Interview: Marduk - Morgan Steinmeyer Håkansson

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Wenn ich Kriegsfilme sehe, beschwere ich mich oft über die falschen Seriennummern auf Panzern. Das kann dann ziemlich nerdig werden...

MARDUK-Gitarrist Morgan als Black-Metal-Legende zu bezeichnen, würde noch zu kurz greifen. Mit dem 13. Studioalbum "Frontschwein" haben die Schweden nicht nur eines der besten, sondern auch eines der provokantesten Alben des Jahres veröffentlicht. Grund genug, um als Stormbringer-Doppelfraktion in Form von Stefan Baumgartner und Robert Fröwein am Karfreitag den Wiener Gasometer zu stürmen, um den grau melierten Mittvierziger zum ausführlichen Talk zu bitten. Der bestens gelaunte Morgan rollte gar sein ganzes Leben für uns auf...

Veröffentlicht am 23.04.2015

MARDUK-Gründungsmitglied und Gitarrist Morgan ist nicht immer gut gelaunt. Das bezeugen nicht zuletzt unzählige YouTube-Videos, in denen sich der 41-Jährige oft typisch schwedisch-sperrig zeigt. Vor dem Auftritt seiner Band am Karfreitag beim "Hatefest" im Wiener Gasometer zeigt sich der mittlerweile ergraute Leitwolf aber entspannt und gut gelaunt. Noch weiß er auch nicht, was die gedoppelte Stormbringer-Abordnung mit ihm vor hat. Neben seinen vielen Erinnerungen an die Konzerte in Österreich ("Ich kann mich sogar an einen Gig im Club des PUNGENT-STENCH-Typen erinnern. Wie hieß er noch mal? Alex Wank, genau."), gedenkt er auch seinem im Krieg verstorbenen Großvater, erinnert sich an seine Zeit als Student, ruft die Menschen zum Mitdenken auf und konterkariert am Ende sogar sein eigenes Klischee, in dem er mit uns eine Runde Panzer-Quartett spielt ("Mann, der Tiger hat damals alles zerstört"). Vorhang auf für eine doch nicht ganz so unnahbare Legende:

Stefan Baumgartner (SB): Morgan, hast du eine Ahnung, warum der Black Metal in den USA nie so populär wurde wie in Europa?

Ich weiß es nicht, aber das liegt wohl an den unterschiedlichen Kulturen, wenn es um Metal geht. In Europa sind die Menschen viel stärker mit dem Metal verbunden als in den USA, dort geht es eher um Trends und populäre Musik. Dennoch sind die Touren mit MARDUK dort immer großartig gewesen. New York und Chicago waren stets wunderbar, Kalifornien fantastisch. Auch in Kanada fühlen wir uns wohl, aber das ist wieder etwas anderes. Für den Metal allgemein gibt es aber viele Plätze, die ihm nicht wohlgesonnen sind. Die USA stürzen meiner Meinung nach an verschiedenen Positionen ab. Es ist schwer, ein Pauschalurteil abzugeben, weil das Land so groß sind. Du hast Hipster in Kalifornien und Bauern in Montana – da gibt es sehr große Unterschiede. Ich würde wohl die Bauern in Montana bevorzugen (lacht).

SB: Kommen wir zu deinem neuen Album „Frontschwein“, das einmal die Thematik „Zweiter Weltkrieg“ anschneidet. Kannst du uns erklären, warum dieses Thema für die Band als auch für dich selbst so wichtig ist?

Ich war schon als Kind einer von denen, die Modelle gebaut und ein Interesse zu diesem Krieg aufgebaut haben. Ich habe schon damals mit Panzern gespielt, irgendwann mein erstes Buch zu diesem Thema gekauft und dann war es um mich geschehen. Ich habe dann gleich drei weitere Bücher bestellt und mittlerweile ist es so weit gekommen, dass ich mehr als 500 habe (lacht). All die verschiedenen Aspekte und Sichtweisen interessieren mich, aber der Zweite Weltkrieg ist bei weitem nicht der einzige Krieg, der mich fasziniert. Ich lese auch viele Bücher über andere Konflikte speziell in Europa, aber der Zweite Weltkrieg ist ein gutes Thema für meine Musik. „Frontschwein“ ist aber kein Nachfolger zur „Panzer Division Marduk“, denn die drehte sich nicht nur um den Zweiten Weltkrieg. Ich muss einfach meinen Instinkten folgen und die führen mich immer wieder dorthin zurück.

