Interview: The Ocean - Robin Staps

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Die Texte setzen sich natürlich nicht ausschließlich mit dem Präkambrium auseinander, das würde nach zwei oder drei Songs langweilig werden glaub ich, wenn man nur über durch die Luft fliegende Steine schreibt oder singt.

THE OCEAN Mastermind Robin Staps entführte uns in eine Welt, in der anfänglich nur Lavaströme und Vulkane, in weiterer Folge aber auch so etwas wie Leben aufkam - die Geschichte unserer Erde.

Text: Reini
Veröffentlicht am 24.12.2007

Hi Robin. Du ich habe bei unserem Jahrespoll für 2007 geschrieben. THE OCEAN und Ihre Plattenfirma METAL BLADE RECORDS beweisen Mut und Courage und servieren uns ein Projekt, das in seiner Gesamtheit wohl nie für möglich gehalten wurde.

Sehr schön!

Das ist alles?

Ja ähem. Keine Ahnung ob die Jungs bei Metal Blade das Alles so erwartet hätten. Ich hab denen im Vorfeld sehr wenig über dieses Album erzählt. Die haben die Musik tatsächlich erst mit dem finalen Master gehört. Insofern wussten die da nicht so richtig Bescheid was ihnen blüht glaub ich. Sie waren dann doch auch überrascht und überwältigt als sie das Alles gehört haben. Auch wie sie das ganze Artwork gesehen haben, das wir realisieren wollten. Da gab es heftige Diskussionen. Am Ende haben die aber alles genauso gemacht und dafür sind wir auch unendlich dankbar.

“Precambrian” ist für mich ein wahres Kunstwerk geworden – ich nehme an, die lange, die zähe Arbeit an diesem Gesamtkonzept hat sich auch für Euch bezahlt gemacht – oder?

Also das wird man noch sehen wie sich die Platte tatsächlich verkauft. Das ist ja immer die große Frage. Wir haben sehr, sehr viel gute Presse für dieses Album bekommen, mehr und besser als je zuvor. Das macht Hoffnung, aber gute Presse alleine heißt noch lange nicht, dass das auch bei den Leuten tatsächlich gut ankommt. Wir haben uns mit dem Album auch ziemlich verschuldet. Wir haben von Metal Blade nur ein Budget gehabt für ein normales Album, wenn man dann aber das Endprodukt in punkto Spielzeit, Artwork und Auch Sound sieht und hört, wird man schnell merken, dass die ganze Geschichte sehr teuer gewesen ist. Dieses Budget haben wir damit gesprengt, dass heißt, wir haben einiges aus unserer eigenen Tasche dazubezahlt. Jetzt können wir nur hoffen, dass das wirklich auch bei den Leuten ankommt, damit wir unsere Kohle wieder sehen.

Wie kommt man eigentlich auf die – bei näherer Betrachtung – gar nicht mal so absurde Idee ein Konzeptalbum über die Anfänge unseres Planeten zu schreiben?

Ich bin da eigentlich über das Visuelle darauf gekommen. Immer wenn ich die Musik gehört habe, bzw. an den Vorproduktionen gearbeitet habe, hatte ich immer Bilder vor Augen von ausbrechenden Vulkanen und Strömen von Lava. Da liegt es dann natürlich nahe, dass man auf so eine Zeit kommt, wo das Bild der Erde geprägt war von solchen Szenen und das war nun mal zur Zeit des Präkambriums. Es gab noch keine Atmosphäre, es gab noch keinen Sauerstoff auf der Erde, Ozeane gab es schon gegen Ende des Proterozoikums. Ansonsten war es halt eine ziemlich wüste und triste Angelegenheit. Ich bin selbst Geograph, und hab mich auch schon im Rahmen meines Studiums mit dieser Thematik auseinandergesetzt, von daher war es nicht völlig fremd und lag auch irgendwie nahe das wir darauf gestoßen sind.

Die insgesamt 14 Stücke tragen ja alle wissenschaftliche Namen, sind aber im Booklet auch mit – sagen wir mal – mehr oder weniger aussagekräftigen Titeln unterlegt worden – eine Hilfestellung für den Hörer, oder woher kommt’s?

Das war nicht unbedingt die Intention die wir dabei hatten, aber natürlich kann man mit einem Titel wie „Lake Disappointment“ mehr anfangen als mit einem Titel wie „Calymmian“ oder „Stenian“ oder so was. Sind zwar alles sehr lautmalerische Namen, aber wir wollten da schon auch Bezugspunkte und Referenzen zu den Texten geben. Die Texte setzen sich natürlich nicht ausschließlich mit dem Präkambrium auseinander, das würde nach zwei oder drei Songs langweilig werden glaub ich, wenn man nur über durch die Luft fliegende Steine schreibt oder singt. Wenn Musik emotional sein will, das beansprucht unsere Musik, dann muss man sich auch mit menschlichen Belangen auseinandersetzen. Da sind wir dann von diesem rein geologischen, wissenschaftlichen Konzeptschema ein bisschen abgerückt. Es gibt immer noch in den Texten Metaphern und Referenzen zu dieser Zeit, insofern besteht da eine Verbindung, aber die Texte handeln nicht nur von den Anfängen der Erdgeschichte. Die zwei Titel, die sich im Booklet finden beziehen sich auf die Texte direkt und nicht auf die wissenschaftliche Geschichte.

