Interview: Eїs - Alboin

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Heute von Satan zu singen, ist ungefähr so provokant wie in der Straßenbahn für eine Oma mit Einkaufstüten aufzustehen...

Sezierung menschlicher Abgründe mit dem Instrumentarium des (melodiösen) Black Metal als Thema einer Tour: Im Interview spricht EIS-Mastermind Alboin über die bevorstehende Tour „Aufbruch in den Abgrund“, die nicht nur Songs der letzten bzw. aktuellen Veröffentlichungen bringt, sondern auch mit einigen Überraschungen aufwarten kann.

Veröffentlicht am 25.02.2014

Alboin, vorab herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit für dieses Interview nimmst.

In einem Interview beklagte der Sänger einer bekannten Black Metal Band die Entwicklung des Black Metal in Richtung Alltagstauglichkeit, Kommerz, sowie die Abkehr von satanistischen Inhalten. Eine Modeerscheinung oder künstlerische Entwicklung, wie sie etwa BATHORY durchmachten?

Für mich ist Black Metal etwas sehr Persönliches: Etwas, das in mir stattfindet und mit dem, was nach draußen dringt, nicht zwingend deckungsgleich ist. Black Metal ist ein Gefühl, es ist die Einsamkeit in dir, die Kälte, die du spürst, die Verbitterung. Das kann nicht kommerziell sein.
Dann gibt es Black Metal als Musikstil, der über die letzten 20 Jahre natürlich alltagstauglich geworden ist. Vieles davon ist bestimmt kommerziell, und das nicht erst seit gestern.

Es ist doch haarsträubend zu glauben, dass gerade BATHORY seine Alben nur aus Überzeugung aufgenommen hätte. Gerade Quorthon ist doch ein Geschäftemacher par excellence gewesen - ich darf an die "Blood On Ice" und die beiden "Nordland"-Alben erinnern. Das ist allerdings nichts gegen die Verkaufszahlen, die Bands wie MAYHEM, EMPEROR oder DARKTHRONE erreicht haben, auch wenn sie sich das in ihrer kühnsten Vorstellung nicht hätten denken können. Davon können heute 99,9% aller Black Metal-Bands nur träumen. Vergleichbar viel verkaufen heute eigentlich nur noch DIMMU BORGIR, wenn überhaupt, und die haben mit Black Metal eigentlich nur noch auf dem Papier zu tun.
Alle anderen halten sich über Wasser, das sind die Bands, die ihre Musik auch garantiert machen, weil es ihnen eine Herzenssache ist. Der Rest, und das ist der größte Teil, bezahlt dafür, Musik veröffentlichen zu können. Wo ist da der Kommerz?

Entschuldige das weite Ausholen, aber das ganze Gerede, es ginge nicht mehr um Satan und der Stil würde sich von seinen Wurzeln entfernen - das ist doch alles Gesülze. Wer so etwas von sich gibt, hat nicht begriffen, dass Black Metal in erster Linie als Provokation gedacht war, als Abkehr von dem, was alle machen, als Musik von Freidenkern. Heute von Satan zu singen, ist ungefähr so provokant wie in der Straßenbahn für eine Oma mit Einkaufstüten aufzustehen.. Solange eine Band ehrlich die Musik macht, die sie in sich spürt, ist es doch vollkommen wurscht, ob Satan eine Rolle spielt oder nicht. Mir ist die neue DARK FUNERAL z.B. völlig wurscht, aber ich bin unendlich dankbar dafür, dass es STILLA gibt.

Wie experimentell und aufgeschlossen darf echter Black Metal sein?

Das habe ich wahrscheinlich gerade beantwortet - die Frage ist eher: Wie experimentell und aufgeschlossen MUSS echter Black Metal sein? So experimentell und aufgeschlossen wie nötig, um etwas Neues, Intensives zu machen. Welche Alben von früher feiern wir denn heute noch?
"A Blaze In The Northern Sky", "In The Nightside Eclipse", "De Mysteriis Dom Sathanas", "In The Streams Of Inferno", "Kronet Til Konge"... alles Klassiker, die damals radikal mit allem gebrochen haben, was man aus dem Metal kannte, die alle Extreme ausgelotet haben, die mutig waren. Da hat sich der faustische Geist im Black Metal offenbart.
Diesen Geist muss man suchen, und nicht wiederholen, was Bands früher beschäftigt hat.

Ist es Eure erste gemeinsame Tour mit FÄULNIS?

Ja, für beide Bands ist es sogar die erste richtige längere Tour. Ich weiß auch nicht, ob es sich anbietet, weiterhin in dieser Kombination andere Touren zu spielen - vermutlich eher nicht. Als Fan würde ich es auch bevorzugen, wenn die Bands, die ich schätze, immer wieder in neuen Kombinationen unterwegs wären. Alles andere wäre wie jedes Jahr an denselben Urlaubsort zu fahren, und dafür sind wir möglicherweise noch etwas zu jung.

Was erwartet die Fans auf Eurer Tour?

Drei, an manchen Abenden auch vier oder mehr großartige Bands aus dem Black Metal-Spektrum: Alles zwischen Gänsehaut, Faszination und Abscheu, Stunden voller Energie, und ich denke, auch der eine oder andere Hektoliter Bier.
Das Spannendste an der Tour sind vermutlich die beiden Extrasets, die wir exklusiv auf dieser Tour spielen. FÄULNIS spielen neben ihrem regulären Set erstmalig den Song "Letharg", den sie auch verfilmt auf einer DVD veröffentlicht haben, und setzen diesen mit Theaterelementen um. Wir haben uns entschlossen, nach über zehn Jahren drei unveröffentlichte Songs unserer Vorgängerband EISMALSOTT für das damals geplante erste Album auszugraben, sie fertig zu arrangieren und als Zusatzset zu spielen.
Nach aktuellem Planungsstand wird sich der "unveröffentlicht"-Status der Songs bis zur Tour auch erübrigt haben, da gibt's also noch eine Überraschung!

