Interview: MORBUS CHRON - Adam Lindmark

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Aus dem Arsch zu bluten fand er natürlich unheimlich cool. - MORBUS CHRON: falsch geschrieben, richtig gedeutet.

Mit ihrem zweiten Album "Sweven" haben die Schweden-Deather MORBUS CHRON nicht nur den Underground aufgewirbelt, sondern sich auch in sämtliche Jahresbestlisten diverser Brutal-Connaisseure gerumpelt. Im Zuge ihrer Tour mit AT THE GATES und TRIPTYKON haben wir uns Drummer Adam Lindmark zu einem ihrer ultra-raren Face-2-Face-Interviews geschnappt und nachgefragt, warum schwedische Lehrer so cool sind, sich die Bandmitglieder fast nur aus versoffenen Partys rekrutieren und die Zukunft von OPETH bis DISCHARGE so gut wie alles bringen könnte.

Veröffentlicht am 31.12.2014

Adam, mit euch, AT THE GATES und TRIPTYKON sind im Dezember gleich drei verschiedene Generationen voll hochqualitativer Bands unterwegs gewesen. Welche Erfahrungen hast du da mitgenommen?

Eigentlich macht es verdammt viel Spaß, denn wir mögen und schätzen beide Bands für ihre Verdienste. Wir sind aber nicht im großen Nightliner, denn für uns ist das die erste große Tour überhaupt. Wir hätten uns über jedes andere Package gefreut, aber hier fühlen wir uns besonders geehrt, weil uns Tompa persönlich gefragt hat, ob wir mitmachen möchten. Das war ein großer Grund dafür, dass wir zugesagt haben, denn für gewöhnlich touren wir nicht wirklich viel. Das hier hat sich aber einfach richtig angefühlt.

Euch bleibt trotz eigenem Bus aber noch genug Zeit, um sich gegenseitig besser kennenzulernen und abzuhängen?

Nicht allzu viel, denn vor allem wir im Van brauchen schon ziemlich lange, um von Location zu Location zu kommen. Zudem hat ab dem Soundcheck jeder so seine Routinen, die er natürlich vor den Shows vollziehen will. Relaxen tun wir im Bus und da sind die anderen eben nicht dabei. Für uns ist das aber schon gut und richtig so.

Bist du persönlich eigentlich Fan von AT THE GATES und TRIPTYKON?

(überlegt lange) Ich habe mir AT THE GATES lange Zeit nicht mehr angehört. Als Teenager hat mich ein Lehrer auf die Band gebracht und da begann ich sie zu hören.

Ein Lehrer? Das kann dir in Österreich kaum passieren…

(lacht) Es war ein junger Lehrer und er war ziemlich cool. Ich begann damals Death Metal zu hören und er gab mir den AT THE GATES-Tipp. Da sie dann so lange nicht mehr musizierten, verschwanden sie auch von meiner Bildfläche. Sie waren auch nie eine Inspiration für uns, denn wir teilen zwar viele Denkweisen mit AT THE GATES, aber nicht die musikalische Grundlage. Ich habe mir all ihre Alben angehört und mir auch viele Shows auf der Tour angesehen, das war eine Art Auffrischung. Was TRIPTYKON angeht – ich habe mir CELTIC FROST sehr oft zu Gemüte geführt, aber TRIPTYKON als Band selbst eigentlich nicht.

In einem Interview habt ihr euch stolz damit gebrüstet, im Underground-Metal eine berechtigt große Rolle zu spielen, aber nicht gerade scharf auf die Medien seid. Ist das für euch komfortabel?

(lacht) Ich habe keine Ahnung wer das gesagt hat. Ich schätze mal unser Frontmann Robert Andersson, der die meisten Interviews gibt. Abseits der Bühne ist er auch nicht der typische Frontmann, redet nicht sonderlich gerne und braucht eine gewisse Distanz zu den Dingen. Es ist aber nicht so, dass wir uns bewusst von den Medien distanzieren wollen, weil wir auch wissen, dass es so nicht läuft. Wir machen schon auch Interviews, aber nicht allzu gerne. Wir wissen genau, was wir sagen wollen und was nicht. Lasst uns doch über die Musik, die Alben oder auch die Tour sprechen, aber nicht über Persönliches. Wir gehören definitiv nicht zu diesen Bands, die Interviews vor Kameras geben und dann herumscherzen. Wir hassen Kameras ein bisschen (lacht). Es kommt immer auf die Situation an. Wenn wir auf der Bühne gefilmt werden, sind wir in unserem Element, aber bei Interviews ist dann immer alles so gekünstelt. Wir wissen dann nicht, wie wir aussehen oder welchen Blick wir aufsetzen sollten. Wenn die Kameras kommen steigt die Gefahr ins Stottern zu geraten oder den Faden zu verlieren – das kann ich nicht brauchen.