Jetzt ist ja der erste Teil „Hadean / Archean“ eher brachial und auch rabiat ausgefallen, war das ob der geschichtlich, geologischen Entwicklung in dieser Form von vornherein vorgeben?

Wir haben natürlich schon versucht das Konzept irgendwie musikalisch umzusetzen. Das tatsächliche Konzept entstand in etwa in der Mitte des Songwritingporzesses, als ein Teil der Songs bereit standen und als wir schon wussten, dass wir eine zweigeteilte Disk machen wollen, eine sehr harte Hälfte und eine epischere, atmosphärischere. Zu diesem Zeitpunkt kam dann auch die Idee mit dem Präkambrium Konzept und dann haben wir natürlich das weitere Songwriting davon beeinflussen lassen. Wir haben auch versucht die Entwicklung, die sich in der Erdgeschichte vollzogen hat, also sprich die Anfänge wo die Erde sehr heiß war, wo es nur Lava und Schwefelvulkane gab, dann die Entwicklung hin zum Proterozoikum, wo sich die Erde abgekühlt hat, Formen des Lebens aufkamen, das Ganze natürlich auch ein wenig ruhiger und gediegener zuging, das haben wir natürlich auch versucht musikalisch umzusetzen. Dadurch war es auch logisch, dass die „Hadean / Archean“ EP sehr brutal und brachial wird und auch sehr einfach gehalten in ihren Arrangements ist. Vor allem in der Instrumentierung halt, also wirklich nur Schlagzeug, Bass, Gitarren und Gesang und das der „Proterozoic“ Teil der Disk wesentlich komplexer und vielschichtiger wird.

„Proterozoic“ entführt ja den Hörer dann in einen (fast) noch nie dagewesenen Klangkosmos, war Euch während der Arbeiten schon bewusst, dass gerade der zweite Teil der Doppel-CD eine ungemeine Herausforderung – nicht nur für Euch – sondern auch für den Hörer sein wird?

Ja das war uns eigentlich schon von vornherein bewusst. Wobei ob es für den Hörer jetzt so eine große Herausforderung ist, weiß ich gar nicht. Für mich persönlich ist der „Proterozoic“ Teil eigentlich der eingängigere Teil, der leichter zugänglich ist. Eben weil es nicht nur auf die Fresse gibt, sondern weil es auch Platz zum Atmen lässt. Ich glaube die größere Herausforderung war wirklich dieses Album zu machen und aufzunehmen, auch weil der „Proterozoic“ Part ungemein schwieriger und komplexer als der „Hadean / Archean“ war. Den hätten wir wirklich in zwei Wochen Studio oder sogar weniger komplett einspielen können. Ich sag mal, 80 bis 90% der reinen Zeit im Produktionsprozess ging eben für „Proterozoic“ drauf. Wir wussten das von vornherein, dass das ein schwieriges Unterfangen wird, das find schon im Songwirtingprozess an. Ich habe die meisten Songs auf dem Rechner komponiert und diesmal auch erstmalig die Gitarrenparts gleich am Rechner komponiert, was ich in der Vergangenheit auch noch nie gemacht hab. Wo ich mich dann hinsetzen musste und einzelne Akkorde an der Klampfe rausfrickeln musste um zu sehen wie ich das live spielen kann. Dadurch haben die Songs eine sehr eigene Note bekommen, einen sehr eigenen Charakter, dadurch war es aber auch von Anfang an klar, dass es sehr, sehr schwierig werden würde das Alles umzusetzen. Wir wussten auch nicht so genau, wo das am Ende hinführen wird. Gerade die vielen Streicherstimmen und die subtilen elektronischen Sounds sind wirklich erst am Ende des Produktionsprozesses dazu gekommen und haben die Farbe der Songs auf jeden Fall noch mal nachhaltig verändert und umgeprägt. Dadurch ist auch das Endresultat schon ein bisschen was Anderes, als wir es erwartet hätten, aber das ist ja auch immer das spannende am Aufnehmen. Das es schwierig wird und sehr umfangreich wussten wir schon von Anfang an.

In das Gesamtkonzept des Albums passt auch das (wie ich meine) fantastische Artwork wie die Faust aufs Auge – inwieweit sind da Ideen von Euch mit hineingeflossen, weil ihr habt ja wieder mit Martin Kvamme zusammen gearbeitet.

