Interview: Amestigon

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Was sollen wir von Bands halten, die zwar mit dem musikalischen Ausdruck des Black Metals etwas anfangen können, nicht jedoch mit dem inhaltlichen Überbau? Nichts natürlich.

Amestigon liefern mit "Thier" ein sensationelles zweites Album ab, welches die Band endgültig an der Spitze der Bewegung positionieren sollte.

Text: Alex M.
Veröffentlicht am 08.09.2015
  1. Gerade erschien euer Album „Thier“, nach 2010 ist das erst das zweite, immerhin gibt es die Band seit 1995. Wie kommt es zu diesen Wartezeiten?

Amestigon: Bis wir anfingen, an „Sun Of All Suns“ zu arbeiten, haben wir eigentlich nicht regelmäßig geprobt und vor allem auch viel Energie in all die anderen Bands und Projekte, in denen wir tätig waren, gesteckt. Irgendwie ist sich da nie mehr Material ausgegangen als eben für EPs und Splitveröffentlichungen. Ab dem Zeitpunkt, ab dem wir einen fixen Proberaum hatten und, was letztendlich noch viel wichtiger war, uns regelmäßig trafen, um die Lieder zu spielen, ging es eigentlich verhältnismäßig „schnell“. Wir lassen uns generell gerne Zeit mit neuen Liedern und bis eines soweit ist, dass wir das Grundgerüst aufnehmen können, haben wir es mitunter komplett verändert. Unser Zugang, Lieder zu machen ist ein sehr intuitiver und meistens entstehen sie durch exzessives Jammen von Riffs, die wir schon haben. Bei jedem Mal Spielen kommen neue Elemente dazu und je nachdem wie die für uns funktionieren, werden sie zusammen mit dem bereits Vorhandenen verschmolzen, bis das Lied dann so klingt wie auf der Veröffentlichung. Hinzu kommt, dass wir, wie viele andere auch, nach den Aufnahmen für ein neues Album für einige Zeit in ein kreatives Loch fallen, erschöpft sind und uns stark motivieren müssen, etwas Neues zu schaffen.

 

  1. Im Gegensatz zu „Sun Of All Suns“ ist „Thier“ ausladender, progressiver. War das ein bewusster Prozess oder haben sich die Stücke mehr oder weniger selbst in diese Richtung entwickelt?

Amestigon: Wie vorher schon erwähnt, ist das ein Prozess, der von uns – wenn überhaupt – nur unterbewusst gesteuert wird. Irgendwann, wenn sich dann für uns ein Gesamtbild abzeichnet, achten wir schon genauer auf die Arrangements. Wie sind die Lieder angeordnet? Passen Anfang und Ende? Wir haben aber keinerlei Grenzen nach oben wenn es um die Länge unserer Lieder geht. Für uns haben die Lieder, so wie sie dann bereit zur Aufnahme waren, genau so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben. Dann beginnt die große Herausforderung, das Ganze auch so aufzunehmen und in Wahrheit sprechen wir hier nur von den Grundgerüsten. Ganz viele Spuren werden dann im Studio improvisiert. Wir sind nur zu dritt und proben mit zwei Gitarren und Schlagzeug. Bass, Synths, Gesang und einige Gitarrenoverdubs werden erst bei der Aufnahme gespielt. Natürlich haben wir bestimmte Vorstellungen wie es im Endeffekt zu klingen hat, bis jetzt haben die sich meistens aber nur bedingt mit der aufgenommenen Realität gedeckt.

 

  1. Ihr pflegt einen für Black Metal sehr untypischen Sound. Organisch und natürlich, vor allem das Schlagzeug und die Gitarren. Ihr bildet damit einen Gegenpol sowohl zu den alten, klirrenden Veröffentlichungen, die heute auch gern kopiert werden als auch zu den eher in Richtung Hochglanz getrimmten Produktionen. Auf was legt ihr besonderen Wert bzw. was ist in euren Augen die größte "Sound-Sünde“ dieser Zeit?

Amestigon: Wir haben sehr eigene Vorstellungen was den Sound betrifft, den wir haben wollen. Wir sind froh, dass wir seit einiger Zeit ein ziemlich fixes, für uns gut funktionierendes Setup für unsere Gitarren haben. Das heißt, dass sich unser Sound alleine deswegen schon ziemlich verändert hat und nichts mehr mit dem zu tun hat, wie wir beispielsweise auf „Remembering Ancient Origins“ geklungen haben. Natürlich haben wir uns auch musikalisch weiterentwickelt, das ist ein ganz natürlicher Prozess, den wir auch nicht künstlich aufhalten wollen, nur um womöglich immer noch einem Stil zugeordnet werden zu können. Diese Art von Selbstlimitierung wollen und können wir uns selber nicht auferlegen. Man kann schon sagen, dass wir mittlerweile sehr viel Wert auf den Sound legen und sind sehr bedacht darauf, unsere Lieder bzw. das Album klanglich auch so zu repräsentieren, wie wir uns das vorstellen. Jeder von uns muss dahingehend auch Kompromisse schließen, da wir drei Leute in der Band sind und nicht eine Person Kontrolle über das musikalische Schaffen AMESTIGONs hat. Allerdings haben wir drei sehr ähnliche Vorstellungen wie unsere Musik zu klingen hat!

„Sound-Sünden“ können wir dir jetzt keine konkreten nennen, da viel im Kontext gesehen werden muss. Wir sind jedoch alle keine Freunde von überproduzierten, überkomprimierten und letztendlich leblosen Sounds. Wir wollen Dynamik.

