Interview: Nuclear Assault - Dan Lilker

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Nach zehn Jahren war es wieder mal Zeit, richtigen Old-School-Shit zu schreiben. - NUCLEAR ASSAULT-Bassist Dan Lilker weiß, was die Fans wollen.

NUCLEAR ASSAULT zählen zweifellos zu der Handvoll Thrash-Metal-Bands, die zeit ihres Lebens stark unter Wert geschlagen wurden. Im Zuge ihrer "Final Assault 2015"-Tour haben Cheffe Reini Reither und Lakai Robert Fröwein Bassist und Bandgründer Dan Lilker in der Wiener Arena abgefangen, um mit ihm über Ungerechtigkeiten, tote Ziegenköpfe, den Eisernen Vorhang und dreckige Socken zu sprechen.

Veröffentlicht am 27.07.2015

Dass Metal-Musiker nicht immer mit den besten Manieren ausgestattet sind, das ist gemeinhin kein Geheimnis. Trotzdem mutet es seltsam an, wenn ein 50-Jähriger, mit beiden Beinen fest im Leben stehender Mann sein Shirt während eines Interviews zu einem Cronos-Rock-Hard-Festival-Gedenk-BH zwirbelt, dabei einen halben Dschungel Brusthaare hervorquellen lässt und - an seinen Zigaretten ziehend - herzhaft und mit großer Lebenslust durch den ganzen Catering-Raum rülpst. Irgendwie aber auch cool, denn NUCLEAR ASSAULT-Bassist und Metal-Legende Dan Lilker (BRUTAL TRUTH, ANTHRAX, NOKTURNAL HELLSTORM, S.O.D. etc. etc.) ist eben mehr "DIY" und "Raw Attitude" als so mancher Möchtegern-Poser, der sich abseits des harten Tourlebens doch lieber hinter Mami's Rockzipfel versteckt. Dan gehört zu den am härtesten arbeitenden Musikern Amerikas, ist im Denkprozess angenehmerweise gar nicht so wie seine üblichen Landsleute gestrickt und fast peinlich berührt, wenn man ihm zu seiner grandiosen Karriere gratulieren will. Vor der - Zitat Sänger John Connelly: "Zweitheißesten Show der Bandgeschichte" - in der kleinen Halle der subtropischen Wiener Arena hat sich Lilker ausführlich Zeit genommen, um über so manch aktuelles und wichtiges Ereignis zu resümieren. Wenn auch mit etwas Verspätung, denn die Autogramm- und Fotowünsche vor unserem Gesprächstermin nahmen gar kein Ende...

Reini Reither: Dan, mit NUCLEAR ASSAULT bist du schon seit etwa einem Monat in Europa und hast dabei Riesenfestivals wie Sweden Rock, Hellfest oder das Bang Your Head gespielt. Was blieb dir dabei besonders gut in Erinnerung?

Nach dem Sweden Rock und dem Hellfest sind wir nach Hause geflogen, dann erst wieder nach Europa zurückgekommen. Der erste Gig war dann das Exit Festival in Serbien. Die Festivalshows waren grandios, es gab viel Energie im Publikum und alles fühlte sich wirklich gut an.

RR: Vor ziemlich genau 30 Jahren hast du NUCLEAR ASSAULT ins Leben gerufen und jetzt seid ihr gerade auf der „Final Assault“-Tour, der ein neues Album folgen soll. Unlängst habt ihr die wirklich starke EP „Pounder“ veröffentlicht. Ist „Final Assault“ möglicherweise nur ein Ablenkungsmanöver?

Möglicherweise. (lacht) Wir haben einfach darüber gesprochen, in Zukunft mehr relaxen zu wollen. Das Feedback der Fans auf den Festivals war aber großartig und auch die Konzertpromoter haben uns gefragt, ob wir nicht weitermachen möchten. Wenn jetzt zum Beispiel ein Veranstalter aus Rumänien fragen würde, ob wir bei ihm spielen könnten, verdammt noch mal ja, dann sind wir mit Sicherheit dort. Es ist nicht wirklich alles final.

Robert Fröwein: Ihr habt aber keine Lust mehr, handelsübliche Touren zu fahren?

