Interview: MASTODON - Bill Kelliher

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Ich denke dabei an eine prähistorische Erde, wo die Sonne sehr dunkel ist und viele Aschewolken das Licht des Tages überdecken - MASTODON-Gitarrist Bill Kelliher erklärt das Bandkonzept.

Im Zuge des Nova-Rock-Festivals haben wir uns MASTODON-Gitarrist Bill Kelliher zur Seite genommen, um im lauten Backstage-Bereich kurz über die Rolle der Band in "Game Of Thrones", das Nerd-Tum im Metalbusiness und ein etwaiges nächstes Album der längst im Mainstream angekommenen Amerikaner zu sprechen.

Veröffentlicht am 18.06.2015

Bill, die erste Frage ist natürlich topaktuell – wie seid ihr zu eurer Rolle als „Wilde“ in der Erfolgsserie „Game Of Thrones“ gekommen?

Wir sind alle große Fans der Show und haben vor etwa einem Jahr beim Sonisphere in Knebworth gespielt, wo einer der Typen der Serie dort war, um uns zu sehen. Wir haben ihn nach der Show getroffen und haben gemerkt, dass sie große Fans von MASTODON waren. Wir konnten damit kontern, große Fans von „Game Of Thrones“ zu sein und schon kam von einem die Frage, ob wir nicht in einer Cameo-Rolle dort auftreten möchten. Natürlich, das war überhaupt keine Frage für uns. Im Oktober waren wir in Irland und Nordirland als die Dreharbeiten starteten, haben uns die Kostüme übergezogen, das Make-Up aufgelegt und dort etwa acht Stunden lang mitgearbeitet.

Die Schauspielerei ist doch etwas komplett anderes als auf der Bühne zu stehen und ein Konzert zu spielen. Wie hat sich das für euch angefühlt?

Das stimmt, ja. Es war ziemlich cool, hinter den Szenen der wohl größten und epischsten TV-Serie des Planeten herumlaufen zu können. Ich bin kein Mensch, der unbedingt Zeit vor dem Fernseher verbringt, aber „Game Of Thrones“ hatte mich von Anfang an in den Bann gezogen. Es gibt Sex, Gewalt und erwachsene Themen – einfach eine coole Sache. Als wir die Wildlinge spielten, kamen andere, die dieselbe Rolle bekleideten oft zu uns, um uns zu sagen, dass sie unsere nächste Show besuchen würden und haben um Autogramme gefragt. Ein paar haben uns sogar tätowiert gehabt. Die Schauspielerei ist harte Arbeit und die meiste Zeit sitzt du nur herum und musst warten – bei unserer Szene ging es Tausende so und du musst eine Szene immer und immer wieder drehen. Am Ende des Tages sind wir für zwei Sekunden zu sehen – eigentlich ziemlich verrückt.

Würde es dich reizen, in Zukunft noch öfter in die Schauspielerei zu schnuppern?

Absolut, das würde mir definitiv gefallen. Ich wäre auch gar nicht wählerisch.

„Game Of Thrones“ ist auch eine ziemlich nerdige Serie, bei der sich Fans und Zuseher extrem mit Inhalten und Botschaften identifizieren. Der Name MASTODON ist einem Mammut entlehnt, mitunter aber von „Star Wars“, einer weiteren „Nerd-Geschichte“ abgeleitet. Seid ihr in diesem Sinne auch so etwas wie Nerds?

Wir alle haben so unsere Vorlieben für Science-Fiction und „Game Of Thrones“ ist eine Fantasy-Abenteuer-Serie mit Kerkern und Drachen und alles was man so dafür braucht. Ich war immer an Filmen, Büchern und Romanen im Speziellen interessiert, wo es einen Helden gibt und das Gute gegen das Böse kämpft. Das ist ein Teil des kleinen Kindes in mir – ich will immer der gute Typ sein, der die Prinzessin vom Bösen rettet.

Du willst also nicht der Bösewicht sein?

