Interview: FLOTSAM AND JETSAM - Eric A.K., Michael Gilbert & Jason Bittner

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Alles dreht sich immer im Kreis. Die Leute tragen doch heute auch wieder Glockenhosen - FLOTSAM & JETSAM-Sänger Eric A.K. als Hobby-Modeexperte

FLOTSAM & JETSAM sind so viel mehr als nur die Band, die ursprünglich ex-METALLICA-Bassist Jason Newsted im Line-Up hatte. Unermüdlich touren die High-Class-Thrasher durch die Länder, ohne jemals den verdienten Durchbruch geschafft zu haben. Wir trafen drei Fünftel der Truppe vor ihrem Gig im Wiener Viper Room und haben schnell bemerkt, dass der Schmäh rennt und die Chemie passt. Dementsprechend locker auch das Gespräch, dass sich nicht nur um verpasste Chancen, kommende Alben und Unzufriedenheiten, sondern auch um Flachwitze, Anti-Nazi-Songs und den wiedererstarkten Nu Metal dreht.

Veröffentlicht am 29.06.2015

Leute, euer ehemaliger Drummer Kelly David-Smith hat in einem Interview gesagt, ihr würdet rund 50 Prozent eurer Setlist mit Material eurer ersten beiden Alben füllen. Ich glaube, auf der Tour ist der Anteil sogar noch höher. Obwohl „Doomsday For The Deceiver“ und „No Place Of Disgrace“ Klassiker sind – warum eigentlich?

Eric A.K.: Vor einer Tour überlegen wir genau, was wir spielen wollen und kommen immer wieder auf die alten Klassiker zurück. Wir müssen uns halt auch etwas an den Fans orientieren und da landen wir meist bei den Klassikern. (lacht)
Michael Gilbert: Wir tauschen auch oft die alten Klassiker. Unlängst haben wir etwa „Suffer The Masses“ integriert, den Song spielten wir schon viele Jahre nicht. 15 Jahre oder so.
Jason Bittner: Es war wohl ich als Bandneuling nötig, der unbedingt diese Songs spielen wollte. (lacht)

Wie viele eurer wirklich alten Songs könntet ihr jetzt spontan spielen?

Eric A.K.: Es gibt Songs, die habe ich seit 1987 nicht einmal mehr gehört.
Gilbert: Das ist auch schwierig, weil wir sehr viele Line-Up-Wechsel hatten. Jason kann auch unmöglich alle Songs der letzten Alben spielen.
Bittner: Du doch auch nicht.
Gilbert: Okay, erwischt. (lacht) Aber wenn du uns sagst, wir sollen einen AC/DC-Song spielen, geht das mit Sicherheit schneller. Darauf können wir uns alle einigen. (lacht)
Bittner: Ich bin dafür, dass Michael heute den zweiten Vers eines bestimmen Songs A-Cappella vorträgt. Um zu beweisen, was er draufhat. Das Orchester kommt dann später dazu. (lacht)

Ärgert euch das nicht manchmal, dass der Großteil der Fans nur die alten Sachen hören will?

Gilbert: Nein, ärgern tut uns das überhaupt nicht. Die Sichtweise der Leute verändert sich auch mit der Zeit. Als wir „Ugly Noise“ veröffentlichten, waren die Unkenrufe laut, mittlerweile verlangen die Leute bei Konzerten aber Songs davon. Du musst den Leuten auch Zeit geben, sich an das neue Zeug zu gewöhnen.
Bittner: Das ist das Schicksal aller Bands. Jede hat ihre zwei, drei Klassikeralben und egal wie gut die anderen auch sein mögen, die Fans werden immer nach den Hits verlangen. Ich habe das auch in meiner Funktion bei SHADOWS FALL mitgekriegt, mehr als zwölf Jahre lang. Die wollten immer nur die alten Songs. Die Leute verbinden auch viel Persönliches mit den Songs – wenn ich IRON MAIDEN sehe, will ich auch die Songs von „Killers“ bis zur „Powerslave“ hören. Nichts gegen all die anderen großartigen Alben, aber wenn ich mir was aussuchen könnte, wären die Songs aus dieser Phase.
Das demotiviert doch, immer wieder neues Material zu veröffentlichen.
Eric A.K.: Das stimmt schon irgendwo, aber mit neuen Songs prüfst du dich einfach immer wieder selbst und jeder Band gelingt hie und da auch ein neuer Song, der auf allgemeinen Anklang stößt. Fans sind aber Fans – auch wenn sie die großen Klassiker hören wollen, tolerieren sie die neuen Songs bei Konzerten. Sie recken die Fäuste in die Höhe und feiern mit, einfach deshalb, weil der neue Song live funktioniert. Manchmal kaufen sie sogar dein Album, weil sie einen bestimmten neuen Song, der sie mitreißt, nicht kannten. Das passiert gar nicht so selten.

