Interview: RISE AGAINST - Zach Blair

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Wir wissen einfach nicht, was wir sonst machen sollen. Gut, wir können sonst nichts.

Sie sind seit 15 Jahren in der fast gleichen Konstellation unterwegs, seit Monaten auf Tour und sie teilen uns mit ihren Texten auch gerne kritische Botschaften mit, ohne anderen damit unbedingt auf die Füße treten zu wollen. Zach Blair spricht über den Erfolg der Band und ihre Rolle als Aktivisten.

Text: Lora
Veröffentlicht am 14.10.2015

Stormbringer.at: Die Bandmitglieder von RISE AGAINST sind abgesehen vom Gitarristen seit der Gründung vor 15 Jahren gleich geblieben. Wie fühlt man sich so, als erster Gitarrist, der an drei Alben der Band mitgearbeitet hat?

Zach: Das ist eine ganz interessante Sache, denn man muss jemanden finden bei dem die Chemie stimmt und das wird umso schwieriger, je mehr Leute man vereinen muss. Wenn man an seine Lieblingsband denkt gibt es eigentlich immer nur zwei Möglichkeiten: entweder sie haben schon wieder aufgehört oder die Mitglieder sind meistens nicht mehr genau die, die auch bei der Gründung der Band dabei waren. Zum Glück hat die Chemie zwischen mir und dem Rest der Band gestimmt. Aber wir sind schon vorher gemeinsam unterwegs gewesen,  ich hab bei ONLY CRIME gespielt mit denen ich mit RISE AGAINST eine Zeit lang auf Tour war. Ich kannte RISE AGAINST bereits und wusste schon vorher, dass ich dazu passe und mit ihnen arbeiten kann. Das ist eine Sache, die spürt man einfach und ich wusste, dass die andern auch gespürt haben, dass es funktioniert. Wenn du diese Chemie findest, musst du einfach etwas draus machen, auch wenn es seine Zeit dauert. Die anderen haben in Chicago angefangen und haben es nicht geschafft, vier Leute aus der gleichen Gegend zu finden. Unser Schlagzeuger Brandon kommt aus Colorado und ich komme aus Texas, wir wohnen wirklich nicht nahe beieinander und müssen fliegen um uns zu treffen. Aber dennoch funktioniert es jetzt seit knapp acht Jahren und es fühlt sich an, als wäre ich seit dem ersten Tag dabei gewesen.

 

Stormbringer.at: Bevor du zu RISE AGAINST gekommen bist, hast du bei ONLY CRIME gespielt. Ich denke, du hattest zu dem Zeitpunkt ein gewisses Bild von der Band, also wer sie sind, wie es für sie weitergeht, denn sie waren zu diesem Zeitpunkt ja schon sehr erfolgreich. Unterscheidet oder überschneidet sich dieses Bild mit dem, was aus RISE AGAINST in den letzten 8 Jahren geworden ist?

Zach: Sowohl als auch. Bevor ich in die Band kam dachte ich mir, dass das für eine gewisse Zeit eine wirklich erfolgreiche Sache werden könnte. Ich wusste einiges über sie, vor allem dass sie wirklich standhaft sind. Und wenn man dann wirklich dabei ist, ist es wirklich spannend zu merken wie das alles einfach immer erfolgreicher und größer wird und das ganze einfach immer weiter wächst. Aber dann kommt auch die Zeit in der diese Entwicklung auf dem gleichen Level bleibt und sich weniger verändert. Ich hab gelernt nichts zum aktuellen Wert von moderner Musik zu sagen, denn das sind Dinge die ich nicht weiß. Ich denke, da gibt es Bands die noch für eine sehr lange Zeit verdammt erfolgreich sein werden aber plötzlich hören sie auf, ihre Alben verkaufen sich nicht gut oder die Leute kommen nicht mehr zu ihren Shows. Es ist eine interessante Zeit, wenn Musik in einer gewissen Weise frei ist und die Leute zu deinen Konzerten kommen – YouTube ist eben keine Live-Show. Ich kann nur sagen was ich hoffe und ich hoffe einfach, dass in den nächsten fünf oder zehn Jahren unser Erfolg noch besteht.

 

Stormbringer.at: Wie ist es für dich, ein Teil dieses Erfolges zu sein?