Wenn auch schon öfters beschrieben, wollen wir schon auch eure noch junge Bandgeschichte etwas aufrollen. Der Bandname ist schon mal eine klare Ansage. Allerdings falsch geschrieben.

Nicht wirklich. Robert und Edvin haben die Band 2007 gegründet und die Schreibweise damals für richtig gehalten. Roberts Mutter hatte damals über die Krankheit Morbus Crohn gesprochen als er sein Essen zu schnell in sich reinschaufelte. Er fragte nach und seine Mutter antwortete ihm, da würde er aus dem Arsch bluten. Das fand er natürlich unheimlich cool und hat es sofort als Bandname benutzt. Den Duden hat er dann nicht mehr gecheckt, sondern einfach seinem Instinkt vertraut (lacht). Es ist manchmal schon unfreiwillig witzig, wenn uns Leute im Internet mit Fragen bombardieren und wir dann erklären müssen, dass wir nur Musik machen. Es gibt ja auch eine Band namens CANCER. Im Gegensatz zu ihnen können wir uns dann immer locker rausreden, weil wir uns ja anders schreiben (lacht).

2009 habt ihr als allererstes Lebenszeichen ein Demo veröffentlicht – allerdings wirklich nur ein einzelnes Stück. Warum das und hast du einen Schimmer, wer es besitzt?

Das ist wirklich mysteriös und ich habe auch keine Ahnung, wer das Teil besitzt. Ich glaube, es ist ein Deutscher. Eigentlich war das kein richtiges Demo, denn damals waren wir noch auf MySpace und jemand fragte, ob es die Songs auch physisch gäbe. Eigentlich haben wir nur die Proberaumaufnahmen auf eine Kassette gespielt, da wurde nicht einmal irgendetwas verändert. Als die Songs aufgenommen wurden war ich noch nicht einmal in der Band – ich kenne die Aufnahmen gar nicht und nichts darauf ist offiziell. Dieses Demo hat dann mehr Aufmerksamkeit bekommen als es jemals sollte (lacht). Ich finde es aber amüsant, dass wir mit dieser einmaligen Amateurkassette eine Art „True Metal Legend“ erschaffen haben.

2011 folgte der erste Studiorundling „Sleepers In The Rift“ und heuer das allseits über den grünen Klee gelobte „Sweven“. Textlich seid ihr von den Blut-&-Beuschel-Lyrics abgerückt und dabei etwas okkulter geworden.

Okkultismus erfasst den Inhalt der Scheibe nicht wirklich, denn darum dreht sich „Sweven“ eigentlich nicht. Robert hatte eine genaue Vision davon, wie die Lyrics aussehen sollten. Der Opener „Berceuse“ ist ein Instrumental und soll ein Schlaflied darstellen. Damit wird der Hörer in eine ganz spezielle Traumwelt eingesogen. Das grobe Konzept des Albums dreht sich also um Träume – Okkultismus, Religionen oder Satan spielten eigentlich keine Rolle. Aber klar – im Vergleich zu unserem Debüt ist alles etwas mysteriöser und durchdachter. Als wir die Gore-Lyrics schrieben, waren wir nicht nur viele Jahre jünger, sondern Robert hatte die Texte schon lange vor dem Aufnahmeprozess. Das war also mehr so eine Art übliche „Teenie-Provokation“, die wir in die Welt setzten (lacht). Trotzdem waren die Texte großartig, denn Robert ist selbst bei solchen Themen ein Poet, aber wir wollten uns keinesfalls damit wiederholen. Wir haben ja auch musikalisch viel verändert, haben Clean-Passagen und progressive Elemente und dann darüber zu singen, wie man Zombies am besten auf einem Stock pfählt, wäre etwas sonderbar (lacht).