Robert Fröwein (RF): „Frontschwein“ ist tatsächlich keine Fortführung der „Panzer Division“?

Von den Texten her vielleicht schon, aber musikalisch ist das eine ganz andere Reise. Wir wollten den Sound der „Panzer Division“ auch nicht reproduzieren, das war niemals das Ziel und „Frontschwein“ ist wesentlich vielseitiger aufgestellt. Nachbetrachtet war auch die „Serpent Sermon“ ein Konzeptalbum. Ich habe so viele Texte im Kopf, dass bei Fertigstellung eines Albums eigentlich schon das andere vorgedacht ist.

SB: Wenn du die Gelegenheit hättest, mit fünf Personen aus dem Zweiten Weltkrieg zusammenzusitzen – egal ob lebendig oder tot, egal ob Täter oder Opfer – wen würdest du dafür wählen?

Verdammt schwere Frage, ich könnte niemals fünf Personen herauspicken, weil es so viele verschiedene Aspekte der Politik und des Krieges gibt. Eine Art "Runder Tisch" mit Hitler, Stalin und Churchill könnte schon interessant sein (lacht). Andererseits wären aber auch Generäle oder einfache Soldaten interessant, die einfach erzählen wie es sich damals zugetragen hat. Ich könnte wohl keine fünf Personen herausfiltern.

SB: Stehst du in Kontakt mit Überlebenden des Krieges?

Ja, mit ein paar bin ich in Kontakt. Meine Recherche für MARDUK beschränkt sich großteils schon auf die Bücher, aber wenn man so stark interessiert und so tief im Thema ist, wie ich, dann entwickelt man dazu fast eine Art von Obsession. Du steckst dann deine Seele hinein. Bei mir geschieht das in verschiedenen Blöcken. Einmal lese ich nur Zeugs über den Zweiten Weltkrieg, dann eine Zeit lang nur über das römische Reich oder den 30-jährigen Krieg. Das springt bei mir immer hin und her. Als Europäer ist es eigentlich fast selbstverständlich, dass du dich aus geschichtlichen Gründen damit befasst.

RF: Dein Großvater war auch Soldat im Zweiten Weltkrieg und verschwand im Jahr 1945 von der Bildfläche.

Ich habe einen Brief gefunden, wo er schrieb, dass er ein Gefangener war. Er wurde befreit, verschwand aber daraufhin. Niemand weiß bis heute, was mit ihm passiert ist. 1941 starb meine Großmutter mütterlicherseits in Deutschland und sie versuchten später aus dem Testament heraus zu erforschen, ob mein Großvater gestorben war. Es ist natürlich für diese Zeit nicht unüblich, dass viele Fragezeichen offen blieben. Viele Menschen wurden auch nach dem Krieg in Haft gesteckt. Vielleicht konnte mein Großvater auch flüchten und begann woanders ein neues Leben – das wird man nie mehr erfahren.

RF: Hast du Geschichten über deinen Großvater im Zweiten Weltkrieg gehört?

Nicht wirklich. Ich weiß, dass er in Finnland, Russland und am Ende in Frankreich stationiert war. Viel mehr weiß ich aber nicht, denn dieses Thema wurde in meiner Familie eher totgeschwiegen. Damals haben die Leute auch nach vorne geschaut und wollten nicht auf diese furchtbare Zeit zurückblicken.

SB: Für deine Texte und Textkonzepte ist auch die deutsche Sprache von großer Wichtigkeit. Beherrscht du sie?

Ein bisschen ja. Die schwedische Sprache ist ja eng an die deutsche geknüpft, die sehr schön klingt. Ich mag aber auch Französisch und Russisch – jede Sprache und vor allem jeder Dialekt hat seinen eigenen Charme. Sie erzählt viel vom Menschen und der Gegend, aus der er stammt. Ich komme aus einer Gegend in Schweden, wo einer der dämlichsten Dialekte gesprochen wird (lacht). Ich kann Bücher auf Deutsch lesen, aber spreche die Sprache eher schlecht. Wenn Leute mit mir Deutsch sprechen, geht mir das meist zu schnell und ich kann ihnen kaum folgen. Vor allem, wenn sie im Dialekt reden. Die Menschen sprechen heutzutage so schnell – da kommt man nicht mehr mit.