Zach: Wir schätzen es wirklich sehr hoch, so viel Erfolg erreicht zu haben. Es ist wirklich für eine Rockband oder eine Punkrock-Band absolut super auch nach Jahren noch zusammen zu sein und zu spielen, alleine die Tatsache, dass die Leute immer noch zu unseren Shows kommen und uns sehen und hören wollen. Das ist etwas was man machen möchte, was man sich wünscht und sich eben auch über die nächsten zehn oder 20 Jahre erhofft. Aber die Tatsache, dass das wirklich alles so passiert und wir heute hier sind und Leute dafür zahlen um uns spielen zu sehen, in einem Alter in dem wir das eigentlich nicht mehr tun müssten, ist einfach toll. Ich habe diesen Fortschritt und dieses immer weiter führende bis zu diesem Punkt gesehen – das fühlt sich einfach richtig an.

 

Stormbringer.at: Ihr habt mittlerweile so viele Orte dieser Welt gesehen, mit so vielen Leuten zusammengearbeitet und so weiter. Ist es immer noch so aufregend wie zu Beginn oder neigt ihr eher dazu zu denken „Nächstes Konzert mal wieder in Wien, da waren wir schon so und so oft…“

Zach: Nein, wirklich nicht. Das ist eine Sache die ziemlich abgedroschen klingt, aber niemand in dieser Band sieht das als Standard an. Wir erkennen alle, dass es einfach unglaublich wichtig ist, an die Orte zu kommen an denen uns die Fans sehen wollen, ganz egal wie oft wir dort schon waren. Es gibt Bands die teilweise einfach keine Lust mehr haben schon wieder am gleichen Ort zu spielen und sie sehen das einfach als eine Art Verpflichtung in ihrem Job an. Aber für uns, und da kann ich wirklich für alle sprechen, ist das wirklich nicht so sondern wir freuen uns über jeden Ort an dem wir spielen können.

 

Stormbringer.at: Ich finde, die Texte auf „The Black Market“ befassen sich mehr mit Dingen, die euch als Band persönlich betreffen, während die vorherigen Alben doch immer einen Bezug zu politischen Themen hatten. Woher kommt dieser Wandel, den Schwerpunkt des Albums auf eben diese persönlicheren Aspekte zu legen?

Zach: Das ist eine schwierige Frage für mich, denn Tim schreibt die Texte. Dennoch, ich finde das Album bezieht sich mehr auf eine Art persönlicher Politik statt auf Politik im Allgemeinen. Aber ich finde auch einfach, jede Art und jede Sichtweise von Politik beginnt mit diesem persönlichen Aspekt. Es beginnt mit einer Weltsicht, die von etwas das du persönlich erlebt hast ausgeht, also etwas das dich persönlich betroffen hat. Zum Beispiel wenn ein Familienmitglied verstirbt, oder sich als homosexuell outet, oder an Krebs erkrankt – das sind alles Dinge die bei einem selbst im Herzen beginnen wenn du sie erlebst und dich letztendlich auch in deiner politischen Einstellung beeinflussen, sei es einer bestimmten politischen Richtung zugeordnet oder liberaler und aufgeschlossener so wie wir das sehen. Der Ausgangspunkt für das neue Album ist also bei persönlichen Anliegen, ausgehend von einem selbst als Aktivist oder eben Person mit einer eigenen Weltsicht. Alles beginnt im Herzen bei den Dingen, die du selbst erlebt hast.

 

 

Stormbringer.at: Für mich persönlich ist RISE AGAINST eine Band, die konsequent durch die Texte gewisse Botschaften verbreitet und damit ins Schwarze trifft. Aber ist es wirklich immer so einfach auch politische Statements so zu verpacken oder die Gesellschaft zu kritisieren, vor allem als Band aus Amerika?

Zach: Ich empfinde es nicht als schwierig auch wenn es nicht immer diese verschönte Version ist, die die Leute gerne sehen würden. Sie gehen zu Konzerten oder hören Alben und wollen all das Schlechte und Negative zu ihrer Unterhaltung vergessen. Aber ich denke nicht, dass sich unsere Band von Grund auf entgegen dieser Richtung stellt. Unsere Einflüsse liegen bei Bands die dazu stehen, dass du etwas sagen möchtest, wenn ein Mikrofon vor dir steht, dass sich eben von Dingen wie zum Beispiel Partys unterscheidet. Und das sind eben wirklich Botschaften mit einem gewissen Sinn und Hintergrund, statt einfach zu feiern und nicht zu überlegen. Besonders amerikanische Popmusik baut darauf auf, durch dieses Feiern erfolgreich zu werden. Aber für uns ist das einfach eine Art Pflicht, wir sehen darin etwas, was wir tun müssen. Und dabei ist die Tatsache, dass wir aus Amerika kommen besonders relevant. Ich glaube, für Europäer oder allgemein den Rest der Welt ist Amerika von Klischees belastet, wie eben dem Bild von übergewichtigen Personen denen alles egal ist, und wir sehen, wie verbreitet solche Vorurteile sind, wenn wir unterwegs sind. Aber letztendlich liegt es bei uns, denn wir können etwas ändern wenn wir etwas dazu sagen und die Aufmerksamkeit dafür bekommen. So lange wir spielen liegt es ganz bei uns diese Botschaften zu vermitteln.

