Interview: Van Tempest (Jörg Varga) - Jörg Varga

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Es ist schon ein musikalisches Niveau da, aber meistens eher so mittelmäßig, dass mir meine Füße dabei einschlafen.

Nach dem Architects Konzert hatte Ich die Möglichkeit mit einem der sympathischten Musikern der Wiener Metal Szene ein entspanntes Interview zu machen. Was dabei rausgekommen ist könnt ihr hier lesen.

Veröffentlicht am 20.04.2014

Bei DEVASTATING ENEMY bist du damals ausgestiegen, weil du zu wenig Zeit für dieses Projekt hattest, ist das richtig?

Ja das ist korrekt.

Wie kann es dann sein, dass du auf einmal für DISCURE als Sänger, für ein eigenes Solo-Projekt, das wahrscheinlich sehr zeitaufwändig ist und für die Fotografie Zeit hast?

Heads up, bei DISCURE bin Ich auch nicht mehr!

Ist das schon offiziell?

Wir haben nie eine offizielle Geschichte daraus gemacht, weil die Band nicht so Social Media-affin ist. Nicht alles was die Band macht, wird rausgehaut, sondern nur wenn sie wirklich was zu sagen haben, wird das veröffentlicht.

Und warum bist du bei DISCURE ausgestiegen?

Wegen der fehlenden Zeit.

Also du steigst bei DEVASTATING ENEMY aus, weil du zu wenig Zeit hast, wirst dann Sänger bei DISCURE und fängst ein Solo-Projekt an, nur um dann wieder zu realisieren, dass du eh wieder zu wenig Zeit für alles hast?

Die Sache ist die, dass man bei einem Solo-Projekt wie VAN TEMPEST, wo es wirklich nur darum geht, Musik zu schreiben und ins Studio zu gehen, viel flexibler ist. Ich bin an niemanden gebunden außer an mich selber. DISCURE haben nicht das gleiche Gig-Kontingent gehabt wie DEVASTATING ENEMY. DEVASTATING ENEMY hat viele dieser Weekend-Geschichten gespielt, also Donnerstag, Freitag, Samstag, und das gefühlt jede zweite oder dritte Woche. Dazwischen waren noch Proben und so weiter und so fort, während es bei DISCURE merklich weniger war. Da gab es pro Woche eine Probe, also es gab zwei Proben, aber ich bin nur zu einer gegangen, weil ich mir gedacht habe, dass der Sänger nicht bei jeder Probe dabei sein muss. Es war einfach weniger Aufwand, deswegen hab ich das besser planen können. Aber die Prioritäten sind jetzt umgeschichtet, daher konzentriere ich mich wieder mehr auf die Fotografie und den Band-Support.

Betreffend der Fotografie: Du bist ja schon ewig lange Bandfotograf und dementsprechend bekannt in der Wiener Metal-Szene.

Ja, fünf Jahre glaub Ich sind's jetzt.

Was sind für dich die Wiener Bands bei denen du dir denkst, da ist noch echt viel Potenzial da, die könnten die Lücke füllen, die DEVASTATING ENEMY hinterlassen hat?

Wer mir am allerschnellsten einfällt wären SENSILYS, weil sie gerade ein Video veröffentlicht haben und beim Norbert Leitner im Studio ein Album aufnehmen. Sie bauen sich dadurch einen ziemlichen Schwung auf, außerdem fahren Sie auf ihre erste Tour im Sommer, und von sowas kommt man meistens ziemlich gestärkt und routiniert zurück. Wenn sie diesen Schwung mitnehmen und weitertragen und das nicht im Sand verläuft, nimmt das genau diese Ausmaße an. Dann noch WE ARE THE ENEMY. Die hatten zwar Schwierigkeiten mit diversen Bandmitgliedern, sind aber sehr fähige Leute, und wenn zum Beispiel FACED WITH RUINS endlich einen Schlagzeuger finden, der ihr Zeug spielen kann, dann ziehen sie auch mit. Das sind die Bands wo ich am meisten Hoffnung hege, dass Sie die Musik intensiv weiterführen.

Du hast in den letzten fünf Jahren etliche Wiener Bands fotografiert, darunter auch sicher viele die du scheiße findest...

Ja.

Welche Bands waren das denn?

Mag ich nicht sagen.

Magst du nicht sagen?

Eigentlich nicht, nein.

Aber es wäre ja nur deine persönliche Meinung und nicht irgendeine Art von Wertung...

Ähm…

Oder hast du Angst, dass die das Beleidigend auffassen könnten?

Erstens das, … Ich denk nur nicht, dass ich in Kategorien wie "gut" und "schlecht" denke, sondern in Kategorien wie "gefällt mir" und "gefällt mir nicht" …

Ja dann könntest du auch einfach sagen, was dir an Wiener Bands nicht gefallen hat, die du in den letzten fünf Jahren gesehen hast…

Jetzt dezitiert mit Namen?