RF: Ärgert es dich, dass heute viele Bands über den Zweiten Weltkrieg singen, aber oft einfach kein Wissen darüber haben oder nur mangelhaft recherchieren?

Das passiert nicht nur Musikern, sondern auch Autoren von Büchern. Viele Leute lesen nur die Magazine und sitzen dann Falschinformationen auf, weil sie sich nicht die Zeit für eine ausführliche Recherche nehmen. Ich versuche aber mich nicht darüber zu ärgern, denn es gibt so viele andere Dinge, die mich ohnehin schon aufregen (lacht). Am Ende ärgerst du dich ja nur selbst darüber. Es ist nicht meine Sache, wenn Bands falsche Informationen vermitteln. Mir passiert das aber oft, dass ich Leute auf ihre Fehler hinweise und dann verdreht sogar meine Frau die Augen, weil ich so besserwisserisch rüberkomme (lacht). Auch bei Filmen muss ich ständig kommentieren, wenn etwas nicht richtig dargestellt wird. Wenn sie zum Beispiel falsche Panzer verwenden. Das kann ziemlich nerdig werden, wenn ich mich sogar über die falschen Seriennummern auf den Panzern beschwere (lacht). Da bin ich wirklich gut bewandert, weil ich mich speziell für Panzer unheimlich stark interessiere.

SB: Wenn du auf Tour bist, besuchst du auch historische Kriegsschauplätze?

Auf jeden Fall. Wenn ich Zeit habe, dann immer. Wenn du dir aber wirklich in Ruhe etwas anschauen willst, hast du auf Tour kaum Zeit dafür. In den letzten 20 Jahren mit MARDUK sind aber schon viele Plätze zusammengekommen, wo ich von mir alten Militärfahrzeugen über Friedhöfen bis hin zu Bunkern und Museen viel anschauen konnte. Ich versuche immer das Beste herauszuholen.

SB: Warst du schon auf den Kanalinseln?

Dort noch nicht. Ich war aber schon in Frankreich und England, wo die Normandie ebenfalls stationiert war. Wenn ich gerade nicht auf Tour bin, dann reise ich maximal innerhalb Schwedens und versuche zur Ruhe zu kommen und nicht wieder zu viel zu reisen. Ich bin nie auf Urlaub oder so etwas, denn dafür kann ich auch auf Tour gehen.

RF: Kriege und Satanismus sind für den Black Metal ähnlich wichtig, wie Gore-Texte für den Death Metal und Gesellschaftskritik und „Toxic-Themes“ für den Thrash Metal. Denkst du nicht, dass diese Themenbereiche irgendwann ausgelutscht sind und langweilig werden?

Das kann passieren, wenn sich niemand mehr um bestimmte Facetten bemüht. Es liegt auch in die Verantwortung eines jeden einzelnen, nicht immer alles wiederzukäuen. Für mich wird das Ganze nie langweilig, weil ich immer einen anderen Zugang finde. Natürlich kann das langweilen – ich kenne selbst genug Bands, die uninspiriert wirken und sich nicht sonderlich bemühen. Das Geheimnis ist einfach: Es muss einfach alles aus dir selbst kommen und ehrlich sein. Egal, ob das Hard Rock, Metal oder etwas anderes ist. Selbst eine Band wie WOVENHAND, die offensichtlich christlich motiviert ist, hat meinen vollen Respekt, weil die Themen aus dem Inneren des Künstlers kommen und er auch lebt und meint, was er sagt. Das finde ich durchaus cool.

SB: Du bist das letzte verbliebene Gründungsmitglied von MARDUK. Wenn du zurückdenkst, gibt es Phasen, wo du dir manchmal denkst: „Gott, war ich damals kindisch unterwegs“?

