Interview: Deinonychus - Marco Kehren

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Deinonychus ist für mich ein schönes Hobby womit ich mich künstlerisch ausdrücken kann und nebenbei noch was dran verdiene … mehr will ich ja gar nicht !

Mehr Macht, mehr Ruhm, mehr Geld ? Mit diesen schnöden Dingen kann man "Alleinunterhalter" Marco Kehren nicht wirklich aus der Reserve locken ...

Text: PMH
Veröffentlicht am 02.12.2007

Das kriegerische Treiben am Cover und der aggressive Albumtitel passen eigentlich so gar nicht in das Bild was ich vor Jahren von Deinonychus hatte – handelt es sich hier um ein Konzeptalbum oder um eine einmalige Angelegenheit ?

Das Bild was du vor Jahren im Kopf hattest kannst du ablegen. Mit dem ganz melancholischen Kram ist es vorbei; jetzt hat das keinen bestimmten Grund oder so … ich habe mich halt weiterentwickelt und mache so weiter wie Deinonychus sich heutzutage eben präsentieren - abgesehen davon ist das Album ein reines Konzeptalbum geworden, also eine einmalige Angelegenheit!
Aber: Deinonychus werden sich im Zukunft schon in eine etwas aggressivere Richtung weiterentwickeln denke ich mal … mal sehen was die Zeit bringt......

Auffallend am neuen Album ist – wie immer eigentlich – deine Stimme die auf jeden Fall herausragend ist; für mich ist sie viel mächtiger und böser als 95% aller Death- oder Blackmetaller…

Danke für die Blumen, es ist immer nett zu hören das Leute an meinen Gesang Gefallen finden ! Gerade der Gesang ist bei Deinonychus der Schwerpunkt; entweder man liebt ihn oder hasst ihn - ich glaube da gibt es keinen Zwischenweg!

Du hast ja früher auch bei Bethlehem deine Stimmbänder malträtiert – gibt es diese geniale Truppe eigentlich noch oder muss man mit dem letzten Album „Mein Weg“ vorlieb nehmen ?

Bethlehem haben sowas wie eine Pause eingelegt, ich glaube aber das früher oder später schon mal wieder was von denen zu hören sein wird …

Wie kam eigentlich der Kontakt mit Jürgen Bartsch und Giuseppe Orlando zustande? Sind die beiden nun fix bei Deinonychus oder ist das immer noch „deine“ (Solo)Band ?

Den Jürgen kenne ich schon seit 12 Jahren und fand es halt mal nett ihn auch auf einer Platte mit dabei zu haben, eben weil ich schon mehrere Sachen mit Bethlehem gemacht habe!
Wir wollten ursprünglich schon auf der s/t-Deinonychus (1999) - Platte was machen, aber es ist halt nie was draus geworden. So hat es halt jetzt endlich geklappt …
Mit Giuseppe Orlando arbeite ich bereits seit 2003 zusammen, er hat damals schon die "Insomnia" Scheibe produziert und einen Track eingeknüppelt. Jetzt hat er wiederum die neue Scheibe produziert und ich wollte dieses Mal dass er bei der ganzen Scheibe dabei ist !
Deinonychus kann man durchaus als meine Soloband betrachten da ich immer noch alles alleine mache und lediglich Gastmusiker für die Aufnahmen der Alben benutze! Es ist aber nicht auszuschließen dass ich ein weiteres Album mit Jürgen und Giuseppe machen werde …

Wie waren die Aufnahmen mit Orlando (der auch bei NOVEMBRE involviert ist) in Italien ? Habt ihr das in kurzer Zeit bewerkstelligt oder waren da mehrere Fahrten notwendig ?

Die Arbeit mit Orlando verlief sehr gut, der Mann hat definitiv Ahnung von dem was er macht! Wie gesagt, ich habe schon 2003 mit ihm in Italien zusammengearbeitet…
Für "Warfare Machines" sind wir 2mal nach Italien geflogen; im Sommer 2006 haben wir die Songs aufgenommen und im Winter 2006/7 den Gesang, dann noch gemixt und gemastered. Das waren insgesamt 5 Wochen oder so…

Deinonychus gibt es mittlerweile auch schon seit 15 Jahren; den Durchbruch habt ihr aber ebensowenig geschafft wie eine anständige Tour in Europa. Woran liegt deiner Meinung nach der Hund begraben – an der Musik kanns ja eigentlich nicht liegen …

Da kann ich sehr kurz drauf antworten: Deinonychus ist eigentlich immer eine Soloband geblieben im Laufe der Jahre - ich hatte zwar immer Mitstreiter für CD-Aufnahmen, habe aber weiter nichts draus gemacht.
Da waren in all den Jahren schon Angebote um weltweit live zu spielen - 1 mal habe ich es ja in London (1997) dann auch geschafft haha !
Des weiteren machen Deinonychus eine sehr charakteristische Form von Musik, die nicht für jeden "hörbar" ist und meist haben dann auch viele noch Schwierigkeiten mit meinem Gesang weil der echt Geschmackssache ist.
Nebenbei zu berücksichtigen ist auch die Tatsache das Deinonychus auf einem relativ kleines Label sind die nur begrenzte Möglichkeiten hat Bands dermaßen zu pushen bis das grosse Geld kommt hehe. Ja und da wären noch die unzählige Labelwechsel die ich vor 6 Jahren hatte …
Wie auch immer - mir solls recht sein, Deinonychus ist für mich ein schönes Hobby womit ich mich künstlerisch ausdrücken kann und nebenbei noch was dran verdiene … mehr will ich ja gar nicht; ich habe sowieso einen Fulltime-Job UND studiere auch noch !