Wir werden wohl selektiver vorgehen. Unser Sänger John Connelly ist außerdem Lehrer, was die ganze Sache nicht einfacher macht. Es ist nicht so einfach für ihn, immer den Job zurückzulassen. Wir sind keine 20 mehr und arbeiten alle in Bullshit-Jobs, er muss mittlerweile auch eine Familie ernähren. Die üblichen Veränderungen, die mit dem Alter einhergehen.

RF: „Pounder“ ist eine ziemlich rohe, harte, aggressive EP, die auch einige Überraschungsmomente beinhaltet. So zum Beispiel die Clean-Vocals von John auf „Died In Your Arms“ und die doch etwas melodischere Herangehensweise. Warum eigentlich?

(lacht) Das ist Johns Song, er hat die Musik und die Lyrics dazu geschrieben. Die anderen drei Songs sind schon wesentlich schneller. Ich war ziemlich überrascht als ich im Studio saß und er mit dieser Stimmlage daherkam, aber ich denke, dass das Ergebnis wirklich gut ausgefallen ist. Es gibt dem Ganzen einen ziemlich dramatischen und dynamischen Touch. Man muss sich oft zwingen, einmal etwas anderes zu machen, aus den üblichen Herangehensweisen auszuscheren und ich finde es cool, dass ihm das gelungen ist. Am Anfang dachte ich mir schon: „Was zur Hölle macht er da?“, aber als die ganze Komposition fertig war, ergab das durchaus Sinn.

RR: Meiner Meinung nach gibt dieser Song der ganzen EP eine spezielle Note.

Das liegt daran, dass der Song einfach mehr Tiefe besitzt. Die Songs, die ich schreibe, sind meist schneller, direkter und intensiver. „Died In Your Arms“ hat einfach mehr Atmosphäre und Gefühl.

RF: Die EP ist auf jeden Fall ein großer Schritt in die richtige Richtung, nachdem euer letztes Studioalbum „Third World Genocide“ (2005) ja doch eher mau ausfiel.

Das mussten wir korrigieren. (lacht) Da hat einfach nichts zusammengepasst. Wir waren nicht inspiriert und der Typ vom Label hat einfach nur gesagt, wir müssten ein Album einspielen. Wir wollten ja nicht einmal, aber er hat damals Druck gemacht. Ich würde das Werk jetzt nicht als furchtbar bezeichnen, aber es war definitiv das schwächste in der NUCLEAR ASSAULT-Diskografie. Ich war nie glücklich damit und so war es Zeit für die neuen Songs. Ich wollte keinesfalls mit „Third World Genocide“ als letztes richtiges Lebenszeichen im Rücken auf Tour gehen. Nach zehn Jahren war es wieder mal Zeit, richtigen Old-School-Shit zu schreiben.

RF: Mein Lieblingssong auf „Pounder“ ist „Analog Man In A Digital World“, weil der Song eine extreme Punk-Schlagseite hat. Wie wichtig ist euch der Punk heute neben dem Thrash Metal?

Darüber denken wir nicht nach. Wir schreiben einfach unsere Musik und was dabei herauskommt, das hängt natürlich mit unseren Einflüssen zusammen. Früher waren wir stärker von anderen Bands inspiriert, heute schreiben wir einfach unsere Songs. Das erste Riff hat diesen CELTIC-FROST-„Uuuuääägh“-Vibe, aber der Song wird dann ziemlich moshig. Es war übrigens das erste Riff meines Lebens, das ich nach einer Textidee schrieb. Wir bekamen die Anfrage per E-Mail für das Bang Your Head Festival und alle in der Band haben geantwortet, nur John nicht. Ich habe dann gesagt: „Wo zum Teufel bleibt deine Antwort?“ und er darauf nur: „Mann, ich bin ein analoger Typ in einer digitalen Welt“. (lacht) Daraufhin habe ich das Riff gemacht.

RF: Fühlst du dich auch wie ein analoger Typ in einer digitalen Welt?

Ich hasse Facebook, Twitter und all den Scheiß. Selbstverliebte Fotzen laden dort ihren Stumpfsinn ab, der ohnehin niemanden interessiert.