Ich habe zumindest die gleiche Hingabe zur Band und zur Musik wie früher, aber natürlich veränderst du dich mit steigendem Alter. Ich habe mich entwickelt, aber natürlich waren manche Aktionen kindisch. Zum Beispiel Streitereien mit anderen Bands, über die ich heute nur noch lachen kann. Mein Konzept verfolge ich aber mit derselben Hingabe wie früher. Natürlich denke ich mir manchmal bei alten Alben, dass ich dieses oder jenes gerne verändern würde, aber eigentlich will ich es so belassen. Das sind einfach schöne Zeitdokumente die belegen, wo du damals gestanden bist und wie du drauf warst. Manche Texte von Alben wie „Those Of The Unlight“ oder „Opus Nocturne“ bedeuten mir heute sogar mehr als damals. Sie sprechen mich auf eine andere Art und Weise an und das ist ziemlich bizarr. Ich bin aber auf alle meine Alben stolz, weil sie einfach tolle Zeitdokumente sind. Würden wir versuchen, ein altes Album neu aufzunehmen, würde es auch total anders klingen. Keine Band kann es besser machen als beim Ursprung. Ich habe mir die neue Version zwar nie angehört, aber auch nie verstanden, warum EXODUS „Bonded By Blood“ neu eingespielt haben. Das kann doch gar nicht besser sein als das Original. Die Magie von damals ist doch weg. Ich kriege schon Gänsehaut, wenn ich nur an das alte Album denke. Man sollte diese Dinge auch mal so lassen, wie sie sind.

RF: Denkst du gleich über all die MARDUK-Alben?

Vielleicht hätte ich auch mal Lust auf nachträgliche Experimente, aber als Fan würde ich auch denken, dass es nicht mehr besser werden könnte.

RF: Bis zu welchem Alter kannst du dich selbst in einem Black-Metal-Outfit auf der Bühne vorstellen?

Ich sehe da keine Grenzen, solange ich noch mit so viel Herzblut, Hingabe und Freude an der Sache tätig bin. Das können zwei Jahre sein oder auch 20. Würde ich meinen Glauben in meine Arbeit verlieren, würde ich sofort etwas ganz anderes machen, aber dem ist zum Glück nicht so. Ich sehe das aber nicht als eine Frage des Alters. Denk doch nur mal an Lemmy. Er zieht sein Ding auch beinhart durch und scheißt auf alle Meinungen von außen. Das Alter ist nur etwas, das auf dem Papier steht. Es geht aber darum, wie viel Einsatz du für deine Sache an den Tag legst. Ich will aber auch kein pathetischer alter Sack werden, der den Absprung in die musikalische Pension verpasst. Man sollte schon möglichst an der Spitze abtreten. Aufgrund der vielen Änderungen in der Musikindustrie existieren heute wieder alle Bands. All die alten Rockbands aus den späten 60er-Jahren, die noch aus einem Originalmitglied bestehen, das x-te Compilation-Album veröffentlichen und mit Legenden-Touren noch mal fett abkassieren. Die wissen einfach nicht, wann Schluss ist.

RF: Genau genommen existieren MARDUK aber auch nur mehr mit einem Originalmitglied - dir.

Das weiß ich schon, aber wir sind nicht so pathetisch unterwegs. Uns hat es immer gegeben – ohne Split. Heute sind alle Bands wieder on the road, die zwischenzeitlich oft Jahrzehnte getrennt waren. Ich bin kein großer Fan von Reunions. Wenn deine Vision einmal stirbt, dann lass sie in Frieden ruhen, denn die meisten Wiedervereinigungen sind es nicht wert. Die einzigen, die das wirklich sehr gut hingekriegt haben, die mir spontan einfallen, sind CELTIC FROST in Form von TRIPTYKON. Ich war anfangs ein bisschen unsicher, wie ihnen ihr Album gelingen würde, war aber sehr positiv überrascht. Die meisten sind aber eher schlecht.

SB: Nachdem du eine deklariere Leseratte bist – welche Bücher sollte einfach jeder kennen und im Schrank stehen haben?

(atmet tief durch) Das kann ich nicht sagen. Es gibt so viele Bücher aus so vielen verschiedenen interessanten Genres. Die Leute sollen sich einfach bei ihren Interessensgebieten durchhangeln und sich dort kontinuierlich in die Materie einlesen. Ich kann dir keinen spezifischen Tipp geben. Das kommt immer darauf an, wo das Interesse des Lesers liegt. Wichtig ist aber – es gibt bei sehr vielen Themen sehr viele verschiedene Wahrheiten. Um auch wirklich mitreden zu können, muss man sich einem Thema auch von vielen Seiten nähern. Selbst Schreiber von Geschichtsbüchern können nicht objektiv sein. Entweder hasst du die Person, über die du schreibst, oder du hast bereits im Vorfeld einen gewissen Respekt oder eine gewisse Faszination dafür entwickelt. Sich umfassend zu informieren ist nicht nur wichtig für Geschichte oder Religion, sondern allgemein im Leben.