Was hat sich für dich seit dem ersten Lebenszeichen 1993 bis zum jetzigen Zeitpunkt am gravierensten verändert ? Die Musik, die Texte oder das Songschreiben das ja im Internetzeitalter sicherlich einfacher zu handhaben ist …

Uhm, eigentlich nicht viel: ich merke nur das ich viel professioneller arbeite als noch vor 15 Jahren und dass ich heute eine Spur länger brauche um ein Album nach dem anderen zu machen, that´s it !
Das Songwriting funktioniert immer noch auf die gleiche Weise wie damals &
das einzig Positive am Internet-Zeitalter ist halt das der ganze Papierkram verschwunden ist, man alles per Email machen kann und alles schön schnell geht;)

Werden ihr auch mal einzelne Gigs spielen oder bleibt Deinonychus als reine Studioband bestehen ? Zumindest ein Konzert ist mir in Erinnerung dass auch als VIDEOTAPE kursiert. Wird „Live at the Hippodrome London“ auch mal als DVD erscheinen ?

Nee, ich glaube live spielen wird nie drin sein. Ist alles eine Frage der Zeit und Organisation - auch das Problem das ich immer mit Gastmusikern arbeite ist ein wichtiger Faktor das es wohl nix werden wird!
Das "Live at the Hippodrome in London" – Konzert wird es (zum Glück) nie als DVD geben, weil: ich finde es echt Sch**ße.....

Wie ist es eigentlich um die Metalszene in Holland bestellt – klar kennt man Grössen wie Gorefest, God Dethroned oder Legion of Damned; aber neben diversen Gothiccombos und Todesmetallern hört man eher wenig metallastiges Zeug ….

Keine Ahnung; ich bin selber nicht mehr soo aktiv in der Szene und höre nur noch begrenzt Metal. In Holland wird es bestimmt noch mehr gute Bands geben, aber in der heutigen Zeit ist es verdammt schwer bis unmöglich geworden um die Aufmerksamkeit auf einen zu ziehen - ohne ein Label im Rücken oder sonstigen Support!
Früher ging das alles viel leichter - es hat ja alles auch nicht mehr den Reiz wie damals oder !?!?! Wie auch immer – ich bin mir sicher das es auch noch bessere Bands als oben Genannte hier in Holland gibt.

Zurück zum neuen Album: ich denke mal das der Titel „Warfare Machines“ den Menschen an sich bezeichnet und die Texte die Erfahrungen und Schicksalsschläge eines Einzelnen im Krieg schildern. Liege ich da richtig ?

Fast richtig..... nur das es hier nicht den Menschen, wohl aber die Maschinerie selber betrifft wie z.B. in "Carpet Bombing", wo ein Flugzeug selber über seine Erfahrungen erzählt oder „MG-34“ dass aus der Sicht des Maschinengewehres das Erlebte weitergibt. (?? - sehr strange - Anm.d.Verf.)

Eure Musik besteht eigentlich aus simplen, aber sehr effektiven Rhythmen die die Seele des Hörers pechschwarz überziehen. Quasi (old) Type o Negative meets Black/Doom-Metal wenn man das so sagen darf…

Ja.... ich mache meine Musik echt noch aus dem "Bauch". Das was mir so im Kopf herumschwebt spiele ich - auch das Gefühl muss dann schon passen. Ich brauche auch nicht wirklich lange um ein Album zu komponieren, der Feinschliff dauert halt etwas.
Ich mag es halt schlicht aber direkt - Deinonychus sind so schon komplex genug. Trotz des simplen Aufbau´s der Songs ist die Atmosphäre schon sehr komplex und geradezu erdrückend. Das ist aber ein nicht auswechselbares Trademark dass die „Band“ nun schon seit Jahren mit sich bringt;)

Herausragend find ich vor allem „MG-34“ und „Nerve Agent“, die beide eine sehr nihilistische und finstere Atmosphäre ausstrahlen. Kannst du mir da Einzelheiten über..s Songwriting erzählen und über welchen Zeitraum hinweg die einzelnen Stücke entstanden ?