Gutes Thema – ihr arbeitet ja auch an einem neuen Album.

Bittner: Die Drums sind eingespielt, ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Eigentlich lagen wir perfekt im Plan, mussten aber die Arbeit unterbrechen, weil wir auf Tour gingen.

Wann kommt es dann heraus?

Gilbert: Anfang 2016 wäre als Termin anvisiert. Wir müssen noch alles einspielen und veredeln, aber das sollte sich schon ausgehen.
Eric A.K.: Ich würde es gerne noch vor Weihnachten veröffentlichen, aber Eile haben wir keine.

Werdet ihr das Album unter einem renommierten Label veröffentlichen oder im „DIY“-Modus?

Gilbert: Wir hoffen darauf, dass Metal Blade uns dabei wieder unterstützen werden. Sie sind immer unsere erste Wahl und wir hatten dort sehr lange unsere Heimat.
Eric A.K.: Es gibt auch viele Unterstützer und Spender, die uns ungemein stark helfen. Das Crowdfunding-System hat für die letzten beiden Alben schon sehr gut funktioniert, vielleicht greifen wir wieder darauf zurück, aber ich weiß es noch nicht.

Thrash Metal ist heute so populär wie zu seinen Hochzeiten – das war zur Flaute rund ums Millennium nicht vorhersehbar.

Bittner: Das Auf und Ab ist doch ganz normal und keineswegs ein Thrash-Metal-Phänomen. Nu Metal ist zurück – das ist ja das Ärgste überhaupt! In den USA ist alles vollgepflastert mit Flyern und Plakaten, die LIMP BIZKIT, GODSMACK und COAL CHAMBER bewerben. War das ganze Genre nicht einmal komplett tot? Aber alles kommt wieder zurück.
Eric A.K.: Die Leute tragen heute ja sogar wieder Glockenhosen – das ist für mich immer der beste Beweis, dass sich am Ende doch alles im Kreis dreht.
Bittner: Du siehst auch die Wiederauferstehung der alten Thrash-Bands. OVERKILL, TESTAMENT oder auch wir hauen ein Killer-Album nach dem anderen raus. Jahrelang hat das nicht funktioniert und plötzlich sind alle Teile wieder geil.

Aber es gab auch viele Alben aus den 90er-Jahren, die wirklich gut sind, was aber erst spät erkannt wurde.

Eric A.K.: Da war schon auch viel Scheiße dabei. Natürlich auch von uns, keine Frage. Ich war zum Beispiel niemals ein großer OVERKILL-Fan, bis ich das neue Album gehört habe. Wahnsinn! Ich glaube, das hat durchaus mit Erfahrung der alten Bands zu tun. Du kennst dich im Studio perfekt aus, bist ein besserer Songwriter und plötzlich gelingt dir halt mal wieder ein richtig starkes Statement.
Bittner: „Blood In, Blood Out“ von EXODUS ist zum Beispiel ihr bestes Album seit Ewigkeiten. Und auf der Bühne knocken sie Abend für Abend alle nieder.

Welches eurer Alben ist denn völlig unterbewertet?