RF: Wie viele Bücher liest du im Monat?

Ich denke, es sind so drei bis vier pro Woche. Ich habe das Glück, in Schweden am Land zu wohnen und habe dort eine Riesenbibliothek, wo ich alles sammeln kann.

RF: So oft bist du ja gar nicht zuhause.

Wir sind aber auch nicht durchgehend auf Tour, es gibt schon genug Zwischenzeiten, wo ich einfach mal daheim bin. Auf Tour nehme ich Bücher nicht nur mit, ich kaufe sie auch die ganze Zeit. Das ist dann immer etwas blöd, weil sich das Gewicht auf Reisen natürlich dementsprechend erhöht. Ich besuche auf Tour zudem sehr oft Antiquitätenläden, weil ich allein schon den Geruch darin mag.

SB: Du bist also old-school genug, um Bücher zu lesen und dich einem Kindle zu verweigern?

Richtig, ich lese Bücher und ich höre mir Alben an. Wenn ich mich hinsetze, dann will ich darin blättern und ich liebe das Format von Büchern. Dasselbe gilt für die Musik – ich kaufe auch Platten und CDs, weil ich mich hinsetzen und zuhören möchte. Die meisten spielen heute nur ein paar Songs an und springen weiter. Ich bin da sehr old-school, setze mich hin, entspanne mich und will das alles auf mich einfließen lassen.

RF: Stimmt es, dass du vor mehr als 20 Jahren für MARDUK dein Studium abgebrochen hast?

Ja, das ist korrekt. Wir bekamen damals ein Tourangebot und ich wusste nicht, wie lange das dauert, also habe ich unterbrochen. Dann flatterte das nächste Angebot rein und so ging es weiter – irgendwann habe ich dann endgültig aufs Studium verzichtet. Ich glaube auch nicht mehr, dass ich auf der Uni ein Comeback geben werde (lacht).

RF: Was hast du studiert?

Geschichte, Religion und allerlei altertümliches Zeugs (lacht). Ich glaube aber, für eine Wiederaufnahme des Studiums fehlt mir heute wohl der Ehrgeiz.

SB: Hast du eine Verbindung oder Vorliebe zum modernen Post Black Metal wie in DEAFHEAVEN, WOLVES IN THE THRONE ROOM und andere Bands spielen?

Von denen habe ich noch nie gehört. Ich höre mir einfach Musik an, die mir gefällt. Die Leute verschwenden viel zu viel Zeit dafür, Musik in die krudesten Schubladen zu stecken. Nu-Bla, Folk-Bla – für mich gibt es nur gute und schlechte Musik. Wenn ich Black Metal höre, will ich mir nicht gezwungen vorkommen, das als Black Metal definieren zu müssen.

SB: Wie sortierst du eigentlich deine CDs und LPs. Alphabetisch, chronologisch oder anders?

Derzeit ist eigentlich gar nichts sortiert, sondern alles eine große Baustelle (lacht). Meine Sammlung ist auf mehreren Plätzen verstreut. Zuhause allein hätte ich viel zu wenig Platz, insofern liegt auch viel in unserem Proberaum herum und die größten Klassiker landen auch immer wieder im Tourbus.

RF: Hörst du dir auch neuere, jüngere Black Metal- oder Metal-Bands an?

Die meiste Zeit komme ich zwar immer zu den alten Klassikern zurück, aber ich versuche schon, Neues auszuchecken. Ein Land wie Polen etwa hat eine der stärksten Szenen im Extreme Metal, weil sie einerseits gute Musiker sind und andererseits sehr viel Herzblut in die Sache legen. Als Polen müssen sie auch viel härter arbeiten als andere Bands. Viele norwegische Bands haben schon alleine aufgrund ihrer Herkunft unheimliche Startvorteile, obwohl andere Bands oft zehnmal besser sind. Es gibt wirklich viel zu entdecken und ich habe zum Glück eine gute Connection zu jüngeren Bands.

SB: Das Motiv von eurem „Fuck Me Jesus“-T-Shirt gehört zu den populärsten in der gesamten Metal-Welt. Tust du dich schwer mit diesem Damoklesschwert des Kultes über deinem Kopf?

