Interview: Sonata Arctica - Tony Kakko

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Zerlege die Vergangenheit, um die Zukunft zu kreieren!

"Pariahs Child", das achte Album aus dem Hause SONATA ARCTICA ist da! Wir haben mit Tony Kakko, dem Mastermind der Band, über den Entstehungsprozess des Albums gesprochen und warum die Jungs mit dem "ausgestoßenen Wolf" wieder zurückkehren zu ihren Wurzeln.

Text: mat
Veröffentlicht am 17.03.2014

Lieber Tony, zuallererst möchte ich mich für deine Zeit bedanken und dich fragen, wie es dir geht? Wie läuft’s bei dir?

Es ist mir ein Vergnügen. Mir geht es soweit ganz gut. Ich erhole mich gerade von einer Grippe, die die gesamte Band erwischt hat. Ich werde mir also in den nächsten zwei Wochen etwas Ruhe gönnen.

Ich habe mich sehr gefreut, als ich gehört habe, dass das achte SONATA ARCTICA-Album namens „Pariah’s Child“ im Frühling 2014 erscheinen wird. Nachdem ich nun schon einige Durchgänge eurer neuen Songs genossen habe, muss ich zugeben, dass ich nach dem allerersten Hören doch ein wenig verwirrt war - aber auf eine gute Art und Weise. Wie fühlte sich der Songwriting-Prozess für euch an?

Ehrlich gesagt, war es ein sehr langer, aber ziemlich einfach Prozess. Ich dachte, dass das Album schon fertig sei, als wir uns das erste Mal zum Proben trafen. Aber ich lag total falsch! Der Stil und das Tempo des Albums änderten sich im Laufe des letzten Septembers drastisch. Es wurde viel Power Metal-lastiger, als ich mir das jemals vorgestellt hätte. Ich wusste, dass wir wieder ein paar schnellere Songs brauchten, um auch unsere Shows wieder ein wenig aufzupeppen und ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Wie dürfen wir uns den typischen SONATA ARCTICA-Songwriting-Prozess vorstellen? Wer macht was?

Na ja, im Prinzip bin ich der einzige Songwriter in der Band. Ich habe, bis auf zwei Titel, alle Songs unserer acht Studioalben geschrieben und komponiert. Ich setze mich einfach ans Keyboard und beginne zu spielen. Manchmal entsteht daraus ein Song, manchmal nicht. Aber nichtsdestotrotz - es macht mir immer Spaß. Zuerst schreibe ich die Akkorde und die Melodie, die Texte kommen meistens ganz zum Schluss. Anschließend treten auch die anderen Jungs in den Prozess mit ein und wir starten mit den Proben, wo jeder seine Meinung zu den Songs einbringen kann. Ich finde es meistens sehr spannend, was aus den Fehlern entsteht, die uns während der ersten Proben passieren. Wenn du da in der Lage bist, über den Tellerrand zu schauen, entstehen meistens unglaublich gute Dinge.

Über die stilistischen Wechsel während eurer letzten Bandjahre wird ja immer noch viel diskutiert. „The Days Of Grays“ hatte diese kalte, progressive Atmosphäre. „Stones Grow Her Name“ verbreitete viel mehr Fröhlichkeit, Tempo und ganz einfach gesagt - mehr Rock. Ich weiß, dass es schwer für dich ist, deine eigene Musik zu kategorisieren, aber wie würdest du „Pariah’s Child“ deinen Fans beschreiben, die das Album noch nicht kennen?

Ich würde schon sagen, dass es irgendwie eine Rückkehr zu unseren Wurzeln ist. Zu der Zeit, bevor „Unia“ erschienen ist. „Pariah’s Child“ wäre - in einer alternativen Wirklichkeit - wohl der logische Nachfolger von „Reckoning Night“. Das neue Album transportiert viel mehr melodische Power Metal-Elemente als alles, was wir seither gemacht haben. Dieses Album beinhaltet Elemente aus allen unseren Platten. Ich weiß, dass ich das schon über „Stones Grow Her Name“ gesagt habe, aber ich weiß erst jetzt, dass das Bullshit war [lacht]…

Steckt eine tiefere Bedeutung hinter dem Albumtitel „Pariah’s Child“ oder warum habt ihr diesen gewählt?