Eric A.K.: Alle außer „Unnatural Selection“. Wenn du sagst, es wäre ein Stück Scheiße, dann würdest du es noch überbewerten. (lacht) Ich hasse dieses Album. Wir haben das alles in ein paar Tagen zusammengeworfen und uns keine Gedanken darüber gemacht. Schrecklich.
Bittner: Das ist lustig, denn das dachte ich auch damals als Fan. (lacht)
Eric A.K.: „The Cold“ finde ich sehr stark, obwohl es überhaupt keinen Erfolg hatte und „Ugly Noise“ hat viele unterbewertete Songs drauf und es ist ein bisschen traurig, dass es nicht besser aufgenommen wurde. Andererseits motiviert es dich, alles noch besser zu machen und nochmal durchzustarten. Ich hätte gerne mal ein Fünf-Stunden-Set, wo wir jeden einzelnen Song spielen können.

Glaubt ihr, ihr hättet nach den erfolgreichen ersten zwei Alben noch größer und erfolgreicher werden können?

Eric A.K.: Auf jeden Fall. Diverse Umstände haben das verhindert.
Gilbert: Wir hatten viel Label-Bullshit zu verkraften und rutschten zwischen die Zähne der Major-Labels und Underground-Firmen. Unser Zeug wurde von jemandem betreut, der keine Ahnung hatte, wie man eine Metal-Band zu dieser Zeit zu promoten hatte. 1988 war ein wichtiges Jahr für die ganze Metal-Welt. METALLICA zum Beispiel hätten gar nie so hart arbeiten müssen, weil sie alleine durch die Mundpropaganda schon so riesig waren. Die Majorlabels waren ganz schlecht beim Vermarkten unseres Produkts.
Bittner: Das gleiche passierte uns bei SHADOWS FALL. Auch dort hatten wir ein großartiges Produkt, dass minderwertig beworben wurde. Dann waren sie auch noch enttäuscht, dass wir nichts verkauften, aber da biss sich die Katze in den Schwanz.
Eric A.K.: Die alte Plattenfirma MCA wurde aufgekauft und die führenden Köpfe der neuen Firma nahmen eine Liste und strichen die Bands nach Gutdünken runter. Wenn sie jemanden nicht kannten, war er auch schon uninteressant. ELTON JOHN haben sie behalten, Metalbands nicht.
Bittner: Als Fan habe ich seit 1988 zuhause in New York quasi jede FLOTSAM-Tour verfolgt. Egal ob als Headliner oder als Support für MERCYFUL FATE – die Clubs waren randvoll gefüllt, es war immer ausverkauft. Ich wunderte mich immer, warum sie nicht die größeren Arenen spielten wie TESTAMENT. Als 19-Jähriger habe ich das nicht verstanden, hatte ja keine Ahnung vom Business.
Gilbert: Wir hatten zumindest Michael Largo als A&R, der auch METALLICA unterstützte und er kämpfte wie ein Bär gegen die Labels für uns Bands. Aber nachdem auch er es nicht mit uns geschafft hat, wär hätte es dann noch geschafft? Mir fällt keiner ein.
Eric A.K.: Du kannst den engagiertesten A&R haben, der sich gegen seine Führungsriege stellt und von mir aus die beste Band sein, es wird dir nichts helfen, wenn die oberen Bosse „nein“ sagen, das Album nehmen und nach 30 Sekunden reinhören meinen: „langweilig“. Mehr tun sie nämlich nicht.

Aber was war denn der große Unterschied zwischen TESTAMENT und euch zum Beispiel?

Eric A.K.: In jedem Genre und jeder Zeitrechnung gibt es Bands, die einfach den Tourslot mit METALLICA oder SLIPKNOT kriegen und dadurch ins nächste Level wachsen.
Gilbert: Was denkst du aus der Sicht eines Fans? Warum sind TESTAMENT und EXODUS so viel bekannter als wir?

Ich würde die Frage noch weiter treiben und mache daraus ein: Warum sind ANTHRAX und METALLICA so viel bekannter als EXODUS oder TESTAMENT? Das erschließt sich mir auch nicht immer.