Nein, das hat mir nie gefallen, ich bin lieber der Gute. Es heißt immer, die Guten kommen erst zuletzt, aber das ist mir egal. Die Rolle passt einfach besser zu mir.

Warum ist eine Serie wie „Game Of Thrones“ gerade bei Metal-Fans so beliebt?

Ich weiß es auch nicht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass der visuelle Aspekt dieser Serie sich sehr oft mit den Gedankenwelt kreuzt, die jemand hat, wenn er eine bestimmte Art von Metal hört. Wenn du BLACK SABBATH oder IRON MAIDEN mit geschlossenen Augen hörst, dann kommen dir mächtige Kerle mit Schwertern in den Sinn, die alles schlachten und Köpfe rollen lassen. Darum geht es auch in der Serie, die sehr dunkel und böse ist. Es geht einfach oft darum, einfach Leute niederzumetzeln, alles ist sehr roh. „Game Of Thrones“ könnte im Prinzip das Video zu vielen brutalen Metal-Songs sein. IRON MAIDEN haben etwa bei „The Trooper“ auch immer die wehende Flagge auf der Bühne und nehmen dich mit in die alte Geschichte Englands. Auch dort geht es um das Gute gegen das Böse, um das Töten der Invasoren. Das Szenario ist dem einer Serie eben sehr ähnlich. Auch die Lyrics passen gut und die Leute können sich damit einfach gut auseinandersetzen.

Was soll den Menschen in den Sinn kommen, wenn sie sich MASTODON-Songs anhören?

Gute Frage. Riesige Mammuts, die mit den Köpfen aufeinander zu rennen. Sie sollen auch Lederjacken mit Spikes tragen, im Hintergrund explodieren Vulkane und Erdbeben gehen los. Flugsaurier düsen am Himmel durch die Gegend und ein Tyrannosaurus Rex speit Feuer. Ich denke dabei an eine prähistorische Erde, wo die Sonne sehr dunkel ist und viele Aschewolken das Licht des Tages überdecken. Es geht um die Endphase der Menschen, wo die übriggebliebenen gegen Bären um das letzte Essen kämpfen. Was weiß ich. (lacht)

Hast du dir jemals vorstellen können, dass ihr mit eurer Art von Musik so berühmt und erfolgreich werden könntet?

Nicht wirklich. Daran denke ich aber auch nicht, ich mache einfach. Diese Band hat sämtliche Träume, die ich jemals im Bereich Musik hatte locker übertroffen. Als ich ein 15-jähriges Kid war, wollte ich einfach nur spielen und jetzt sind wir hier. Es hat sich aber nichts daran geändert, dass ich einfach nur meine Gitarre nehmen und Musik machen möchte. Aber plötzlich beginne ich zu reisen, lebe davon und trete in TV-Shows auf. Das ist schon ziemlich cool.

Ihr seid kurz vor der Jahrtausendwende gemeinsam mit euren Kumpels von HIGH ON FIRE in die Branche gekommen. Während sie noch immer ein Underground-Act sind, seid ihr durch die Decke gegangen. Wie fühlt sich das den anderen gegenüber an?

Es ist ja nicht so, dass eine Band besser wäre als die andere. Die Jungs von HIGH ON FIRE arbeiten auch hart, aber wir haben uns wirklich immer bis zum völligen Aufreiben in die Sache geworfen. Wir haben nie aufgehört zu touren und hatten auch Glück, dass wir so kompakt sind. Ich weiß, dass HIGH ON FIRE zum Beispiel ihren Bassisten verloren haben und öfter mal Pause gemacht haben. Vielleicht liegt es daran, ich weiß es nicht. Wir hatten auch viel Glück und haben ein starkes Management. Jedes Album kriegt irgendwie immer bessere Reviews, obwohl wir unseren Sound jedes Mal verändern.

Im Prinzip verändert ihr euch mit fast jedem Album um ein gutes Stück selbst.