 

  1. Ihr seid seit euren Anfangstagen eng mit ABIGOR verbunden. Wie tief gehen die Bande? Haben die Bands auch ideologische Gemeinsamkeiten, einen Pfad, den beide Bands gleichermaßen beschreiten?

Amestigon: Mit ABIGOR verbindet uns eine langjährige Freundschaft. TT war außerdem maßgeblich daran beteiligt, dass wir jetzt bei W.T.C. veröffentlichen und für die Unterstützung sind wir ihm sehr dankbar. Wir diskutieren jedoch immer wieder über die Auslegung unserer Ansichten und Zugänge zum LHP, was nicht selten darin mündet, dass wir gewisse Dinge unterschiedlich bewerten. Dennoch können wir nicht verleugnen, dass beide Bands ein inhaltliches Ziel haben, nämlich dem Widersacher IHVH’s, dem Versucher und seinen Verbündeten, die die Schönheit der Welt abwärts und inwärts deuten und nicht aufwärts zum Reich des Himmels als Sprachrohr zu dienen.

 

  1. Wie würdet ihr eure ideologische Ausrichtung beschreiben? Um was drehen sich eure Texte?

Amestigon: Da wir uns als Black-Metal-Band verstehen, ist unser thematisches Konzept relativ klar eingegrenzt. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir auf „Sun Of All Suns“ vom Gesamtkonzept her andere Energien kanalisierten als auf „Thier“ oder den Aufnahmen davor. Auf dieser Platte geht es eigentlich um die Absenz von Moral (so wie sie uns beigebracht wurde) und ihre Korrespondenz mit weltlichen Ereignissen, um das graue Böse, welches nichts mit dem metaphysischen Bösen zu tun hat, das ja vollkommen unmenschlich ist. Eine vertonte nietzscheanische Neubewertung alter Werte, Freund wird Feind und Leben wird Tod. Ain Soph zum Beispiel haben mit „Aurora“ nach jahrelanger Kanalisierung magischer Ströme eine metapolitische, weltliche Platte herausgebracht. „Sun Of All Suns“ ist sozusagen unser „Aurora“. „Thier“ hingegen ist wieder eine rein spirituelle Platte, auf der das ewige Streben nach luziferianischer Erkenntnis im Mittelpunkt steht, die Gnosis des Lichtbringers in der Inkarnation als Thier.

 

  1. Ein Titel wie „358“ oder auch „Hochpolung“ ist eher ungewöhnlich, was steckt dahinter?

Amestigon: Alle Titel sind, passend zu den Texten, Ausdruck unserer persönlichen Auseinandersetzung mit Magie und der Doktrin des O.L.L.. Jeder, der will, kann sich damit auseinandersetzen. Allerdings geben wir zu bedenken, dass einem Google hier nicht mehr weiterhelfen wird, als dass man einen vagen Eindruck einer Weltanschauung bekommt, die nicht für die nach Unterdrückung und Verdummung sehnenden Massen gedacht ist und alleine darauf beruht, sich selber als Mensch weiterzuentwickeln.

 

  1. Ihr seid nun mit dem neuen Album auch bei einem neuen Label, welches stellenweise recht heftig kritisiert wird. Wie kam es dazu und welche Erfahrungen habt ihr bisher damit gemacht?

Amestigon: Unsere Erfahrungen mit World Terror Committee sind ausschließlich positiv. Sven kümmert sich hervorragend um uns und zieht dieses Label mit einer Professionalität durch, die seinesgleichen sucht. Was da natürlich noch hinzukommt ist, dass wir die meisten Bands die gerade auf W.T.C. veröffentlichen sehr gut finden und es für uns im Moment wenig „wichtigere“ Labels für Black Metal gibt.

 

  1. Wird es AMESTIGON jemals live geben?

Amestigon: So wie es im Moment aussieht: nein. Wir bräuchten mindestens zwei zusätzliche Leute, um unser Material live umzusetzen. Wir haben einfach nicht die Zeit, uns auf ein Konzert in unserem Sinne vorzubereiten und nicht alle in der Band sind von dem Gedanken unsere Lieder auf einer Bühne aufzuführen angetan.

 

  1. Was sind für euch die wichtigsten Black-Metal-Veröffentlichungen aller Zeiten und warum?

Amestigon: Wir sind da sicher etwas konservativ und wenn wir unsere persönlich wichtigsten Platten hier aufzählen würden, würde das definitiv den Rahmen sprengen. Außerdem sind wir nach mehreren Diskussionen darüber noch immer auf keinen grünen Zweig gekommen, deswegen entschieden wir uns auf diese Veröffentlichungen in keiner bestimmten Reihenfolge:

Mayhem – De Mysteriis Dom Sathanas

Darkthrone – A Blaze In The Northern Sky

Bathory – Under The Sign Of The Black Mark

Samael – Worship Him

Mercyful Fate – Don’t Break The Oath

 

  1. Was haltet ihr von den relativ ideologiefreien „Black-Metal“-Bands die es gerade hier wie Sand am Meer gibt?

Amestigon: Was sollen wir von Bands halten, die zwar mit dem musikalischen Ausdruck des Black Metals etwas anfangen können, nicht jedoch mit dem inhaltlichen Überbau, der unserer Ansicht nach untrennbar mit dieser Musikform verbunden ist? Nichts natürlich.


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