringen. Insofern sehen wir auch das alte Material noch immer als ‚work in progress‘, dass auch durch Arnos Hinzukommen ein ganz neues Gesicht bekommen hat.

Einige Eurer älteren Alben werden neu aufgelegt. Wie stehst Du zu Alben und Songs die Mittlerweile über 15 Jahre auf dem Buckel haben?

Wir sind immer noch sehr stolz auf unsere alten Alben. Natürlich: Im Grund waren wir eine andere Band, aber ich kann immer noch denselben Geist in den alten Stücken spüren, der uns auch heute noch antreibt. Dieser Gedanke spiegelt sich übrigens in den Lyrics von ‚Duende‘ wieder. Ich könnte Dir jetzt einen langweiligen Vortrag darüber halten, was wir heute anders gemacht hätten, aber ich halte das für sinnlos, da wir die Dinge ja anders machen. Wir können sie nur deshalb anders machen, weil wir mit unseren alten Stücken Erfahrungen sammeln konnten, auf die wir nun zurückgreifen und auf denen wir aufbauen können.

Wie setzt Ihr die komplexen Arrangements live um?

Grundsätzlich sind live und Studio zwei verschiedene Welten. Einige Samples werden wir eventuell vom Band kommen lassen, aber wir haben die Songs schon so geschrieben, dass sie auch live funktionieren werden. Wir können es kaum erwarten das neue Material auf der Bühne zu erproben.

Am 13. Oktober seid Ihr in Wien zusammen mit conXious im Reigen zu sehen. Warum sollten die Wiener Prog-Fans diesen Gig keines Falls verpassen?

Weil sie zu einem anständigen Preis ein gutes Prog-Package zu hören bekommen werden. Überdies haben wir noch nie in Österreich gespielt; sie werden somit Zeuge einer Weltpremiere


ANZEIGE
ANZEIGE