Eric A.K.: Weil sie einfach mehr Alben verkauften. Es geht im Endeffekt nur darum. SLAYER etwa sind auch alles andere als Mainstream und verkaufen sich gut. Weißt du warum? Weil sie – mit Ausnahme von „Diabolus In Musica“, wo sie für eine Sekunde Nu Metal machten – keine Experimente wagten und einfach auf der sicheren musikalischen Seite blieben. Sie haben einfach nicht versucht, 1990 ein „Black Album“ zu schreiben so wie alle anderen.

Zwischen „Reign In Blood“ und „South Of Heaven“ gibt es aber schon große Unterschiede.

Bittner: Sie haben sich als Band weiterentwickelt, das mussten sie auch. Die Songs waren etwas langsamer, haben aber trotzdem das Blut aus den Totenköpfen gepumpt. (lacht) Diese Bands hatten einfach das Glück, ihren Verdienst einzufahren. Schau dir ANTHRAX an. Sie hatten eine furchtbare Zeit, waren schon ganz am Boden, waren sich aber auch nicht zu schade, wieder bei den kleinen Clubs anzufangen. Sie bekamen Joey Belladonna zurück und waren sich für nichts zu schade. Das war der Grund für den nächsten Erfolg – eine Headliner-Band sind sie aber auch heute noch nicht.

Wenn ihr euch jetzt auflösen würdet und in zehn Jahren mit eurem Ur-Mitglied Jason Newsted zurückkehren würdet, dann wärt ihr größer oder? Funktioniert der Markt nicht so?

Gilbert: Die Frage stellt sich einfach nicht, auch weil wir mit Jason einfach einen konstant guten Drummer haben. Es gibt keine Möglichkeit, dass das originale Line-Up je wieder zusammenkommt.
Bittner: Sollte es passieren, mache ich gerne einen Schritt zur Seite, weil ich das selbst gerne sehen würde.

Dann könntest du wieder bei SHADOWS FALL spielen, aber das ist ja vorbei.

Bittner: Mit SHADOWS FALL ist es nicht vorbei, das ist immer noch eine undefiniert lange Pause. Ich hatte zwölf großartige Jahre dort, jetzt machen wir alle unser Ding und ich bei FLOTSAM extrem glücklich.

Wie hat sich das angefühlt, als langjähriger Fan plötzlich Drummer bei den eigenen Idolen zu sein?

Bittner: Das passierte mir schon das dritte Mal, dass ich als Fan in eine Band einsteige. Zuerst bei ANTHRAX, wo ich zwischen 2005 und 2012 viele Live-Shows spielte, dann war ich lange bei TOXIK und jetzt noch FLOTSAM. Ich hänge seit 1988 bei den Shows der Bands herum und bin seit vielen Jahren ein Freund von ex-Drummer Kelly David-Smith. Wir spielten einmal mit SHADOWS FALL in Phoenix und ironischerweise war Scott Goodwine, unser Soundmann, auch der FLOTSAM-Soundmann. Der erzählte mir das Kelly da wäre und sein Sohn Ian entpuppte sich als großer SHADOWS FALL-Fan. So trafen wir uns bei jeder Phoenix-Show und wurden gute Freunde. Ich habe ihm immer ausgeholfen, auch bei den Aufnahmen zu „Ugly Noise“. Kelly wollte dann aufhören, Abstand vom Musikerleben gewinnen und er rief mich an, dass ich seine erste Wahl wäre, um die Nachfolge anzutreten. Er wusste auch, dass es mit SHADOWS FALL gerade vorbei war und ich keinen Bock darauf hatte, mit einer neuen und namenlosen Band ganz von vorne anzufangen. Dafür bin ich zu alt. Und so schloss sich der Kreis. Das Leben hat oft die besten Zufälle für dich.