Das ist für uns ganz normal. Ich denke aber auch nicht oft daran, wie es den anderen Bands geht, mit denen wir damals angefangen haben. Auch wenn die Jungs immer noch in klapprigen Vans herumfahren, sind sie glücklich darüber, ihren Kindheitstraum leben zu können und mir ging es zu den Van-Zeiten genauso – das ist überhaupt kein Thema. Ich denke nicht zurück und verspüre kein Mitleid für Bands, die den Sprung nach oben nicht geschafft haben, sondern bin stolz darauf, dass sie ihr Ding durchziehen und das auch noch mit sehr viel Freude. Es ist nicht leicht, vor allem wenn du älter wirst und Kinder hast. Irgendwann einmal brauchst du einfach ein normales, regelmäßiges Einkommen, um alles bezahlen zu können. Wenn du jung bist, keine Familie hast und die Raten für Auto und Haus nicht abstottern musst, ist das Leben natürlich leicht. Du schmeißt dich einfach auf die Couch eines Kumpels, aber wenn du 40 wirst geht das einfach nicht mehr, weil du es mitunter auch konditionell nicht mehr packst.

Gibt es heute auch Phasen, wo die Größe und Bekanntheit deiner Band Dinge schwieriger macht als sie vielleicht früher in den Anfangstagen waren?

Ich weiß nicht, meine Frau jedenfalls hatte auch immer einen Job, wodurch ich persönlich auch in nicht so ergiebigen Zeiten zumindest abgesichert war. Das Härteste am Touren ist mittlerweile, dass ich im Sommer sehr weit von meinen Kindern entfernt bin. Andererseits ist der Juli aber auch ganz frei und ich kann mich auf die Familie fokussieren. Mittlerweile haben wir den Vorteil, dass wir uns selber aussuchen können, wann und wo wir touren wollen. Wenn wir auf etwas keinen Bock haben, dann machen wir es auch nicht, weil wir einfach so viel Geld verdienen, dass wir längere Pausen ohne Existenzängste überbrücken können.

Viele Bands nehmen ihre Familien auf Tour mit – ist das bei euch auch manchmal der Fall?

Das würde ich auch gerne öfter machen. Meine Frau ist hie und da dabei, aber es ist schon verdammt teuer, wenn man sich vier Flugtickets für die ganze Familie leisten muss. Dann musst du im Bus die ganze Zeit stressig durch die Gegend fahren und auch das kostet nicht so wenig. Irgendwann am Ende des Sommers spielen wir aber ein Konzert in Island und da habe ich auch meine Familie dabei. Ich war 2003 einmal dort und dann nie wieder, darauf freue ich mich jetzt schon extrem. Das musste ich einfach für die Familie mitnutzen, denn wer weiß schon, wann wir wieder mal dort sein werden. Nichts sieht aus wie Island, es ist ein Traumstaat.

Zurück zur Musik – nachdem ihr euch schon mit jedem neuen Album selbst unter Druck setzt, euch nicht zu wiederholen: Wird es da nicht von Album zu Album schwieriger, innovativ zu sein?

Ich schreibe ja die ganze Zeit. So wie gestern, wo wir frei hatten und ich im Hotel einfach nur auf Musik und neue Riffs oder Hooks konzentriert war. Ich versuche immer, so viel wie möglich zu schreiben, damit wir vielleicht einzelne Fragmente aus all den Ideen zu guten Songs versammeln können. Das ist aber natürlich nicht immer gleich lustig, denn auch ich weiß nur zu gut, was eine kreative Schreibblockade bedeutet. Da stehst du nur herum, knallst deinen Kopf wieder und wieder gegen die Wand und weißt einfach nicht, wie du wieder zu Ideen kommen sollst. Dann geht es aber nur mit Geduld – so läuft das Geschäft. Wir haben aber eine Menge Ideen für die nächsten paar Alben, das mit Sicherheit.

Kann man eines davon bereits 2016 erwarten?

Gute Frage, wir werden auf jeden Fall vor dem Ende des heurigen Jahres aktiv mit dem Arbeitsprozess beginnen. Möglicherweise geht sich ein Album Ende 2016 aus.


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