RF: Andererseits sind die Social-Media-Kanäle für Bands mittlerweile essenziell.

Natürlich, für die Promotion ist das natürlich toll, aber ich habe zum Beispiel keine private Facebook-Seite. Ich habe eine Seite, um mein Buch zu promoten, aber keine private. Meine Frau hatte mal eine, aber ich hab sie immer davor gewarnt, dass Facebook wie ein Stalker ist. Warum sollte ich jeden Bullshit beantworten, den mir die Leute stellen? Für mich ist das nichts.

RR: Euer Drummer Glenn Evans hat das Label Sidipus Records ins Leben gerufen, um alte NUCLEAR ASSAULT-Demos, Klassiker und Live-Recordings zu veröffentlichen. Jetzt habt ihr auch „Pounder“ darauf rausgebracht. War das von Anfang an klar, denn bei dem starken Material haben sich sicher auch größere Plattenfirmen angestellt?

Es war einfach leichter, das so bewerkstelligen, weil Glenn auch die nötige Kohle für die Produktion hatte. Wir wollten uns nicht von irgendwelchen Vereinbarungen gefangen nehmen lassen, die uns ohnehin nicht interessieren. Heute ist das alles nicht so einfach, in Zeiten des Downloadens und Streamens. Das war ein weiterer Grund, warum wir eine EP einem 45-Minuten-Album vorzogen. Hier habt ihr das Zeug – alles pressfrisch! Wir haben erst letzten Oktober mit dem Songwriting begonnen. Wir leben nicht mal in denselben Städten und es wäre sehr schwierig, ein volles Album guter Qualität in dieser Zeit zu schreiben. Wir haben vier Songs geschrieben und werden bis Dezember vier weitere schreiben. Wir werden sehen, was dann passiert.

RR: Die Vinyl-Version kommt über das UK-Crossover-Label Dry Heaven Records, die mir am Sonntag eine Mail schrieben, dass sie mir eure Platte eingepackt haben. Warum habt ihr euch genau mit ihnen zusammengeschlossen?

Das müsstest du Glenn fragen, ich habe keine Ahnung wieso. Es liegt wohl auch daran, dass die Verbreitung in England und Europa einfacher ist. Was weiß ich? Ich bin nur der Bassist (rülpst laut).

RR: Du bist wohl doch etwas mehr als ein Bassist. Du hast 1984 NUCLEAR ASSAULT gegründet, als Originalmitglied von ANTHRAX die Geburtsstunde des Thrash Metal miterlebt, warst bei S.O.D. und natürlich auch bei BRUTAL TRUTH. Bist du dir eigentlich bewusst, dass du in der Metalszene eine Art von Legende bist?

Ich höre das ziemlich oft und weiß das zu schätzen, das macht mich oft ganz zittrig. Ich weiß, dass ich in guten Bands spielen durfte und auch den einen oder anderen guten Song schrieb, aber ich habe ein stinknormales Ego. Es ist manchmal etwas verrückt, weil ich überhaupt keine Rockstar-Attitüde besitze und mir das fast peinlich ist. Ich will nicht, dass mir Leute die Füße küssen oder so einen Scheiß. Ich bin froh, dass ich das machen kann und weiß es zu schätzen, wenn es den Leuten gefällt.

RF: Findest du, dass NUCLEAR ASSAULT über die letzten 30 Jahre nicht ständig unter Wert gestellt wurde? Ich meine – für mich habt ihr wesentlich geilere Songs geschrieben als ANTHRAX, aber die haben natürlich das zigfache an Ruhm eingeheimst.

Ich denke nicht so. Wir waren in der zweiten Thrash-Welle, aber waren auch immer etwas härter. Die Bay-Area-Bands waren melodischer und bei uns war etwas mehr Punk und Aggressivität im Spiel. Mir ist es aber egal, ob wir jetzt etwas mehr oder weniger Alben verkauft haben. Kein Problem. Das mit ANTHRAX ist wohl Geschmackssache, aber ich würde dir zustimmen. (lacht) Aber der Großteil der Leute hat vielleicht keinen so guten Geschmack wie wir, aber ich will jetzt sicher keine Scheiße über ANTHRAX erzählen.