Ich will euch auch mit einem Interview aus dem Jahr 2006 konfrontieren. Euer Bassist Jason Ward sagte damals: „Es wird nie wieder Line-Up-Wechsel geben. Entweder nehmen wir ein Album mit dieser Besetzung auf, oder nie wieder“. Tja…

Eric A.K.: Für Jason hat ja ohnehin die zweite Aussage zugetroffen. (lacht) O.J. Simpson hat auch gesagt, er war es nicht oder? Wenn du auf Tour bist und alles eitel Wonne ist, dann kannst du dir ohnehin nie eine Änderung vorstellen. Die Realität ändert sich dann aber meistens und jetzt haben wir eben dieses Line-Up. Wir touren gut, schreiben hervorragend zusammen und kommen auch menschlich sehr gut miteinander klar. Wir halten uns gegenseitig am Boden. (lacht)
Gilbert: Du solltest eigentlich noch ein separates Interview mit unserem Gitarristen Steve Conley machen. Wenn du ihn fragst, wie lange er wohl noch in der Band sein würde, würde er sagen: „Bis nächste Woche, mir reicht’s schon“. (lacht)

Ihr hattet aber schon unnatürlich viele Line-Up-Wechsel zu verkraften.

Gilbert: Es liegt jedenfalls nicht am Touren, denn wir reisen eigentlich verdammt selten. Es wäre toll, acht, neun Monate pro Jahr zu touren, aber das funktioniert nicht. Heute musst du selber schon so viel zahlen, um wo mitfahren zu dürfen, das ist alles Bullshit. Die Label buchen dir vielleicht eine Tour um 25.000 Dollar, verlangen aber ohnehin alles zurück, was du nie bezahlen kannst. Es ist einfach nicht fair, aber glücklicherweise sind wir schon so lange unterwegs, dass wir die Buy-On-Sache nicht machen müssen. Die jungen Bands tun mir aber leid.
Bittner: Ein Beispiel. TESTAMENT und EXODUS tourten in Amerika mit einer Band namens SHATTERED SUN. Hatte nie von denen gehört, was aber nicht heißt, dass sie nicht gut wären. Wir als FLOTSAM & JETSAM brauchen ein paar Tausend Dollar, um die Tour zu finanzieren und auch für zuhause was zu haben. Ansonsten machen wir es einfach nicht. Eine Band wie SHATTERED SUN kriegt aber vielleicht ein Viertel davon oder muss sich einkaufen, um den Bus der Headliner zu finanzieren. Es ist nicht so, dass die größeren Bands Schweine wären, aber das Geschäft läuft heute so.
Gilbert: Wenn du in der Historie zurückblickst, hat das ganze Debakel mit den illegalen Downloads begonnen. Das hat natürlich jeden in seinen Möglichkeiten beschnitten, weil im Endeffekt alle darunter leiden.
Bittner: Europa ist dabei aber noch ein heiliges Land, hier kaufen die Leute tatsächlich noch physische Alben. Und wenn sie downloaden, kaufen sie die Alben nach – vor allem Vinyl.
Gilbert: Das könnte auch ein Weg gegen die Piraterie sein – du kannst ohnehin nur mit tollen und schönen Produkten überzeugen. In den USA wird auch Vinyl verkauft, aber fast nur an Hardcore-Sammler.
Bittner: Die alten Leute kaufen Zeug noch – ich bin ja auch so einer. Als ich meine IRON MAIDEN-Platten kaufte, wusste ich, dass Martin Birch der Produzent war. Wer weiß das heute schon noch? Das liest ja keiner mehr in den Booklets oder Inlays. Das kam alles nur davon, dass man sich das Artwork ansieht. Heute klicken die Leute auf Song drei auf irgendwelchen Torrent-Seiten und kennen nicht mal die Songtitel. Der Markt ist Single-basiert. Deshalb sind EPs wieder so populär. Bands bringen eine Fünf-Song-EP raus, touren und das Ganze noch einmal von vorne. Es ist einfacher und reicht.
Eric A.K.: Wenn du jeden Monat einen Song veröffentlichst, bleibst du auch im Gespräch. Das reicht heute vollkommen aus.
Gilbert: Ich sage es so – wenn du schon ein Album aus dem Internet stehlen musst, dann komm wenigstens zu unserer verdammten Show, zahl den Eintritt und kauf dir noch ein Shirt dazu. Wenn das alle so machen, dann können sie von mir aus auch die Alben downloaden. Es geht einfach darum, uns und unsere Musik wertzuschätzen. Wie auch immer. Hauptsache, du entlohnst uns ein bisschen für die Arbeit, die wir für dich machen.
Bittner: Wenn du von deiner 40-Stunden-Woche nach Hause kommen willst, willst du auch deinen Gehaltsscheck sehen. Bei uns ist das nicht anders. (lacht) Die Leute vergessen, dass uns das Albumproduzieren Geld kostet. Vielleicht sind es nur mehr 20.000 statt wie früher 200.000 Dollar, aber hey – auch das Geld hätten wir gerne wieder eingespielt.

