Interview: JANUS - RIG, Toby

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Trip-Hop, Gothic, Klassik, Metal, Pop, Rock, Jazz … Wir machen uns nichts aus musikalischen Genres. Insofern ist es für uns auch nicht wichtig, innerhalb einer speziellen Szene glücklich zu sein. Aufgrund unserer Plattenfirmen aus frühen Tagen waren wir eben eher in Gothic-Magazinen und auf Gothic-Festivals vertreten. Wir können uns nicht beklagen. Es waren sehr nette Menschen, die wir dadurch kennenlernen konnten. Wir selbst fühlen uns aber keiner Szene zugehörig.

Ja, es werden zwei neue Alben von JANUS erscheinen. RIG, der auf den Fotos in den Hintergrund zu treten scheint, und Toby, mit und ohne Bart, berichten sortiert über die Hintergründe, obwohl wir versucht haben, das Interview chaotisch zu gestaltet.

Veröffentlicht am 23.07.2017

"Ein Neuer hat Zigaretten versteckt.//Als der Kapo beim Filzen den Tabak entdeckt//gibt die Kapelle Madame Butterfly.//Auf allen Vieren, mit glasigem Blick//zusammengesackt nach dem Schuss ins Genick//während Schumanns Träumerei.//"

Aus "Anita spielt Cello".

Unsere heutigen Gesprächspartner zeigten sich offen und unkompliziert, warteten geduldig auf den Stormbringer Redakteur und seine Fragen. JANUS bieten stets interessanten Gesprächsstoff... Es hätte so einfach werden können. Und dann stolperte Daniel herein.

 


 

Freut mich sehr, dass wir endlich das Vergnügen miteinander haben! Was wäre die erste Frage, die ihr JANUS stellen würdet?

RIG: Was die erste Antwort, die ihr als JANUS geben würdet?

Toby: Wenn JANUS ein Buch wären, lesen wir gerade das Vorwort oder schon den Epilog?

RIG: Nicht schlecht. Das würde ich auch gerne wissen.

Ihr habt euch optisch seit euren letzten Promo-Fotos ganz schön verändert. Auf der Bühne wirkt ihr jetzt noch präsenter - Konzerte haben was von einer Theateraufführung. Gehören Live-Auftritte zu eurem künstlerischen Anspruch und wenn ja, warum bekommt man so selten Gelegenheiten JANUS zu sehen?

RIG: Also ich könnte gerne auf Livedarbietungen verzichten.

Toby: Jetzt wieder die Leier.

RIG: Sie sind organisatorisch aufwändig, da wir alles selbst machen. Unser Ensemble ist auch kein stehendes Heer. Wir müssen also ein 2-3-stündiges Programm in einer Handvoll Proben mit allen Musikern ausarbeiten und verinnerlichen. Das bedeutet Stress für alle Beteiligten und dem wollen wir uns einfach nicht zu oft aussetzen. Vor allem ich bin zugegebenermaßen der Bremsklotz bei Liveauftritten.

Toby: Exakt. Für mich könnten es deutlich mehr Auftritte sein. Im Gegensatz zu RIG liebe ich es auf der Bühne zu stehen. Andererseits sind die Aufwände nicht kleinzureden. Der aktuelle Turnus mit einigen handverlesenen Auftritten, wie aktuell auf der Herbstreise im Oktober in Leipzig und im November in Mannheim passt also ganz gut. In Zukunft wollen wir versuchen, unsere sporadischen Aktivitäten wieder verstärkt auf Regionen zu fokussieren, die wir in den letzten Jahren vernachlässigt haben, etwa Nord- und Süddeutschland. Bis dahin wird es nach der Herbstreise aber erst einmal eine größere Livepause geben.

RIG: Zum Glück! Ich bin schon wieder durch, bevor es überhaupt begonnen hat.

 


© Nuno Campos

 

Ich musste ja selbstmitleidig lachen, als ich hörte, wie RIG in einem Video auf dem JANUS YouTube Channel sagt: "Bleib ganz cool... Du musst nur Klavier spielen (...) - Es fühlen, es aus den Fingerspitzen raus schießen lassen wie Spiderman seine Fäden und ansonsten musst du gar nichts machen."

Sehr einfühlsam... Ich wäre der glücklichste Mensch der Welt, wenn ich drei Töne auf der Blockflöte spielen könnte. Aber bei euch war ja lange Pause. Waren die Fähigkeiten etwas beeinträchtigt oder habt ihr heimlich geübt?

RIG: Wir üben nie. Und unsere Fähigkeiten sind von Anfang an beeinträchtigt.