RF: Warum wart ihr denn so aggressiv?

Mann, das war wohl einfach geografisch bedingt. In New York gab es weit mehr Hardcore-Einflüsse und dorthin hat sich auch der Stil angepasst. Denk dir nur mal, wie groß die USA sind, natürlich bilden sich da die verschiedensten Stile heraus. Wir hatten vielleicht mehr Interaktion mit Hardcore?

RF: Wie lief das damals ab?

Damals war das großartig und die Hardcore-Bands hatten musikalisch als auch textlich einen großen Einfluss auf uns. John hatte guten Kontakt zum CBGBs und die Leute waren sehr nett und haben uns oft eingeladen. Die riesengroßen Skinhead-Typen waren total freundlich und haben uns oft ein Bier spendiert. Die Jungs dort kannten uns einfach, wir waren oft dort und es war alles cool.

RF: War das Livespielen vor dem Publikum früher besser als heute? Weil da vielleicht mehr Feuer bei den Fans vorhanden war?

Nein, es war natürlich eine andere Zeit und die Leute waren vielleicht deshalb etwas enthusiastischer, weil Thrash damals einfach so neu war. Es gab noch keine Vorlagen und wir konnten tun, was wir wollten. Wir mischten einfach DISCHARGE mit VENOM. Aber auch die Shows heute haben eine verrückte Energie. Eine Thrash-Show ist eine Thrash-Show – 1985 wie auch 2015.

RF: Bei NUCLEAR ASSAULT gab es 1997 und 2001 bereits zwei Reunions, nachdem ihr mehrmals den Hut geschmissen habt. Kommt dir das rückblickend ein bisschen wie eine Soap Opera vor?

Manchmal ein bisschen. Wir hatten halt hie und da das Gefühl, dass wir mal Abstand brauchen, dann wiederum waren wir motiviert. Ein ewiges Auf und Ab, so ist das eben. Derzeit sind wir wieder stark im Geschäft, ein Monat Europa und danach eine Südamerika-Tour mit EXCITER. Vielleicht werden wir nächsten Sommer noch mehr touren, „Final Assault“ heißt ja, wie bereits gesagt, nichts Endgültiges.

RR: Einer eurer bekanntesten Tracks war „Hang The Pope“. Ist die Nummer, 29 Jahre nach dem Release auf „Game Over“, aktueller denn je zuvor? Oder hat die Kirche jetzt mit Papst Franziskus doch etwas von ihrer ultrakonservativen Einstellung eingebüßt?

Der neue Papst scheint tatsächlich ein bisschen offener zu sein. Der Witz daran ist, da dieser Papst etwas cooler ist, würden wir ihn einfach nur ordentlich zusammenschlagen, anstatt ihn gleich zu hängen. (lacht)

RR: Euer Bandname scheint heute aktueller denn je zuvor zu sein. Befürchtest du bald einen Dritten Weltkrieg, der mit Atomwaffen geführt wird? Hatten NUCLEAR ASSAULT da möglicherweise schon eine prophetische Rolle?

Die Welt heute ist eine ganz andere. Damals gab es den Kalten Krieg und plötzlich fiel der Eiserne Vorhang. Dann kamen die Russen wieder. Bei Putin kann man sich durchaus seine Sorgen machen, der Typ ist nicht ohne. Wenn er etwas will, dann nimmt er es sich einfach. Das hat man doch eindeutig beim Thema Krim gesehen, wo er sich einfach einen Teil eines anderen Landes einverleibt. Schon davor gab es ziemlich viel Scheiße mit Georgien oder den Tschetschenen. Das ist fast so, wie es einst Slobodan Milośević in Jugoslawien gemacht hat. „Das sind verdammte Moslems – schießen wir einfach darauf“. Ich glaube, die Leute wissen heutzutage schon sehr gut, dass wir uns so auf das Ende zubewegen. Schau dir die verdammten ISIS-Typen an, die sind doch total daneben. Die schießen einfach auf alles und sehen ein Land wie Israel zukünftig wohl als eine Art Parkplatz. Überall regiert Angst und Aggression und der Mittlere Osten spielt dabei die größte Rolle.