Ich habe niemals wirklich darüber nachgedacht. Erst im letzten Jahr habe ich mir erstmals Gedanken darüber gemacht, wie lange wir eigentlich schon als Band unterwegs sind. Ich will nicht herumsitzen und nostalgisch sein – ich kenne genug solcher Leute, die fast ausschließlich in der Vergangenheit leben. Als Musiker kriegst du den Älterwerdensprozess gar nicht mit. Ich halte mich selbst für jung, aber wenn ich den Leuten dann erzähle, dass ich KING DIAMOND bereits 1987 gesehen habe, holen sie mich auf den Boden der Realität zurück (lacht). Ich wiederum wundere mich immer über Leute, die IRON MAIDEN mit Paul Di Anno oder RAINBOW mit Ronnie James Dio gesehen haben. So dreht sich die Spirale über Generationen immer weiter.

RF: Wie ist eigentlich die Beziehung zwischen den schwedischen und norwegischen Black-Metal-Bands, früher in der Hochphase der zweiten Black-Metal-Welle, und heute?

Obwohl es viele Quertreiber gab, die diverse Skandale in die verschiedenen Szenen skizzieren wollten, war die Verbindung immer sehr stark vorhanden. Ich kann nicht für alle sprechen, aber der alte Kern versteht sich absolut gut. Wenn jemand etwas anderes behauptet, dann hat er schlichtweg keine Ahnung, wovon er da redet. Es gab doch schon so viel Sensationsjournalismus über Black Metal und all die Bücher, in denen immer irgendetwas hineinfantasiert wird.

RF: Es gibt also noch kein Buch über Black Metal, dass deinen Respekt verdient hat?

Möglicherweise für eines, aber das habe ich noch nicht wirklich gelesen, weil ich nicht einmal weiß, ob ich das überhaupt will. Der Journalismus irritiert mich. Ich lese mir nur ganz selten Interviews durch, die ich gemacht habe, weil da viele Aussagen gekürzt, in den falschen Kontext gesetzt oder aufgebauscht werden.

RF: Hast du früher Angebote von norwegischen Black-Metal-Bands bekommen, um bei deren Bands einzusteigen?

Nicht so wirklich. Wir hatten alle immer unsere soliden Line-Ups. Man hat sich oft getroffen und unterhalten, aber so direkt war da nie was.

SB: Und was hältst du von Gastauftritten? Wo die Plattenfirmen bei jüngeren Bands möglicherweise vollmundig ein Solo von MARDUK-Morgan ankündigen können?

Ich mag das eigentlich nicht so und bin auch nirgendwo als Gastmusiker zu hören. Umgekehrt verhält es sich bei mir gleich – ich habe keine Intention, jemanden als Gast für MARDUK zu verpflichten. Wir hatten zum Beispiel schon mal Alan von PRIMORDIAL, den ich sehr schätze und respektiere, aber eigentlich bin ich kein großer Fan davon. Wir hatten so manchen in der Vergangenheit und vielleicht auch wieder jemanden in der Zukunft, aber wir streben das nicht an.

RF: Ihr wart auf den unterschiedlichsten Plattenfirmen von No Fashion Records über Osmose Records, Regain Records und jetzt bei Century Media unter Vertrag. Wie weit darf eine Black-Metal-Band dahingehend gehen, damit der Underground-Faktor nicht leidet?

Schon vor dem Debüt bekamen wir einige Angebote und haben uns dann für das kleine schwedische Label No Fashion Records entschieden, das ein Typ des „Putrefaction“-Fanzines leitete. Er hatte große Ambitionen und das hat uns gefallen, zudem hatte er großartige andere Bands. Aber er hatte leider keine Ahnung, wie das Geschäft geht und so hat sich diese Vereinbarung sehr schnell zerschlagen. Im Prinzip haben die Jungs von Sound Pollution dann sein Label „gestohlen“. Wir waren schon damals in Kontakt mit Osmose und da war die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt endgültig perfekt. Wir waren von 1993 bis 1999 dort und waren fast bis zum Ende glücklich. Wir hatten eine schöne Zeit, aber die Beziehung endete eher schlecht. Sie sind aber immer noch eine großartige Adresse für Extreme-Metal-Fans, weil sie trotz aller Sell-Out-Vorwürfe immer noch ihr Ding durchziehen und einfach das Material veröffentlichen, das sie auch selber mögen. Bei Regain waren wir bis 2011 auch glücklich, aber auch sie wurden finanziell zu arg gebeutelt und mussten den Laden schließen. Jetzt sind wir also seit drei Jahren bei Century Media Records, der nächsthöheren Stufe, und sehr glücklich damit. Am Wichtigsten war mir immer die künstlerische Freiheit. Ich würde niemals mit keinem Label der Welt zusammenarbeiten, dass uns musikalisch etwas sagen möchte. Ich mische mich auch nicht in deren Arbeitsprozess ein und je schneller das alle Beteiligten verstehen, umso besser wird die Beziehung. Wir machen von Musik über Produktion bis hin zum Layout alles selbst. So soll es auch sein, denn niemand außer uns weiß besser, wie wir es haben wollen.