Stimmt es eigentlich, dass euer Bandname von „Herr der Ringe“ stammt? Das wäre nämlich irgendwie paradox, da eure Texte keine Fantasy-Themen streifen, sondern – wie im Thrash üblich – sehr sozial- und gesellschaftskritisch sind.

Eric A.K.: Das mit der Herkunft des Namens stimmt. Es geht auch um den Ballast und das Treibgut deiner Gedanken, darum drehen sich auch die meisten Lyrics bei uns.

Könnt ihr euch heute noch mit euren Texten identifizieren, dir ihr vor etwa 30 Jahren geschrieben habt?

Eric A.K.: Alle bis auf die der ersten beiden Alben. (lacht) Wäre „Der Herr der Ringe“ ein Scheißfilm, dann würden die Texte unserer ersten beiden Alben den Inhalt dazu ergeben.

Was ist so schlimm an diesen alten Texten?

Eric A.K.: Sie sind so unreif und schwach. Newsted hat die meisten geschrieben, er ist einfach kein Texter. Das ist furchtbar, wie ich finde. Vor allem ein Song wie „Metal Shock“ – das sind die vielleicht dämlichsten Metal-Lyrics, die ich je gehört habe. (lacht) Es sind natürlich nicht alle schlecht, aber das Gefühl sagt mir, dass die alten Lyrics ziemlich schlecht waren. Dieses Rockstar-Gehabe – unerträglich. (lacht)

Spielt ihr manchmal auch euren Nazi-kritischen Song „The Fuehrer“ im deutschsprachigen Raum? Heuer feiern wir den 70. Jahrestag des Kriegsendes. Die Thematik ist aktuell wie eh und je.

Eric A.K.: Die Reaktionen darauf sind nie negativ, die Leute können es nur oft nicht fassen, dass wir den Song hier spielen.
Bittner: Ich habe letztes Jahr mit TOXIK am Keep It True gespielt und die FLOTSAM-Jungs am Vortag gesehen. Ich konnte es kaum fassen, dass sie den Song in Deutschland wirklich spielen. (lacht) Am Ende geht es ja nur um den Song.
Gilbert: Es ist ja auch ein Anti-Song. Wir hoffen natürlich alle, dass es so jemanden nie wieder geben wird.

Die Leute, die sich nicht auskennen, hören dann aber den doch recht eindeutigen „Sieg Heil“-Refrain. Das kann schon gruselig wirken.

Gilbert: Ja klar, das kann schon komisch wirken, aber man braucht sich ja nur mit dem Inhalt beschäftigen und alle Fragen sind geklärt.
Eric A.K.: Wir haben einmal ein Konzert in Missouri gespielt und da war auch Tipper Gore mit ihren Freunden unterwegs. Sie wollte uns gleich blockieren und es ist schwer, gegen sie zu argumentieren. Hat sie überhaupt die Lyrics gelesen? Sie hat nur Satan am Cover gesehen, aber nicht gesehen, dass unsere Echse Satan auf dem Cover auseinandernimmt. Wir haben Satan nicht promotet, ganz im Gegenteil. Aber soweit schauen die Leute nicht, schützen gleich ihre Kinder und denken nicht nach.

Seid ihr selbst politische Personen, die sich beim Songwriting viele Gedanken über aktuelle Probleme machen?