RR: Braucht die westliche Welt nicht immer einen Feind? Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs war es der Osten Europas, jetzt ist es die muslimische Welt.

Sie brauchen einen Grund, um die ganzen militärischen Sachen einsetzen zu können. Sie müssen ihre „Verteidigungsstrategie“ irgendwie rechtfertigen. Als der Vollpfosten von George W. Bush in den Irak einfiel, kostete das den amerikanischen Steuerzahlern Millionen von Dollars pro Tag. Die Kohle wurde einfach die Toilette runtergespült.

RF: Wie sieht es um deine persönliche Zukunft im Musikgeschäft aus? Es scheint ja so, als ob du dich stetig zurückziehen würdest.

Ich mache nicht mehr so viel wie früher, spiele aber immer noch in lokalen Bands. Ich habe noch die Black-Metal-Band NOKTURNAL HELLSTORM und auch BLURRING, wo ich verrückten Tech-Grind spiele, wo du in wenigen Sekunden Millionen von Noten hörst. (rülpst wieder laut auf) Manchmal mache ich auch noch etwas mit VENOMOUS CONCEPT und NUNFUCKRITUAL. Hie und da gibt es noch Shows mit LOCK UP, aber es ist einfach alles viel entspannter als früher. Ich bin mittlerweile auch 50.

RR: VENOMOUS CONCEPT sind ja auf Season Of Mist Records. Ist da ein neues Album geplant?

Ja, das sollte sogar bald einmal erscheinen, aber ich habe gerade vergessen, wie es heißen wird oder wann es genau erscheint. Es ist aber aufgenommen und es geht nur noch um ein paar Details.

RF: Welchen Zugang hast du zu Black Metal, nachdem du auch bei NOKTURNAL HELLSTORM aktiv bist? In den USA fristet dieses Genre ja nach wie vor ein Nischendasein.

Es stimmt schon, dass im Gegensatz zu Nordeuropa in den USA eher der Brutal Death Metal grassiert, aber es gibt den Black Metal im Underground schon seit den frühen Zeiten dieses Genres. Ich bin kein Satanist, denn ich glaube an gar nichts, aber ich bin ein verdammter Antichrist. Zumindest kann ich damit etwas anfangen. Alle Religionen wollen dich nur in eine Richtung rücken, dir ihre Welt in die Gedanken pflanzen und sie allen haben eine gewisse Art von legaler Kraft und Bedeutsamkeit in den USA. Frauen dürfen in Texas noch immer nicht abtreiben – das ist ein Mitgrund, warum ich Black Metal spiele. Ich missachte diese Normen einfach.

RF: Arbeitet ihr auch mit demselben Image vieler anderer Black-Metal-Bands? Corpsepaint, Nieten, Leder?

Das ist nicht so einfach, wenn du auf den minikleinen Bühnen Spikes trägst, stichst du damit Bandmitglieder und Zuseher ab. (lacht) Da hörst du bei jedem Riff ein „au“. Wenn es dunkel ist und ich zu besoffen bin, ist mir das auch zu blöd, mich damit auszustaffieren. Scheiß drauf, lass uns rausgehen und spielen.

RF: Jungfrauenopferungen auf der Bühne sind primär also nicht geplant?

Vorerst nicht. Wir hatten ein großes verkehrtes Kreuz und einen toten Fuchs. Unser Sänger hat einen Ziegenkopf auf einem Stock, um damit zu posen.

RR: Du hast vorher dein Buch „Perpetual Conversion“ angeschnitten, wo du über dein Leben und deine Karriere geschrieben hast. Wie hat sich das für dich angefühlt und was bei diesem Arbeitsprozess für dich am Schwierigsten?

Ich habe das nicht wirklich zu verantworten, sondern der Autor Dave Hofer, der mich dafür tagelang interviewt hat und auch mit vielen anderen gesprochen hat. Ich war zuhause, habe mich zurückerinnert, alte Tourbücher und Poster ausgegraben. Das hat geholfen, die Erinnerung wiederaufzufrischen und der ganze Prozess war wirklich aufregend für mich. Dave hat dann all die Eindrücke und Interviews zusammengefasst und zu einer schlüssigen Geschichte komprimiert – das hat natürlich ordentlich viel Zeit in Anspruch genommen.