Toby: Also ich übe schon. Naja, sporadisch. Vor den Liveauftritten. Oder vor dem Studioaufenthalt, auf den du dich beziehst. Bevor wir im Studio Tonmeister waren, um den Konzertflügel aufzunehmen, war ich schon leicht nervös. Das kompensiere ich dann eben mit morgendlichen Sitzungen am Klavier, um die Finger zu lockern und die Stücke zu memorieren. Zumal ja jetzt ein neues Album ansteht.

Wir nähern uns dem großen Knall! Das letzte reguläre JANUS Album "Nachtmahr" erschien 2005, seitdem wurden von Fans viele Meter Fingernägel abgekaut (vornehmlich die eigenen). Aber mit etwas Glück ist 2017 endlich Schluss damit! Ihr feilt momentan an einem neuen JANUS Album! Wie weit seid ihr?

Toby: Wir stecken mittendrinnen. Die bereits erwähnten Klavieraufnahmen sind im Kasten, ebenso die Orchesteraufnahmen. Wir haben ein 41-köpfiges Streicherensemble in Budapest aufgenommen und sind vom Ergebnis begeistert. Als Soloinstrument haben wir noch ein Bandoneon am Start. Das war es dann aber auch auf der instrumentalen Seite. Momentan stecken wir mitten in den Gesangsaufnahmen. Dann bleiben nur noch das Mischen und Mastern und wir sind fertig.

RIG: Die neue CD heißt „Ein schwacher Trost“. Sie enthält zehn neue Stücke und ist tatsächlich das erste reguläre Album seit 2005. Ursprünglich arbeiteten wir an einem ganz anderen Album, nämlich „All die Geister“. Dessen Produktion gestaltete sich aber weitaus umfangreicher und schwieriger als zunächst gedacht, so dass wir eine Pause einlegten. Aus den Klavieraufnahmen für ein Stück von „All die Geister“ und den Proben für unsere Duo-Auftritte im Rahmen der Herbstreise hat sich dann unerwartet und überfallartig „Ein schwacher Trost“ entwickelt. Das Album brach aus uns heraus. Es ist ganz anders als „All die Geister“, das in der Tradition von „Vater“ und „Auferstehung“ steht. „Ein schwacher Trost“ ist sehr reduziert, auf den Punkt angelegt. Sein Arbeitstitel lautete „Konzert für Klavier, Orchester, Stimme und Bandoneon“. Wir haben mit diesen Klangfarben das gesamte Album gemalt. Es enthält alle denkbaren JANUS-Farben, die gesamte Palette von regenwolkengrau bis pechschwarz. (lacht)

Auf einer Skala von 1 bis 10, wenn zehn das Höchste ist, wie düster wird das neue Werk?

RIG: 11.

Toby: Düster trifft es für mich nicht. Das neue Album ist traurig, melancholisch, schwermütig. Aber düster? Man holt eher das Taschentuch raus, als den Strick.

RIG: Das stimmt. Schwermütig trifft es auch für mich am besten. Elementare Fragen, die sich um die Thema Alltagsagonie, Altern und Vergänglichkeit drehen. Es steckt bei aller Dunkelheit aber auch immer Lebenswillen und Ermunterung in den Liedern, wenn auch auf diese ganz spezielle JANUS-Art, die manche mit Sarkasmus verwechseln.

Ich sah Tentakel auf dem Artwork abgebildet. Hat vermutlich nichts mit H.P. Lovecraft zu tun.

Toby: Tentakel? Du meinst das Cover von unserer großen Livebox „Ein Aufstand alter Männer“ aus dem Jahr 2015. Die Blu-Ray haben wir übrigens im Capitol Mannheim aufgenommen, wo wir auch dieses Jahr auf der Herbstreise wieder spielen werden.

RIG: Ansonsten liegst du mit Lovecraft nicht falsch. Ein nicht unbedeutender Einfluss für JANUS, nicht zuletzt aufgrund des Titels „Der Flüsterer im Dunkeln“ auf „Vater“.

Bei JANUS können sich andere Bands eine dicke Scheibe abschneiden, wenn es um Information zum Stand der Dinge geht. Auf eurer offiziellen Homepage steht:

"Damit Ihr Euch nicht wöchentlich fragen müsst, ob bald das neue Album erscheinen wird, hier noch ein paar Erläuterungen zur aktuellen Planung. Der frühestmögliche Erscheinungstermin von „All die Geister“ ist das vierte Quartal 2017. Wahrscheinlicher ist eine Veröffentlichung in der zweiten Jahreshälfte 2018. Und wenn es ganz schlimm kommt, werkeln wir sogar bis 2019 daran herum."

Das lässt erahnen, dass ihr eine Fürsorgepflicht für eure Fans verspürt und vielleicht sogar, dass ihr ab und an selbst auf News eurer favorisierten Bands warten musstet.

