Interview: TRISTANIA - Tarald Lie Jr.

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Also für mich bedeutet kommerziell alles und nichts.

Im Rahmen der erfolgreichen Tour mit DARK TRANQUILLITY hatten wir die Möglichkeit, TRISTANIA zum neuen Album "Darkest White", zur aktuellen Sängerin und zum Vorwurf der Kommerzialisierung auszuquetschen.

Text: bernsen
Veröffentlicht am 17.01.2014

Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Ich weiß das sehr zu schätzen!
Gratulation zu „Darkest White“! Mich hat die Scheibe wirklich begeistert. Hast du ein Lieblingslied darauf und wenn ja, was macht es so besonders?

Danke dir vielmals. Sehr schön, dass dir das Album gefällt! Ich mag alle Songs auf der Platte, jeden auf seine eigene Art und Weise. Wie auch immer, der Track der mir derzeit am meisten bedeutet ist der Opener „Number“. Er vereint einfach alles, was die Band ausmacht: Grandiose Brutalität verschmilzt mit melodischer Finesse. Bei sämtlichen Gigs im letzten Jahr haben wir unsere Show mit „Number“ gestartet.

Was sind deiner Meinung nach die maßgeblichen Unterschiede zwischen „Darkest White“ und dem Vorgängeralbum „Rubicon“?

Klanglich und vom Kompositorischen her, bedeutet „Darkest White“ für uns einen großer Schritt nach vorne. Ich habe „Rubicon“ sehr lieb gewonnen, aber diesmal haben wir viel fokussierter gearbeitet als vor drei Jahren. Auf dem neuen Album bewegen wir uns in einer dunkleren Soundlandschaft, sowohl musikalisch als auch textlich. Der emotionale Spannungsbogen zwischen und auch in den Songs ist weitläufiger als zuvor und reicht von höchst brutaler Aggression bis zu den zerbrechlichsten Momenten. Unser Markenzeichen sind nach wie vor große Arrangements, düstere Stimmung und sauber ausgearbeitete Harmonien versetzt mit intensiven Growls. Diesmal jedoch feiner eingesetzt. Die Scheibe wurde von Christer André Cederberg (ANATHEMA, CIRCUS MAXIMUS), einem extrem talentierten Musik-Visionär, produziert. Sein Ziel war es, auf „Darkest White“ aus jedem Bandmitglied das vollkommene Potential heraus zu kitzeln, um Ausstrahlung und Live-Energie von TRISTANIA auf CD zu bannen. Es ging ihm darum, einen härteren, organischeren, detaillierteren und verfeinerten, trotzdem aber dreckigeren und extremeren Sound als auf „Rubicon“ zu schaffen. Wenn es darum geht, die absolut beste Leistung aus jedem einzelnen, ganz speziell den Vokalisten, heraus zu holen, ist er ein wahrer Meister. Und das kann man auf dem Album hören. Wir alle sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

Mary hat eine großartige Stimme und ist für mich die perfekte Sängerin für TRISTANIA. Aber natürlich klingt sie völlig anders als Vibeke. Warum habt ihr ausgerechnet sie ausgesucht?

Mariangela wurde in die Band geholt WEIL sie völlig anders singt als Vibeke und weil sie eine großartige Sängerin und Performerin in ihrer eigenen Art und Weise ist. Wir wollten keine typische Sopranistin an Bord holen, nur um die Lücke zu füllen, die Vibeke hinterlassen hat. Wir wollten unsere Bandbreite erweitern und dafür ist Mary die perfekte Wahl gewesen.

Einar Moen ist der einzige, der von TRISTANIAs Urbesetzung übrig ist. Inwieweit wirkt sich das auf das Songwriting aus?