Nachdem wir gesehen haben, wohin dieses Album stilistisch gehen wird, war es zwingend notwendig, einen Wolf auf das Cover zu packen und unser altes Logo wieder auszugraben. Einen passenden Titel zu finden, war dagegen schon viel schwieriger. Ich habe mir eine ganze Nacht lang den Kopf zerbrochen, um etwas Passendes zu finden, denn wir hatten bereits eine Deadline gesetzt bekommen. Nachdem wir unsere originale Trademark, den Wolf, in den letzten Jahren total vernachlässigt haben, indem wir weder Songs über ihn, noch Bilder von ihm verwendet haben, wurde er irgendwie zu einem Außenseiter, einem Ausgestoßenen, einem „Pariah“. Anschließend musste ich nur noch die Punkte verbinden und aus dem Ganzen wurde „Pariah’s Child“. „Pariah’s Puppy“ (Anm. Red.: Welpe) hat sich einfach nicht richtig angefühlt [lacht]…

Diese „old vibes“ sind auf dem Album wirklich deutlich zu spüren. Warst du dieses Mal einfach wieder bereit, sie in dieser reinen Form aufzugreifen?

Wir haben letzten Sommer mit den Vorbereitungen unserer 15-Jahre-Jubiläums-Tour begonnen, die wir gerade absolvieren. Das bedeutete auch, dass wir uns all die alten Sachen wieder einmal angehört haben, um eine gute Setlist zusammenstellen zu können. Ich dachte zuerst, dass das ein Albtraum werden würde, aber genau das Gegenteil war der Fall. Ich mag die alten Alben nach wie vor und das, obwohl ich sie selbst schon seit Jahren nicht mehr gehört hatte. Ich hatte zwischendurch einfach genug von unserem eigenen Stil, aber die Zeit scheint wirklich alle Wunden zu heilen. Denn genau aus diesem Grund hatte ich mir anschließend vorgenommen, einen Song im „Winterheart’s Guild“- bzw. „Reckoning Night“-Stil zu schreiben und dabei ist „The Wolves Die Young“ herausgekommen. Die Jungs waren sofort begeistert und bestärkten mich darin, mit diesen „Vibes“ weiterzuarbeiten. Ich habe daraufhin wieder ein paar neue Songs geschrieben und ein paar Ideen, die schon länger in meinem Kopf waren, neu angeordnet, sodass sie ein großes Ganzes bildeten. Irgendwie passte dann einfach alles zusammen.

Bei mir laufen „Cloud Factory“ und „Half A Marathon Man“ derzeit auf und ab. Hast du ebenso einen Favoriten auf der neuen Platte? Und welcher SONATA-Song ist dein „all-time-favourite“?

Ja, natürlich habe ich auch einen Favoriten, aber der wechselt von Tag zu Tag. „Larger Than Life“, „Take One Breath“ und „X Marks The Spot“ gefallen mir derzeit am besten. Vor allem „X Marks The Spot“ hat es mir irgendwie richtig angetan [lacht]… Im Gesamten gesehen gehört „Don’t Say A Word“ immer noch zu meinen ganz großen Lieblingssongs. Wir spielen den Titel fast bei jedem Gig und beenden damit unsere Shows. Es ist einer der musikalisch komplettesten Songs, die wir haben.

Sprechen wir noch kurz über eure Lyrics: Arbeitest du immer mit fiktiven Ideen oder steckt im ein oder anderen Song auch etwas Persönliches?

Das ist alles reine Fiktion. Manchmal vermischt sich das Ganze mit ein paar subjektiven Splittern, aber das meiste ist natürlich erfunden.

Ihr werdet in den nächsten Monaten ja wieder auf Tour gehen, mit einem Auftritt in Wien inklusive. Inzwischen dürfte es euch ziemlich schwer fallen, aus eurem umfangreichen Backkatalog eine Setlist zusammenstellen - was dürfen eure Fans von der 2014er Tour erwarten?

Du hast recht - es fällt uns ziemlich schwer, eine Setlist zusammenzubasteln. Nachdem wir heuer auch unser 15-jähriges Jubiläum feiern, werden wir eine Mischung aus neuen, aber auch ganz alten Songs spielen. Einige „Klassiker“ haben wir in den letzten Jahren bereits ausgetauscht und ich würde sagen, dass es ein sehr schöner Querschnitt durch unsere Karriere ist, wo für jeden etwas dabei ist. Nachdem wir nun auch einen neuen Bassisten in der Band haben, wurden die Dinge zusätzlich noch ein wenig aufgemischt, um dem Ganzen noch mehr Kick zu verleihen. Es wird auf alle Fälle sehr cool. Old school cool [lacht]…

Ich bin ja seit euren Anfangstagen ein großer Fan eurer Musik. Wenn du über jedes eurer Alben ein paar Worte verlieren müsstest, was würdest du sagen…

…über „Ecliptica“:

Das erste Mal. Mehr oder weniger eine umfangreichere Demoaufnahme. Wir wusste über gar nichts Bescheid. Wenn man dies berücksichtigt, ist es ein sehr lässiges Album geworden. Aber wir waren einfach so jung und unerfahren!