Abgesehen davon haben wir gemeinsam handverlesene Supportbands eingeladen:
In Zürich am 18.4. und Stuttgart am 19.4. eröffnen LUX DIVINA (ein Geheimtipp aus Spanien für Fans von BORKNAGAR oder PRIMORDIAL) und FYRNASK (ein sehr ritueller, düsterer Mix aus Black Metal, Ambient und Drone), die mit uns ihre ersten Konzerte überhaupt spielen.
Nach dem Dark Easter Metal Meeting in München am 20.4. übernehmen dann in Wien am 21.4. die Österreicher HARAKIRI FOR THE SKY den Staffelstab, die an diesem Abend die Releaseparty zu ihrem zweiten Album mit uns feiern.
Im tschechischen Mlada Boleslav, im absolut überkultigen Orthodox Club, am 22.4., sowie in Erfurt am 23.4. und Berlin am 24.4. spielen dann ebenfalls HARAKIRI FOR THE SKY, bevor wir am 25.4. auf dem Ragnarök Festival gastieren. Am 26.4. stoßen wir dann westwärts nach Oberhausen vor, wo wir wieder auf FYRNASK treffen, und beenden die Tour eine Woche später, am 3.5., in Hamburg mit PLAGE als Oldschool-Support.

Wie seid Ihr auf den Titel Eurer Tournee gekommen? In manchen Bereichen mutet es für Österreich geradezu prophetisch an…

Wir organisieren diese Tour gemeinsam mit FÄULNIS und haben lange über einen Titel nachgedacht. Da wir die Tour gleichberechtigt durchziehen, sollte es natürlich ein Motto sein, das uns beide verbindet - und bei diesem Abgrund geht es eher um menschliche Abgründe. Die gibt es nicht nur bei FÄULNIS-Chef Seuche und bei mir.
Der (menschliche) Abgrund ist auch ein immer wiederkehrendes Motiv in unserer Musik, auch wenn wir es unterschiedlich umsetzen. Schauen wir mal, ob die Österreicher da besonders tief fallen, ich bin gespannt!

Mir wurde geflüstert, dass Ihr an einer Veröffentlichung arbeitet. Was dürfen Eure Fans erwarten? Enthülle ein paar Geheimnisse!

Geheimnisse heißen eigentlich so, weil niemand etwas darüber wissen soll. Was ich verraten kann, ist, dass wir diesmal nicht in einem Studio sind, dass wir kein Album aufnehmen, und dass es keine EIS-Veröffentlichung ist. Trotzdem hängt die Veröffentlichung ganz unmittelbar mit der Tour zusammen, sie wird stilistisch auch nicht weit von unseren Alben entfernt sein...insgesamt eine hoffnungslos nostalgische, aber auch ganz aktuelle Sache. Viel Spaß beim Knobeln.

Ihr spielt drei unveröffentlichte Songs, die ihr noch als EISMALSOTT geschrieben habt. Hebt sich dieses Material stilistisch ab?

Ja, etwas schon, weil nicht ich sie geschrieben habe, sondern EISMALSOTT-Gründer Aínvar. Ich habe viel von ihm gelernt: Wie man Riffs aufbaut und wie man Songs arrangiert. Diese Stücke und seine Herangehensweise an Musik haben mich deutlich geprägt. EISMALSOTT ist aber deutlich roher als EIS angelegt und orientiert sich atmosphärisch eher an alten ULVER, TAAKE, ENSLAVED oder ARCKANUM, während wir mit EIS einen Stil spielen, der viel melodischer und elegischer ist.
Diese drei Stücke sind schon zwölf, in Teilen fast 15 Jahre alt, und entfalten jetzt das erste Mal ihr ganzes Potential, das ist ein wunderbares Gefühl. Wir sind sehr gespannt darauf, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Es macht uns alle sehr glücklich und stolz, dass wir nach zehn Jahren Pause endlich gemeinsam daran arbeiten.

Werdet ihr die Tour auch videotechnisch nutzen? DVD? Live-Videoclip?

Nein, bis jetzt ist nichts geplant. Ich bin mir nicht sicher, ob wir die typische Band für eine DVD sind. Sicher werden aber ein paar Mitschnitte entstehen, und möglicherweise können wir rückblickend einen reflektierenden Tourtrailer mit einigen Impressionen von den Gigs veröffentlichen oder etwas Ähnliches. Abgrund Extravaganza, quasi.

Viele Fans freuen sich auf Konzerten über die Möglichkeit, Merchandisingprodukte zu kaufen.
Was habt Ihr diesbezüglich geplant?

Aktuell stecken wir in den Vorbereitungen für den optischen Teil der Tour, mit neuer Bühnendekoration und natürlich auch neuem Merchandising. Wir werden dann endlich auch Logo-Patches dabei haben, sowie zwei neue Shirtmotive und wohl auch ein EISMALSOTT-Motiv. Jetzt müssen wir nur noch jemanden finden, der den ganzen Kram immer wieder raus- und reinschleppt, har har. Also tut uns den Gefallen und erleichtert uns kräftig um diese todschicken Textilien!


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