RR: Wie glücklich bist du mit dem Endergebnis?

Ziemlich glücklich. Ich habe schließlich noch nie zuvor ein Buch über mich gelesen, insofern war es sehr okay. (lacht)

RF: Für NUCLEAR ASSAULT waren gesellschafts- und politkritische Texte stets ein Muss. Habt ihr immer noch dieselbe Energie und dasselbe Interesse dafür, wie vor etwa 25 Jahren?

Natürlich, heute gibt es ja noch viel mehr abgefuckten Shit, über den es sich zu singen lohnt. Es gibt immer etwas zu reden, selbst wenn es mal nur etwas Persönliches wie der „Analog Man“ ist. Natürlich ist die Technologie gut, wenn es darum geht, mir ein vernünftiges GPS-System auf mein Telefon zu holen, aber wir werden immer älter und die 20 Jahre alten Kids, die wirklich alles mit ihren Telefonen machen können, die interessieren mich nicht. Das ist nicht meine Welt. Du kannst dir deinen App-Store ruhig behalten.

RF: Lebst du immer noch in New York? Ich habe unlängst mit Roger Miret von AGNOSTIC FRONT gesprochen und er wünscht sich in einem Song das „alte New York“ zurück. Wie geht es dir damit?

Ich wohne in Rochester, einem Vorort von New York. Wenn ich heute dorthin in New York zurückgehe wo ich aufwuchs, ist das für mich ein Scheißloch. Es ist zu heiß, zu teuer und es gibt zu viele Menschen, die noch dazu immer gestresst und unfreundlich sind. In Rochester ist alles viel kleiner, billiger und die Menschen dort sind alle extrem nett. Dort leben auch einige Freunde von mir, mit denen ich in Bands zusammenspiele.

RR: Schreibst du eigentlich immer noch Kolumnen für das „Zero Tolerance Magazine“?

Nein, damit habe ich glaube ich schon vor zehn Jahren oder so aufgehört.

RR: Wenn du dich an diese Zeit zurückerinnerst – wie war es so, auf der anderen Seite der Medaille zu sein? Was waren die Vorzüge, für ein Musikmagazin zu schreiben?

Für mich war es einfach eine weitere Möglichkeit, kreativ zu sein. Anstatt Musik zu schreiben verwendest du deine Energie und deine Gedanken für etwas anderes. Wenn mir etwas in den Sinn kam, habe ich es in Worte gefasst und niedergeschrieben – ich hatte dort ziemlich viele Freiheiten. Früher hatte ich in der Schule „Kreatives Schreiben“ und das war für mich so etwas in der Art.

RF: Wenn du so kreativ bist, könntest du ja auch ein paar Bücher schreiben?

Wer weiß das schon so genau? Ich mache viele kreative Sachen. Verschiedene Aufnahmen zuhause im Studio etwa. Der Sänger von NOKTURNAL HELLSTORM spielt auch in einer elektronischen Black-Metal-Band und dort bin ich für das Programmieren zuständig. Das ist so eine Mischung aus kaltem Black Metal und SKINNY PUPPY.

RF: Abschließend passend zum Bandnamen – wenn es dir erlaubt wäre, drei Dinge zu atomisieren, auszulöschen, welche wären das?

Drei Kirchen.

RF: Welche genau?

Kirchen in Florida, Alabama und Georgia.

RF: Und warum genau diese?

Weil sie gottverdammte Rednecks sind und es nicht verdienen, meine Luft zu atmen.

RF: Was liebst und was hasst du am meisten an deinen Bandkollegen?

Ich mag es, dass sie aus denselben Gründen wie ich noch immer am Start sind. Wir spielen alle Metal und wollen eine gute Zeit haben – das ist das Wichtigste überhaupt. Hingegen hasse ich es, wenn sie schnarchen. Wir fahren ja nur in einem Van herum und da kann ich auszucken, wenn ich nicht zum Schlafen komme.

RF: Du kannst ihnen ja die Mäuler mit ihren Socken stopfen.

(lacht) Das wäre tatsächlich nicht die allerschlechteste Idee.


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