Eric A.K.: Nicht wirklich, aber ich will natürlich, dass unsere Texte für die Menschen interessant sind. Es sollte jedem etwas bedeuten, ein Inhalt sollte schon transportiert werden – daran denke ich, wenn ich die Texte schreibe. Egal, ob mich die Leute für einen Idioten handeln oder nicht, die Texte kommen von mir.
Gilbert: Ich denke, dass eine politische Stellung dir als Band viel ruinieren kann. Die Leute wollen Spaß haben und nicht deine verfickte Einstellung zur Politik hören. Wir haben immer aufgepasst, uns nicht zu stark anzubiedern. Die Leute wollen sich bei uns ja auch entspannen.
Eric A.K.: Ich beobachte Bands mit politischen Lyrics gerne. Die schreiben immer darüber, was sie sehen, haben aber keine Ahnung von den ganzen Hintergründen. Selbst wenn ihr Blick drauf falsch ist, kannst du es ihnen nicht ankreiden, weil sie halt nur das Eine sehen. Wir wollen vielleicht absichtlich etwas dämlicher klingen.
Gilbert: Sex, Drugs und Rock’n’Roll – mit diesen Themen verkaufst du Alben.
Bittner: Und mit Satan – der gehört schon auch dazu. (lacht)

Was denken sich eure Frauen und Freundinnen, wenn ihr in eurem Alter noch immer so viel tourt und wie Jugendliche lebt, die mit Bussen von Venue zu Venue fahren?

Eric A.K.: Meine Frau glaubt wohl oft, ich stehe ohnehin nur in der Garage und schraube an meinem Truck herum.
Bittner: Für meine Frau ist das kein Problem. Wenn ich daheim bin, bin ich dafür zu 100 Prozent auf die Familie fokussiert. Das ist der Ausgleich, den man auch bieten muss. Ich kenne meine Frau seit 1991, wir sind seit 13 Jahren zusammen und wir sind ja schon unter diesen Umständen in die Beziehung gerutscht. Sie unterstützt mich und ich bin verdammt dankbar dafür.

CROWBARs Kirk Windstein hat seine Göttergattin ja sogar als Tourmanagerin dabei. Ihr aber tourt lieber als reine „Salamiparty“?

Bittner: Das liegt daran, dass er noch frisch verheiratet ist. Gib ihm fünf, sechs Jahre und er wird alleine reisen. (lacht) Der Abstand ist schon okay, meine Frau war früher oft mit, macht das aber schon lange nicht mehr. In so einem Tourbus durch die Gegend gondeln ist auch für sie nicht sonderlich lustig. Heute mit dem Internet und allen Plattformen ist die Entfernung USA zu Europa kein Problem mehr. Wenn du 20 Minuten am Tag vielleicht von Angesicht zu Angesicht skypen kannst, ist schon viel geholfen. 1997 war ich das erste Mal in Europa und ich brauchte eine Woche, bis ich meine damalige Freundin überhaupt erreicht hatte. Das war alles nicht so einfach.
Eric A.K.: Es ist schön, dass man zuhause einen Anker hat, der die Rechnungen bezahlt und auf das Haus aufpasst, während du ein paar Wochen weg bist. Das ist eine große Hilfe.
Bittner: Und um ehrlich zu sein – wenn wir unterwegs sind, ist das auch Burschen-Zeit. Wir machen nichts Schlimmes, aber wir verwandeln uns auf Tour in 15-jährige Buben und lachen über unser Fürze und Schwanzwitze. Was soll eine Frau daneben machen? (lacht) Ich liebe meine Frau bis in den Tod und will immer mit ihr zusammen sein, aber auf Tour würde das einfach nicht passen.
Eric A.K.: Wenn du eine Frau im Bus hast, musst du auch aus dem Bus raus um zu furzen. Da ist zusätzlich verdammt anstrengend. Es ist angenehmer zu schreiben: „Jungs, habt ihr den gehört? Überbietet das mal“, ohne sich dabei bewegen zu müssen. (lacht)


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