Also da steckt viel kreative Arbeit von Martin Kvamme drinnen. Ich hab ihm eigentlich nur grob gesagt was wir ungefähr haben wollen. Sprich das Thema, die ganze Idee mit den geologischen Perioden und Ära das war unsere Idee, das hab ich ihm alles geschickt und natürlich auch das Konzept der Platte erklärt, ich hab ihm auch gesagt, dass wir ein sehr dunkles Artwork haben wollen, mit Lavaströmen und Vulkanen. Das war aber auch eigentlich schon alles. Die Umsetzung und auch die Ideen, das alles kam von Martin. Die ganze grafische Umsetzung, die Idee mit den Diecard Holes, den verschiedenen Druckfarben, auch mit diesen Blasen, die man auf dem Digipack findet, das ist alles Martin Kvamme’s Arbeit. Deshalb schätzen wir ihn so sehr und arbeiten so gerne mit ihm zusammen, weil er unglaublich kreativ ist und auch ein Künstler ist. Nicht einfach ein Grafiker, der bezahlt werden will. Was bedeutet, wenn ganz viel Arbeit von Nöten ist um einen Fortschritt zu erzielen, dann macht er das. Das finde ich sehr, sehr toll an ihm und deshalb werden wir wahrscheinlich auch immer wieder mit ihm zusammenarbeiten.

Ich hab mich ob Eures neuen Werkes mal ganz mutig aus dem Fenster gelehnt und behauptet, "Precambrian" sei mein Album des Jahres 2007 – einfach weil endlich wieder einmal eine Band ein Album als Gesamteinheit angesehen hat und den Hörer auch fordert, fordert sich mit den Texten zu beschäftigen, das Booklet zu studieren und zu genießen und auch wirklich jeden einzelnen Song in sich aufzusaugen – war das so was wie die Grundvoraussetzung für Euch, als die Idee für dieses Konzeptwerk geboren wurde?

Auf jeden Fall. Ich bin ein riesiger Fan der Idee des Albums. Alle Alben die mich persönlich geprägt haben in meiner musikalischen Laufbahn, sind halt Alben gewesen, die halt, ja die Alben waren und nicht so ein loses Sammelsurium von Songs. Was zeichnet ein Album jetzt aus? Sicher die Tatsache, dass man es reinpackt in den CD Player und von Anfang bis Ende durchhören will und auch das Gefühl hat, keinen einzelnen Track überspringen zu wollen. Das haben wir uns ein bisschen zum Anspruch gemacht. Es werden zwar nicht viele Alben in meiner eigenen Sammlung dem gerecht, aber wir haben das zumindest versucht. Ich denke halt, was Du angesprochen hast, das Gesamtkonzept, erstreckt sich ja nicht nur über die Songs, sondern auch auf das ganze Artwork und die Texte. Ich denke halt, wenn Leute heute überhaupt noch CDs kaufen, in einem Zeitalter wo das eigentlich nicht mehr nötig ist, das ist so ein wenig die Sache für die old-schooligere Generation, dann, wenn man ihnen ein wenig mehr bietet als normalerweise üblich ist, mehr in punkto Packaging, mehr in punkto Artwork und auch Gesamtkonzept. Das haben wir halt versucht.

Eigentlich finde ich es ja schade, dass heutzutage noch wenige Bands diesen Weg beschreiten, ich mein da jetzt, ein Album mit allem Drum und Dran als gesamte Einheit aufzustellen und auch – quasi – von den Hörern einfordern dies so zu betrachten, wie seht ihr das?

Ja das ist sehr schade. Und es ist in der Tat so, dass das ein wenig am Aussterben ist. Umso wichtiger ist es halt so ein Statement zu setzen und zu versuchen dem Entgegenzuwirken. Ich denke das liegt halt auch viel an dieser ganzen Internetgeschichte, der ganzen Kurzlebigkeit von Musik, die ja heute eine viel kürzere Halbwertszeit hat als noch vor fünf oder zehn Jahren, hauptsächlich durch Sachen wie MySpace oder YouTube und solche Geschichten. Man klickt ja ständig nur mehr weiter auf die nächste Seite, man hat ja gar nicht mehr die Zeit innezuhalten um sich mit einer Band wirklich auseinander zu setzen. Das Angebot ist so groß und so verlockend einfach weiter zu gucken was es noch alles gibt, dass viele Leute gar nicht mehr diese Musse haben. Das finde ich ein bisschen schade, weil ich denke, da geht essentiell etwas verloren und gerade eben, wenn wir wieder auf unser Album zurückkommen, solche Sachen kann man im Internet ja eigentlich gar nicht anbieten. Schon gar nicht auf einer Seite wie MySpace, die eh nur vier Songs in einer schlechten Qualität anbietet. Da kommen solche Dinge wie ein Gesamtalbum essentiell dabei zu kurz und dem versuchen wir auch Entgegenzuwirken, einfach mit unserem Angebot, das wir hier machen mit unserem Album. Ob das dann tatsächlich anschlägt, muss man mal sehen was die Leute davon halten. Bis jetzt sind die Reaktionen auch gerade bezüglich dieser ganzen Geschichte sehr, sehr positiv!

Noch mal Danke, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!


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