Du hast es schon angesprochen – auch euer Death Metal hat sich komplett verändert und ihr habt die Dissonanz für euch entdeckt. Lag das am gestiegenen Alter oder daran, dass ihr allen beweisen wollt, dass ihr das könnt?

Robert ist auch für den Großteil der Musik verantwortlich und er hat sich mit dem Ziel, ein dissonantes Album zu schreiben an die Sache gemacht. Das passierte auf ganz natürlichem Wege. Bei „Sleepers Of The Rift“ haben wir vor jedem Riff darüber diskutiert, ob auch AUTOPSY oder DEATH damit zufrieden wären. Dieses Mal war uns das egal, es ging nicht um Einflüsse und schon gar nicht um Metal. Aus Robert floß einfach das raus, was raus musste. Natürlich ist der Sprung zwischen den beiden Alben ziemlich extrem, aber als eine Art musikalische Brücke haben wir 2012 die EP „A Saunter Through The Shroud“ veröffentlicht. Dort hörst du das Feeling unseres Debüts und bereits musikalische Ansätze von „Sweven“. Somit ist der Schritt sicher besser nachzuvollziehen.

Weißt du, ob Robert bei diesen tiefgehenden Texten auch auf eigene Erfahrungen und Träume zurückgegriffen hat?

Die Musik kommt als erstes und auf „Sweven“ gibt es nicht nur drei rein instrumentale Songs, sondern auch viele Tracks, wo sehr lange kein Gesang zu hören ist. Robert sitzt natürlich schon ziemlich lange an den Songs, weil es Verschwendung wäre, für die anspruchsvollen musikalischen Parts stumpf drüber zu singen. Aber der Fokus liegt schon auf die Erschaffung einer bestimmten Atmosphäre durch die Musik.

Wenn man von euch spricht, kommt man dem Name-Dropping nicht ganz aus. Euer Gitarrist Edvin ist der kleine Bruder der schwedischen Szene-Legende Nicke Andersson. Liegt dieser Schatten schwer über euch?

Anfangs war das viel schlimmer. Mit unserem ersten richtigen Demo „Splendour Of Diesease“ – nicht diesem einmaligen Stück – und dem Debütalbum war Nicke natürlich allgegenwärtig. Das lag auch daran, dass wir da Old-School-Death-Metal spielten und er eine Ikone dieser Szene ist. Das erste Album haben wir auch mit ihm aufgenommen. Das war großartig, weil er wirklich ein Ohr für diese Art von Musik hat. Für „Sweven“ wäre das aber nicht mehr möglich gewesen, denn das Teil ist schon rein musikalisch einfach nicht seine Baustelle. Dadurch fielen auch die ewigen Vergleichsmomente weg – schließlich klingen wir jetzt eben nicht mehr nach ENTOMBED oder DEATH BREATH. Ich müsste lügen, würde ich nicht zugeben, dass wir uns natürlich von Anfang davon distanzieren wollten. Schließlich hätte es ansonsten keine mediale Zeile ohne das Wort ENTOMBED gegeben. Auf der anderen Seite sind wir ihm natürlich unendlich dankbar für alles, was er für uns getan hat. Als Schatten würde ich ihn also nicht bezeichnen, aber es ist uns natürlich wichtig klarzustellen, dass Nicke Andersson und MORBUS CHRON schon zwei völlig verschiedene Dinge sind.

Völlige Trennung also.

Mit dem Songwriting hatte Nicke ohnehin nie etwas zu tun, aber klar wäre MORBUS CHRON nicht die Band, die sie jetzt ist, ohne die Hilfe und Unterstützung von Nicke am Anfang. Er hatte seine Rolle, aber man kann ihn langsam auch von uns emanzipieren.

Es gibt doch eine ziemlich witzige Geschichte darüber, wie ihr euren Bassisten Dag Landin engagiert habt.