Natürlich…

Irgendwie, pfuh… darf ich jetzt schon kurz darüber nachdenken? Also so eine Band, wo ich sage, da packe Ich alles zusammen und gehe wieder, weil ihr seid mir zu kacke war nicht dabei. Es ist schon ein musikalisches Niveau da, aber meistens eher so mittelmäßig, dass mir meine Füße dabei einschlafen. Auf der anderen Seite gibt es auch Bands, die Ich in einem kurzen Zeitraum viel zu oft gesehen habe, wie zum Beispiel THUS I END.

Glaubst du, dass es viele Wiener Bands gibt, die zu viel in Wien spielen und aus der Hauptstadt nicht rauskommen?

Ja, das schon. Es ist diese Gratwanderung: Sich rar machen und trotzdem präsent sein. Es kommt auch darauf an, was du als Band willst. Wenn du so eine "Gute-Laune-Schönwetter-Band" sein willst, die zehnmal im Jahr in Wien spielt, bitte sehr, aber steh auch dazu. Es ist halt schwierig, dass man zu Bookern außerhalb von Wien Kontakt aufbaut, die einem Shows liefern, wo man quasi mit null aussteigt, und wo man zumindest das Spritgeld wieder reinkriegt.

Aber ist es nicht normal für Bands, dass Sie am Anfang ein finanzielles Risiko aufnehmen müssen?

Sicher, sicher ist es auch so. Ich rede aber nicht von Touren, für die man ein finanzielles Risiko in Kauf nehmen muss, sondern von einzelnen Konzerten, und mit DISCURE war ich jetzt in einer politisch sehr aktiven Szene und da wurde immer darauf geachtet, dass die Band zumindest das Spritgeld bekommt. Es war trotzdem immer Essen da, die Leute waren entspannt und der Veranstalter war zufrieden damit, dass Leute gekommen sind und alle irgendwie zufrieden waren. Man muss aber auch dazu sagen, dass das alles sehr linksgerichtet und sehr undergroundig war. Da ging es nicht darum, dass irgendwer großartig Kohle macht sondern, dass alle zu ihrem Recht kommen. Es war nicht profitorientiert und Ich habe gesehen, dass es so auch funktioniert, aber sobald Booker einen bestimmten Namen haben, wollen sie natürlich auch Kohle haben. Was muss man zahlen: Location, Security, Aufwände, alles außer die Band, was übrig bleibt kann die Band haben, aber Essen und Spritgeld sollte einfach immer vorhanden sein. Dadurch könnte die Szene-Petrischale Wien überhaupt die einzelnen Szenen wie Graz oder Linz aufbrechen, das Business in Österreich so richtig durchmischen, und so würden dann auch Österreich-Tourneen zustande kommen, wenn Booker teilweise nicht so profitorientiert wären.

Also glaubst du, dass viele Booker in Österreich profitgeil sind, denn profitorientiert ist für mich jetzt nichts anderes als die Höflichkeitsform von profitgeil?

Nein, ich würd sagen das ist die Vorstufe davon. Profitgeil ist so "cut off all the people, no matter what…"

Kommen wir zu TEMPEST. Am 10. April kam die EP raus, die gibt es gratis zum Downloaden. Hast du vor mit TEMPEST auch Live-Auftritte zu machen, weil du ja die Musiker dafür bräuchtest?

Ja, ich bin sicher, wenn ich einen Gig auf die Beine stellen wollte, würde ich auch Leute dafür finden, die sich mit der Musik identifizieren können, aber ich habe nicht vor, mich mit TEMPEST live beweisen zu müssen. Das ist eben so ein Studioprojekt, das man bekommt und dem man sich zu Hause hingeben kann, dafür ist diese Musik gemacht und nicht für Live-Shows.

Jetzt weiß ich, dass du ein großer Fan von THE ELIJAH bist…

…die gibt es ja leider nicht mehr…

…und VAN TEMPEST erinnert mich schon stellenweise sehr stark an Bands wie THE ELIJAH oder auch DEVIL SOLD HIS SOUL, oder wer auch immer…

DEVIL SOLD HIS SOUL habe ich letzte Woche so richtig entdeckt erst und gleich ein paar CDs gekauft, und mir gedacht: okay, warum kenn ich die erst jetzt, die haben ja schon eine riesige Discografie.

Aber inwieweit wurde dein Projekt VAN TEMPEST von dieser Art von Musik beeinflusst?

Die Musik selbst, also eben dieses atmosphärische Post-Rock-Ding, all das was ich mit VAN TEMPEST mache, ist nichts Neues, nicht mal neue Sounds oder irgendwas Großartiges ist dabei. Ich habe halt versucht, ein größeres Bild zu zeichnen. Es sind fünf Songs, am Anfang habe ich aber eigentlich vorgehabt, das als einen einzigen Song zu veröffentlichen, sodass man nur einen Track hat und nicht weiterskippen kann. Ich habe nicht versucht innovativ zu sein, sondern dieses Konzept und die Story irgendwie den Leuten näher zu bringen.

Was ist das Konzept dahinter?

Das Konzept ist quasi das musikalische Erwachsenwerden.

Ist es dein musikalisches Erwachsenwerden?

Prinzipiell mal schon.

Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass du was mit VAN TEMPEST machst, oder?

Das ist richtig. Das allererste Mal war diese Bass-Loop-Geschichte. Das musikalische Erwachsenwerden ist für mich nichts anders als mein tatsächliches Erwachsenwerden. Du wirst Erwachsen im Vorbild deiner Eltern, versucht dich aber irgendwann, von diesem Vorbild abzunabeln und schaust, dass du das ziemliche Gegenteil von ihnen wirst. Aber im Endeffekt kommst du auf gewisse Verhaltensweisen deiner Eltern wieder zurück und bist ihnen ähnlicher als du glaubst. Die Musik ist nicht wirklich anders. Du hast deine musikalischen Vorbilder und am Anfang imitierst du sie, findest so, was dir gefällt, denkst dir aber irgendwann: Das kann nicht alles sein! Irgendwo auf deinem Weg kommst du auf Elemente zurück und sagst, das ist wie das was ich damals gehört habe. Es gibt da schon Ähnlichkeiten und das wollte Ich mit dieser Veröffentlichung zeigen. Außerdem wollte Ich zeigen woher meine Musik kommt. Der erste Song ist noch sehr looplastig, während der letzte schon sehr durchkomponiert ist.

Bei DISCURE bist du nicht mehr Sänger, VAN TEMPEST ist sozusagen abgeschlossen, was sind musikalisch deine weiteren Pläne?

Ich hab da was im phetto. Ich spiele dort Gitarre. Es ist ein Projekt, in das Leute von HATE MAY RETURN, DEATH MENTALITY und von THIARY involviert sind.

Weiß man schon in welche Richtung dieses Projekt gehen wird?

Ja, denn im Prinzip ist alles fertig. Videos sind abgedreht, Artwork ist fertig, Fotos sind alle gemacht, das Album ist fertig aufgenommen…

…und wie heißt die Band?

Das möchte ich noch nicht sagen.

Wie viele Tracks wird das Album haben?

Es wird ein 40-Minuten-Album.

Und wann kann man damit rechnen die ersten Sachen zu hören?

Im Mai ist der Release geplant.

Mit einem Release-Konzert?

Nein. Ich bin noch nicht fit genug an der Gitarre um die Songs live zu spielen.

Ist es nicht eine Form von Betrug, wenn man etwas im Studio macht, das man live nicht wiedergeben kann?

Nein, das sehe ich nicht so. Im Studio ist alles erlaubt. Whatever it takes! Wenn es eine Möglichkeit gibt, einen besseren Sound zu erzielen, warum nicht? Aber man darf sich dann nicht damit brüsten, dass man dieses musikalische Level ständig hat, sondern man hat ein gewisses Level und unterstützt dieses im Studio durch technische Hilfsmittel. Jemand der ein Haus baut, also ein großes Haus, benutzt ja dann auch einen Kran. Es kommt einfach darauf an, wie man es verpackt! Wenn eine Band nicht dazu steht, dass sie im Studio trickst, ist das was anderes. Ich sage, ich bin live nicht gut genug, ich kann die Songs zwar spielen, aber ich bin nicht tight oder sauber genug, um die Songs live zu spielen, und zu dem stehe ich auch! Das wird übrigens auch ein Gratis-Release werden.

Wenn wir schon dabei sind: Viele Bands haben natürlich Ausgaben, wollen diese wieder reinbekommen, und mir kommt es so vor, als würdest du alles gratis rausschmeißen. Zum ersten: Hast du nicht Angst, dass das ins Geld geht, zum zweiten: Hast du nicht Angst, dass für viele Leute Gratis-Musik keinen Wert hat?

Ich glaube das teilt sich gerecht auf. Es gibt Leute die denken sich: wow, cool - da gibt’s Mucke, die kann ich mir auf höchster Qualität runterladen, mit zusätzlichem Content, und brauch kein schlechtes Gewissen haben, dass ich es geklaut habe. Es gibt aber sicherlich auch genug Menschen die sich denken dass es gratis ist und daher keinen Wert hat. Bei diesen Produktionen hab ich soviel Unterstützung von Freunden und Bekannten gehabt, denen die Musik und das Konzept gefallen hat. Das waren aber auch alles Menschen die ich früher auf die eine oder andere Art und Weise unterstützt habe mit meinen Fähigkeiten.

Fotografieren für Geld, also Support im Endeffekt?

Ja also, ich geh zu einem Typen hin und sage: ich mache Fotos von deinem Studio für deine Internetpräsenz, und wenn du was brauchst komm ich wieder vorbei und ich sage, vielleicht komme ich eines Tages zu dir, weil ich etwas von dir brauche. (Anmerkung der Redaktion: Das erinnert mich dann schon sehr stark an der Pate I) Mit manchen Leuten funktioniert das, und das Geld ist aus dem Fokus, da vertraut man dem Anderen. Und dann gibt’s halt Leute die wollen unbedingt Kohle sehen. Ich habe halt die Erfahrung gemacht, dass die Stimmung angespannter ist, wenn Geld im Spiel ist.


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