„MG-34“ ist ein Song den ich schon 1998 geschrieben habe und unter den Namen "Moments" aufgenommen hatte - für das 99er Album "Deinonychus" welches bei Ars Metalli erschien. Die hatten aber NUR verpennt den Song mit auf´s Album zu packen, also ist er nie veröffentlicht worden ! Ich hab dann den Track für "Warfare Machines" re-arrangiert und mit neuen Lyrics versehen. Im Studio hatten wir erst alles im Originalzustand rerecorded, haben aber später während der Aufnahmen in Italien das ganze schneller und dreckiger nochmal aufgenommen…
Und somit ist aus "Moments" eben "MG-34" geworden… Ich finde trotzdem beide Versionen gleich gut; irgendwann wird auch das Original mal veröffentlicht.
"Nerve Agent" erzählt die Story eines Nervengases und den Folgen die es mit sich bringt. Den Song habe ich innerhalb von 10 Minuten komponiert - das war so ein typischer "aus dem Bauch raus"-Song, und das hört man!!!!
Insgesamt hab ich für das Komponieren von „Warfare Machines“ nicht länger als ein paar Wochen gebraucht….
Aber um den Stil so zu entwickeln wie er nun auf dem fertigen Album klingt habe ich einen 3-Jährige Pause gebraucht - um wieder frischen Wind in den Segeln zu haben - wie man so schön sagt.

Weniger für mich als für den Käufer ärgerlich ist die Tatsache dass die „Warfare Machines“ nur eine gute halbe Stunde ihr Unwesen treiben. War da nicht mehr Material vorhanden ?

Ich habe das Album bewusst sehr kurz gehalten. Der Vorgänger "Insomnia" dauerte zwar auch nur 45 Minuten, hatte aber Songs mit Überlange von 5 bis 12 Minuten an Bord und das wollte ich nicht mehr. Ehrlich gesagt hatte ich gedacht das das Album um die 40 Minuten werden würde, aber dem war halt nicht so.
Nun gut.... mir gefällt es, und auch von der Länge her ist es optimal und wird nicht so schnell langweilig. Ob nun zu lang oder zu kurz, es gibt halt immer den Einen oder Anderen dem die Laufzeit nicht passt !
Bei "Warfare Machines" haben bisher viele Personen gemeint das Album hätte länger sein können; gerade weil sie es so gut finden - und das ist ja auch schon sehr viel wert!

DU hattest ja seit Anbeginn an immer wieder Probleme mit den verschiedensten Plattenfirmen. Ist das nun mit MY KINGDOM MUSIC vom Tisch oder tauchen da auch schon schwarze Wolken am Horizont auf ?

Nein. Ich bin jetzt seit 6 Jahren bei MY KINGDOM MUSIC und wir verstehen uns nachwievor sehr gut; auch geschäftlich ist alles sehr gut abgewickelt. Nach all den Strapazen die ich mit anderen (und auch grösseren) Labels hatte habe ich mich dafür entschieden auf einem kleinen Label zu bleiben - ohne dem ganzen Stress und sonstigen Problemen. Ich habe zwar hier die Gewissheit nur "kleine Brötchen" backen zu können aber das ist mir mehr als recht!

Sehr stylisch finde ich auch das Promofoto dass euch mit schicken Hemden und Krawatte zeigt. Eine Methode um im Metalbereich (noch) aufzufallen oder ist das eure Freizeitkleidung ?

Ach, warum sollte man sich nicht so auf den Bilder geben wie man sich auch privat herumtreibt? In dem Sinne haben Deinonychus keinen Image oder so… Ich muss aber dazu sagen das es konzeptionell sehr gut zum neuen Album passt!

Apropos Freizeit: Welche Musik oder Bands hörst du da bevorzugt?

Ich höre viel aus dem Bereich Harsh-Electronics/ Power-Electronics/ Neo-Folk/ Ambient - den guten alten Metal natürlich auch noch ! Einige Beispiele wären:
AT THE GATES/ HOLY TERROR/ WINTERKALTE/ SOPHIA/ ROME/ ARDITII/ COMBICHRIST/ HOCICO/ AMBASSADOR 21/ BURZUM/ SEPHIROTH/ LAND - also schon sehr unterschiedliche Sachen …

Letzte Frage: Wie stehst du zu dem Thema Filesharing / illegale MP3-Downloads ? Schaden die einer Band wie euch verkaufsmässig oder kommen so Leute zu Deinonychus die euch sonst nie entdeckt hätten ?

Es schadet der Musik-Industrie schon, das kann man nicht verleugnen. Aber es kann auch vorteilhaft wirken weil - wie Du schon sagst - es auch genügend Leute gibt die über Downloading Bekanntschaft mit deiner Musik machen - und wenn es denen echt gut gefällt das Album trotzdem kaufen. Ich bekenne mich mitschuldig hahaha:)
Der Markt ist so überflutet wie noch nie - in den 80er Jahren ging man noch in's Plattengeschäft seiner Wahl und man wusste genau was man kaufen würde; eben weil gerade mal wieder eine neue CD von Slayer oder Iron Maiden im Regal lag - heute aber hat man die Qual der Wahl! Dazu kommt noch das vieles überhaupt nicht mal mehr den Weg in's Plattengeschäft findet und nur via Mailorder erhältlich ist!
Mir solls recht sein wenn die Leute downloaden. Wir leben halt in dem Zeitalter wo es möglich ist und müssen halt damit zurecht kommen. Auch wenn dafür jetzt ein paar Alben weniger verkauft werden, na und?


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