(lacht) Die ganze Konstellation ist kurios. Ich bin ein paar Jahre älter als Robert und Edvin und die Jungs suchten anfangs bei einer Party nach einem Bassisten und fragten mich. Ich war zwar immer Drummer, aber das war ihnen egal (lacht). Ich habe dann am ersten Demo und ungefähr ein Jahr lang live Bass gespielt, aber mich hat das immer angekotzt. Ich war zu schlecht. Unser damaliger Drummer Stefan merkte dann auch, dass die ganze Musik und noch viel mehr der Metal nicht das Wahre für ihn sind, also kam ich dadurch endlich ans Schlagzeug. Bei einer weiteren Party wackelte dann der sturzbesoffene Dag bei uns vorbei und fragte, ob er nicht bei uns Bass spielen könnte. Doch er war genauso Drummer und hat nebenbei zuhause zum Spaß nur ein paar Gitarrenriffs gespielt (lacht). Die Parallelen zu mir waren beeindruckend – nur dass er noch immer Bassist ist und seine Sache gut macht.

Seid ihr untereinander auch wirklich gut befreundet oder läuft MORBUS CHRON eher auf professioneller, beruflicher Basis ab?

Nein, wir sind noch alle jung und hängen schon viel miteinander ab. Natürlich werden wir die Wochen nach dieser Tour etwas Abstand brauchen, aber wir proben nicht nur zusammen, sondern besuchen auch gemeinsam Shows oder verbringen Zeit in diversen Bars miteinander. Ein paar von uns hauen gerne auf den Putz, andere wiederum gehen so gut wie gar nicht weg – das ist ganz unterschiedlich, aber es war noch nie so, dass wir uns nur für die Band zusammenfinden. Da ist Freundschaft schon die richtige Bezeichnung.

Warum tourt ihr so wenig? Wollt ihr das künftig nicht verstärken?

Auf die Tour mit AT THE GATES und TRIPTYKON haben wir uns lange konzentriert und wenn wir nach Hause kommen und die Feiertage vorbei sind, werden wir uns an die Arbeit zum neuen Album machen. Zudem spielen wir 2015 einige Festivals wie Party.San, Sweden Rock oder das Muskelrock. Das sind auch die Festivals, die wir selber gerne spielen würden, insofern passt das. Viel mehr ist allerdings nicht geplant für die nähere Zukunft.

Wer von MORBUS CHRON spricht, spricht meistens auch von DEATH oder ATHEIST. Warum haben es euch die eher progressiveren Death-Metal-Bands so angetan?

Da komme ich wieder zurück zu den von mir gesagten, nicht vorhandenen Einflüssen für „Sweven“. ATHEIST? Ich glaube wirklich nicht, dass irgendjemand von uns die Truppe jemals gehört hat. DEATH sind natürlich ein Einfluss, aber eher für unser erstes Album und von DEATH-Seite aus eher „Scream Bloody Gore“ und „Leprosy“ und weniger das vertrackte Zeug, das sie später fabrizierten. Die Leute sehen halt zwischen DEATH und „Sweven“ eine musikalische Verbindung. Ich will nicht sagen, dass ich das nicht wahrnehme, aber aus unserer Sicht gibt es keinen Vergleich. Ich selber mag auch nur deren altes Zeug. Ich will jetzt keinesfalls sagen, dass wir nicht spielen können, aber wir in MORBUS CHRON sind keinesfalls geschulte technische Musiker und so was wie Chuck Schuldiner auf den späteren DEATH-Alben gemacht hat, würden wir niemals auf die Reihe kriegen.

Wenn ihr bereits wieder ans Schreiben geht, wird das nächste Album 2015 erscheinen?

Wenn wir sehr optimistisch sind, aber ich glaube eher, dass es 2016 werden wird. Wenn alles wirklich superperfekt klappt und keine tolle Tour dazwischenkommt, könnte es Ende 2015 werden, aber darauf würde ich nichts verwetten. Es ist uns wesentlich wichtiger, dass das Album richtig gut klingt, als das es schnell herauskommt.

Werdet ihr eure musikalische Richtung ein weiteres Mal grob verändern? Werdet ihr womöglich gar die OPETH des Death Metal?

(überlegt) Wir haben ja noch nicht einmal ordentlich mit dem Brainstorming begonnen (lacht). Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir den Weg von „Sweven“ weiterführen werden. Es wird natürlich nicht dasselbe sein, aber eine Mega-Änderung wird es wohl nicht mehr geben. Die neuen OPETH? Vielleicht geht das auch in die komplett gegengesetzte Richtung und wir sind 2024 die neuen DISCHARGE?! Alles kann passieren.


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