 

Stormbringer.at: Die Wahlen in den USA kommen näher, ist das ein Thema das euch für neue Songs inspiriert? Wie sieht es in dieser Hinsicht mit politischen Statements aus?

Zach: Wir wollen niemandem vorschreiben was er zu tun oder lassen hat, aber wir geben eine Art von Vorschlägen. Tipps, was man machen oder ausprobieren könnte, aber nicht was man machen oder ausprobieren muss. Das ist auch bei den Wahlen wichtig. Viele denken, deine Stimme ist nicht wichtig, die Politik ist nur von diesem amerikanischen Kapitalismus abhängig. Aber das ist eine wirklich negative Ansicht, denn deine Stimme ist etwas wert und kann etwas verändern. Der Einfluss, den wir auf Politik haben, ist unsere Wahlstimme und die sollten wir so auch nutzen. Besonders um die Jahre der Wahlen herum versuchen wir das zu vermitteln und Vorschläge zu machen, zu helfen, die Welt zu verändern. Wenn wir aber anfangen an einem neuen Album zu schreiben, wird es wirklich interessant zu sehen, was wir aus solchen Themen machen.

 

Stormbringer.at: Aber sind so etwas wie Wahlen nicht doch ein ziemlich sensibles Thema, bei dem man besser zweimal überlegt, was man den Leuten mit auf den Weg gibt? Wie geht ihr mit dem Risiko um, dass eure Fans eure Meinung nicht verstehen und sich somit gegen euch stellen?

Zach: Das sind die Vor- und Nachteile als Aktivist, das ist ein sehr schmaler Grat. Manchmal darf es dich einfach nicht interessieren was die Leute davon halten, auch wenn sie sagen, dass du auf dem falschen Weg bist. Du musst für das stehen, was du für richtig empfindest und an was du glaubst. Wenn Leute dann entscheiden, dass sie deine Band deshalb nicht mehr mögen oder deine Songs deshalb nicht mehr hören wollen wegen der Dinge die du gesagt hast und für die du stehst, dann war das keine wirkliche Beziehung zwischen dir und ihnen. Das ist und auch schon passiert, dass wir Dinge gesagt haben und dann negative Mails von Fans bekommen haben, die uns bisher mochten aber uns jetzt wegen Aussagen oder Songs eben nicht mehr mögen. Wir versuchen es den Fans recht zu machen, denn es geht immer noch um Unterhaltung, Musik, Konzertbesuche, die Zeit zu genießen uns so weiter, aber es gibt einfach immer Leute, die nicht mit deiner politischen Meinung übereinstimmen. Dennoch kommen sie aber immer noch wegen der Musik, den Shows und so weiter zu den Konzerten.

 

Stormbringer.at: Was sorgt bei euch für die Motivation über die Jahre hinweg immer weiter Songs zu schreiben, weiter zu touren und einfach immer weiter zu machen?

Zach: Wir wissen einfach nicht, was wir sonst machen sollen. Gut, wir können sonst nichts. Nein, ernsthaft, wir machen das alle schon so lange, ich spiele in Bands und toure mit denen seit über 20 Jahren und RISE AGAINST bestehen seit 15 Jahren. Wir sind jetzt alle um die 40 und es ist nicht nur unser Job sondern das, was wir tun wollen. Und wir fühlen uns irgendwie einfach dazu verpflichtet das alles zu tun, wir müssen es einfach – denn es hören immer noch so viele Leute unsere Musik und für die müssen wir weitermachen. Aber ich glaube auch, wenn ich all das nicht hätte und nicht tun könnte, dann könnte ich nicht wirklich ich selbst sein. So geht es auch allen anderen in der Band.

 

Stormbringer.at: Dadurch dass eure Texte über diese einfachen Themen wie zum Beispiel Verluste oder verlassen werden und so weiter hinausgehen verbinden die Fans eure Songs mit Situationen aus ihrem Leben. Wie wirkt es auf dich zu wissen, dass ihr vor Fans spielt, die einen ganz eigenen, persönlichen Bezug zu euren Songs entwickelt haben?