…über „Silence“:

Das erste Album, in das ich wirklich viel investiert habe. Es ist sehr vielseitig geworden und hat uns in der Szene etabliert. Es war außerdem Mikko Härkins erstes SONATA-Album.

…über „Winterheart’s Guild“:

Ein Schritt vorwärts, zumindest aus Produktionssicht. Ich spielte das Keyboard, bis auf ein paar kleine Melodien, im Alleingang ein. Das Beste am ganzen Album ist aber immer noch, dass Jens Johansson ein paar Soli beigesteuert hat - das finde ich immer noch richtig geil!

…über „Reckoning Night“:

Ein Wendepunkt. Wir mussten uns beeilen, dieses Album nach einer relativ kurzen Tour - 45 Gigs oder so - fertigzustellen. Es ist Henriks erstes SONATA-Album. Ich würde heute ein paar Dinge anders machen, wenn ich könnte. Die anschließende Tour, auf der wir über 160 Gigs gespielt haben, hätte uns fast auseinandergebracht. Nomen est omen, wirklich.

…über „Unia“:

Die Läuterung. Dieses Album hat die Band gerettet, auch wenn ein paar Fans, die die alten Alben gemocht haben, geschockt waren. Aber für mich war „Unia“ eine Befreiung. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich die Band aufgeben wollte. Die andere Option war, etwas komplett anderes zu machen. Die Ketten zu durchbrechen. Ich habe die Songs geschrieben, die ich schon immer machen wollte, anstatt einfach nur das „Monster“ zu füttern.

…über „The Days Of Grays“:

Wieder ein Richtungswechsel, denke ich. Zum ersten Mal nutzten wir Orchestrierungen. Textlich ist das Album ziemlich dunkel und tiefgründig, aber sehr schön geworden.

…über „Stones Grow Her Name“:

SONATA ARCTICAs Rock-Album! Das Album hat nur ein paar wenige Metal-Songs, der Rest ist mehr oder weniger Hard bzw. Heavy Rock. Als Songwriter wollte ich auch damals schon zurück zu den Wurzeln und Songs schreiben, die einfach „freundlicher“ sind. Das bedeutet, dass ich hierbei viel mehr auf Eingängigkeit geachtet habe. Eine zentrale Vocalline anstatt einer Vielzahl an harmonischen Linien, quasi Chöre von vielen Tonys [lacht], waren hier angesagt. Ich glaube, dass sich erst durch dieses Album viele „alte“ Fans von uns distanziert haben. Viel mehr, als es bei den beiden vorherigen Alben der Fall war. Aber dafür haben wir auch eine ganz neue Gruppe an Fans dazu gewonnen. Es ist wirklich interessant.

Zwischen all den Aufnahmen und Auftritten: Bleibt da auch noch ein wenig Zeit für andere Hobbys oder Urlaub? Oder verbringst du so viel Zeit in Flugzeugen und Bussen, sodass du gar keine Lust mehr auf Reisen hast?

Ehrlich gesagt, ist mein Zuhause mein Hobby. Ich zocke Computerspiele und schaue mir Filme an, wann immer es möglich ist, aber mein Leben ist derzeit einfach zu stressig. Reisen… na ja, es ist eigentlich genau so, wie du es beschreibst. Wenn ich nachhause komme, möchte ich natürlich hier bleiben, aber das ist für meine Familie ziemlich unbefriedigend, denn die hat ja das gegenteilige „Problem“. Deshalb mache ich schon auch immer wieder Urlaub. Das letzte Mal war ich 2010 in Urlaub und ich hoffe immer noch, dass ich später irgendwann ganz viel Zeit dafür haben werde.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Du wurdest in Finnland geboren und lebst immer noch dort - was magst du an diesem Land ganz besonders?

Es ist einfach das beste Land der Welt. Es ist meine Heimat. Ich liebe die vier Jahreszeiten, vor allem den Winter. Ich bin nicht wirklich ein sommerlicher Typ.

Möchtest du noch etwas für deine Fans in Österreich loswerden?

Natürlich, denn ihr lebt einfach in einem wunderschönen Land. Ich hoffe wirklich, dass auch ihr denkt, dass es das beste auf der ganzen Welt ist [lacht]. Wir hatten großartige und unvergessliche Momente in Österreich. Und bald werden wir wieder dort sein - es ist ja schon bald Mai!

Was wäre wohl die beste Überschrift für dieses Interview?

Oh, wow, eine schwierige Frage - ich würde sagen: „Zerlege die Vergangenheit, um die Zukunft zu kreieren!“ [lacht]…

Danke, Tony!

Es war mir ein Vergnügen. Danke dir und allen unseren österreichischen Fans!


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