SB: Nachdem du selber auch Musik außerhalb des Metals hörst – könntest du dich auch in einer Hard-Rock-Band oder dergleichen vorstellen?

Das kann ich schon, aber für MARDUK brenne ich, das ist mein Zuhause. Natürlich kann ich daneben machen was ich will, aber mein Herz schlägt für dieses Projekt. Hier lodert die schwarze Flamme und deshalb setze ich auch meine Konzentration darauf. Ich bin aber offen für vieles und mache vielleicht wirklich mal eine Hard-Rock-Band.

RF: Wie sieht es eigentlich mit ABRUPTUM aus? Gibt es das Projekt noch und wenn ja, ist ein weiteres Album in Planung?

Die Band gibt es noch. Möglicherweise wird es auch noch drei oder vier weitere Alben geben. Wer weiß das schon – abwarten.

RF: Hast du noch Kontakt zu deinen Kumpels von ABRUPTUM?

Nicht so wirklich. Ab und zu vielleicht, alle paar Jahre vielleicht einmal.

SB: Es gibt auch das Gerücht, dass der Song „Burn My Coffin“ von der „Those Of The Unlight“ eigentlich für MAYHEMs „De Mysteriis Dom Sathanas“ bestimmt war, aber deren damaliger Sänger Dead den Titel änderte, um in „MARDUK-kompatibel“ zu machen. Stimmt das?

Der Titel wurde nicht geändert. Dead war mit dem Zug 1990 auf dem Weg in die Türkei und hat auf einem Zettel einen Song namens „Burn My Coffin“ geschrieben. Danach starb er und wir wollten den Titel weitertragen. Es war die perfekte Gelegenheit dafür. Das ist einer von mehreren Titeln, die er damals für mich geschrieben hat. Auch viele weitere Textpassagen, nur die meisten Leute wissen das nicht. Das Vermächtnis sollte einfach weiterleben.

SB: Und es stimmt auch, dass du Stücke seines Gehirns und des Kopfs nach seinem Selbstmord hast?

Ja, das ist korrekt. Diese Teile sind auf einem ganz speziellen Platz aufgehoben und das wird sich auch nie ändern.

RF: Wenn du auf mehr als 20 Jahre deiner Karriere zurückdenkst – gibt es irgendetwas, das du bereust?

Absolut nicht. Aus allen Fehlern lernt man und kann sich damit neue Ziele setzen, diverse Dinge aus einer anderen Perspektive weg starten. Es hatte schon alles seinen Grund und auch zu etwas geführt. Jede einzelne Entscheidung – egal ob bei Line-Ups, Plattenfirmen oder Alben. Wir haben 13 Alben veröffentlicht und natürlich sind manche besser als andere, aber all das passt so wie es ist. Es gibt nicht viele Bands, die auch ihre alten Alben in die Live-Setlists integrieren so wie wir. Das liegt daran, dass wir sie immer noch mögen und an sie glauben. Ich versuche immer, von jedem Album etwas zu bringen, denn jedes einzelne Teil gehört zu unserem Vermächtnis.

RF: Welchen Rat würdest du deinem eigenen Ich als 20-Jährigen geben?

Ich weiß es nicht, das ist schwierig. Ratschläge geben ist sowieso so eine Sache. Du musst einfach aus dem Leben lernen und wenn du auf die Schnauze fällst, dann steh auf und probiere es erneut. Wandle nicht in den Fußstapfen von jemand anderem, denn dann bringst du es zu nichts. Jeder muss seine eigene Richtung gehen und der einzige Rat den geben kann, ist: „Mach einfach das, an das du glaubst“.

Interview by: Robert Fröwein & Stefan Baumgartner


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