Zach: Das ist eine ganz verblüffende Sache. Es ist echt unglaublich Leute zu treffen und etwas über ihre Gedanken herauszufinden und eben darüber wie sie die Songs damit verbinden. Ich spiele ja so gesehen nur Gitarre, also für Tim muss das noch viel intensiver sein da er ja die Texte schreibt. Ich glaube für ihn muss es ziemlich überwältigend sein, über persönliche Dinge zu schreiben und jemand anderes zum Beispiel hier in Österreich fühlt sich angesprochen und verbindet etwas Eigenes damit. Es ist überwältigend und mitreißend Teil einer Band zu sein, bei der dies der Fall ist, denn das ist wirklich nicht bei allen Bands so: andere Bands schaffen es mit Partysongs nicht, die Leute direkt anzusprechen und zu berühren. Das ist mir wirklich eine große Ehre.

 

Stormbringer.at: RISE AGAINST war nie eine Band, die diesen “Sex, Drugs and Rock’n’Roll”-Lifestyle verfolgt hätte. Ist es wirklich immer so einfach sich darauf zu konzentrieren beständig Musik zu machen, mit der ihr etwas bewegen wollt, sich für Tierrechte einzusetzen, vegetarisch zu leben und Straight Edge zu sein anstatt sich von diesen Verführungen im Tour-Leben beeinflussen zu lassen?

Zach: Was du nie ausprobiert hast, kannst du nicht vermissen. Drei von uns haben noch nie Alkohol getrunken, geraucht oder Drogen genommen. Das war einfach nie etwas, was mich persönlich gereizt hätte. Wir sind aber so gesehen keine Straight-Edge-Band. Für mich persönlich war das eine Entscheidung die ich getroffen habe als ich noch sehr jung war, denn meine Eltern haben geraucht, Alkohol getrunken und Drogen genommen. Ich wollte nicht mit so etwas rebellieren, es war nie etwas, dass ich unbedingt gebraucht hätte. Das war einfach eine Entscheidung die ich getroffen habe, die eben länger anhält und ich bin auch sehr froh darüber mich so entschieden zu. Denn diese Entscheidungen beeinflussen dich bei dem was du werden möchtest und eben als professioneller Musiker. Als ich fünf war wusste ich, dass das der Lebensstil ist den ich gerne leben möchte. Erst danach wurde das Ganze zu einem politischen Aspekt und wurde als politisches Statement bekannt. Ich komme aus Texas, dort ist es völlig normal Alkohol zu trinken, Fleisch zu essen und so weiter – man macht da einfach. Dennoch habe ich beschlossen, meinen Lebensstil durchzuziehen und so zu leben, also als eine Art gegen den Strom zu schwimmen. Das formt mich als Menschen, ich mag es einfach so zu sein.

 

Stormbringer.at: Ihr seid jetzt wirklich schon lange auf Tour obwohl das letzte Album schon vor über einem Jahr veröffentlicht wurde. Wie gestaltet ihr ein Set für eine Tour ohne Album, dass erst ein paar Wochen alt ist? Bevorzugt ihr die neuen Songs, oder die, die euch einfach am meisten bedeuten oder am meisten Spaß machen zu spielen?

Zach: Es gibt Songs die man auf jeden Fall spielen muss. Die Leute kommen um deine Band zu sehen und zahlen dafür und sie erwarten eben auch gewisse Songs. Da gibt es wirklich Songs, die wir schon so oft gespielt haben, dass wir sie eigentlich erstmal nicht mehr spielen möchten, es gibt die Neuen oder die, die man nicht oft genug spielen kann. Aber was wir zum Beispiel nie mochten war es, auf Konzerte unserer Lieblingsbands zu gehen und die spielen dann nur die Songs vom neusten Album - das macht irgendwie keinen Spaß. Wir spielen nie mehr als zwei oder drei Songs vom letzten Album. Heute werden wir zum Beispiel zwei Songs von The Black Market spielen und in der ganzen Zeit die wir mit dem Album unterwegs waren haben wir auch immer nur höchstens drei oder vier Songs davon gespielt. Die Bands gibt’s jetzt seit 15 Jahren, dementsprechend viele Songs gibt es, die wir spielen könnten. Aber man kann eben nie alle spielen, nicht einmal die Hälfte. Natürlich könnten wir länger spielen, aber selbst ich möchte keine zwei Stunden lange Show einer Band sehen – auch nicht von meiner Lieblingsband. Es ist eine knifflige Sache, man versucht alte Songs, für die wirklichen Fans die uns seit Jahren kennen, dann die bekanntesten Songs wie „Ready To Fall“, „Prayer Of The Refugee“, „Savior“ und so weiter. Aber diese Mischung macht uns auch unglaublich viel Spaß.


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