Anders ist ebenfalls schon seit der ersten Veröffentlichung in der Band, also haben wir noch zwei Originalmitglieder bei TRISTANIA. Diese beiden sind seit Bestehen der Band die Hauptsongwriter, folglich ist der kreative Kern der Gruppe über all die Jahre mehr oder weniger intakt geblieben. Bei der Arbeit an den letzen beiden Alben ist Einar ein bisschen kürzer getreten. Das lag aber hauptsächlich daran, dass er auch mit anderen Dingen beschäftigt war. Natürlich sind in den letzten Jahren noch ein paar weitere kreative Quellen zu uns gestoßen. Das hat es leichter gemacht, den tristanischen Horizont zu erweitern. Jeder ist voll engagiert und bringt so viele Ideen wie möglich mit. Für dieses Album übernahm Ole die Hauptverantwortung und bewies dabei seine Produktivität beim Erstellen beinahe kompletter musikalischer Ideen. Er komponierte die Akkordstrukturen, ein paar Gesangslinien und die Arrangements für einen Großteil der Songs. Der Rest von uns unterstütze ihn mit Texten, Gesangsmelodien und anderen Vorschlägen, wenn etwas nicht perfekt passte, aber Ole’s Arbeit war sehr wichtig für „Darkest White“.

Viele der alten TRISTANIA-Fans stehen euren neueren Werken sehr kritisch gegenüber und werfen euch Kommerz und Ausverkauf vor. Wie denkst du darüber?

Ich halte es für einen natürlichen Prozess, wenn eine Band experimentiert so wie wir es tun. Manche Leute machen dabei mit, andere eben nicht und dafür kann man sie nicht verurteilen. Es ist wohl einfach Geschmackssache. Wir fordern uns gerne selbst dazu heraus, nicht nach fertigen Formeln oder Genre-Regeln zu arbeiten. Manche der neueren Nummern können durchaus als kommerziell klingend angesehen werden, andere wiederum definitiv nicht. Wir versuchen die bestmöglichen Songs abzuliefern. Für mich klingt zum Beispiel „My Lost Lenore“ vom ersten Album sehr kommerziell. Dieses Lied wird aber von den üblichen Kritikern gemocht. Also für mich bedeutet kommerziell alles und nichts.

Wie zufrieden wart ihr mit der Tour? Wie hat das Publikum auf euch reagiert?

Die Tour war einfach großartig für uns. Wir haben über einen Monat jede Nacht in vollen Häusern gespielt und wurden vom Publikum und allen anderen toll behandelt. DARK TRANQUILLITY und ihre Crew sind ein Haufen wundervoller Menschen und haben uns täglich zum Lachen gebracht. Wir würden in Zukunft sehr gerne wieder mit ihnen touren.

Gab es irgendwelche nennenswerten Höhen und Tiefen auf Tour, von denen du erzählen möchtest?

Es war ein Highlight für uns, unsere Songs Leuten präsentieren zu dürfen, die uns noch nicht kannten und für ein Publikum zu spielen, dem das Material und die Band bereits vertraut war. Es ist eine wunderbare Erfahrung, jeden Abend das Publikum zu begeistern. Der schlimmste Teil der Tour war der Abschied beim letzten Konzert in Essen.

Wie würdest du TRISTANIAs Musik jemandem beschreiben, der noch nie von euch gehört hat?

TRISTANIA spielen vielseitige, harte, aggressive und hochmelodische Gothic-lastige Musik, mit facettenreichem Gesang. Dieser reicht von aufwendigen Harmonien bis zu schrecklichen Growls. Der nächste Schritt war bei uns immer schon unvorhersehbar. Alle Alben sind für die Band immer Reisen zu unentdeckten Territorien. Trotzdem versuchen wir unsere Identität zu wahren. Die Musik muss aus dem Herzen kommen, das ist unsere Essenz.

Ein paar letzte Worte an unsere Leser?

Holt euch unbedingt das neue Album! Wir können es kaum erwarten, euch da draußen zu sehen - im Publikum!

Nochmals vielen Dank für deine Zeit!

Danke dir Bernsen! Have a good one!


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