RIG: Fürsorgepflicht? Nein, eigentlich nicht. Aber nachdem wir einige Jahre lang beharrlich geschwiegen haben zum Stand der Dinge und damit die Geduld der Hörerschaft über Gebühr strapaziert hatten, freuen wir uns zur Zeit, die aktuellen Entwicklungen mit ihr zu teilen. Es kann aber bei Überlastung des Systems JANUS jederzeit wieder geschehen, dass wir uns erneut ins Schneckenhaus zurückziehen. Dadurch das JANUS eine Art verrücktes Hobby von Toby und mir ist, müssen wir uns keinerlei Markt- oder Szenemechanismen beugen. Wir machen einfach nur, was uns gefällt. Das ist befreiend und deshalb gibt es uns auch schon seit über zwanzig Jahren.

Toby: Ich will schon versuchen, dass die Nabelschnur zwischen uns und unseren Hörern nicht wieder abreißt. Eine so lange Pause wie zwischen 2007 und 2011 soll es nicht nochmal geben. Ansonsten hat RIG aber recht. Für uns gibt es keinen Grund, aktiv zu sein, wenn wir gerade nichts zu sagen haben oder nicht auf der Bühne stehen wollen

Seit den Anfängen haben JANUS immer wieder mit Trip-Hop Elementen geliebäugelt. Wart ihr im Gothic-Bereich, wo ihr stets die größte Aufmerksamkeit erregt habt, immer glücklich?

RIG: Trip-Hop, Gothic, Klassik, Metal, Pop, Rock, Jazz … Wir machen uns nichts aus musikalischen Genres. Insofern ist es für uns auch nicht wichtig, innerhalb einer speziellen Szene glücklich zu sein. Aufgrund unserer Plattenfirmen aus frühen Tagen waren wir eben eher in Gothic-Magazinen und auf Gothic-Festivals vertreten. Wir können uns nicht beklagen. Es waren sehr nette Menschen, die wir dadurch kennenlernen konnten. Wir selbst fühlen uns aber keiner Szene zugehörig.

Ich könnte mir ein aktuelles JANUS Konzert bei einem ARTE Themenabend vorstellen. Zu einem solchen Event ist es nicht gekommen. Das liegt auch daran, dass ihr euch (sympathischer Weise) um Promotion nie allzu sehr geschert habt. Seid ihr zufrieden mit dem Weg, den ihr eingeschlagen habt? Könntet ihr euch ein Leben vorstellen, in dem ihr täglich Stunden auf Bühnen und im Rampenlicht verbringt?

 

© Nuno Campos

 

RIG: Ich bin sogar äußerst zufrieden.

Toby: Dito. Wobei ich gegen eine ARTE Themenabend absolut nichts einzuwenden hätte. (lacht)

RIG: Ich auch nicht. Aber ein Leben, in dem wir täglich auf der Bühne oder im Studio stehen, ist für mich dennoch nicht vorstellbar. Unsere Musik hat für mich eine derart hohe Intensität, dass ich mich ihr nicht auf diese Weise täglich ausliefern könnte. Es würde mich in kürzester Zeit ausbrennen. Ich genieße vielmehr, dass die treue Gefolgschaft unserer Hörer es uns ermöglicht, finanziell unabhängig unseren Projekten nachzugehen, wie z.B. die Blu-Ray Produktion mitsamt Kamerakran, die Orchesteraufnahmen zum neuen Album oder das altehrwürdige Gewandhaus in Leipzig als Auftrittsort. Alles kann, aber nichts muss.

Toby: Versucht man, von Musik zu leben, muss man gewisse Mechanismen der Branche und des Marktes akzeptieren. Davon sind wir weit entfernt. Hinzu kommt, dass wir nicht gerade die langweiligsten Berufe haben. Der Drang daraus auszubrechen und nur noch Musik zu machen ist eher gering.

Ironischerweise ist ein gewisser Dirk Riegert ja einigen Menschen rund um den Globus recht bekannt. RIG, du arbeitest als Programmierer seit vielen Jahren vor allem bei der erfolgreichen Videospiel-Serie "Anno". Hast du anfangs einer Seite deine andere Beschäftigung vorsätzlich verschwiegen?

RIG: Nein, das eine hat nur nicht viel mit dem anderen zu tun. Daher verspüre ich keinen großen Drang beim einen über das andere zu sprechen. Ich bin übrigens mitnichten Programmierer. Dazu fehlt mir jedwede Begabung.

Findest du nicht, dass dich die Rocket Beans langsam als Gast ins Studio holen sollten?

RIG: Rocket Beans? Da war ich doch schon: https://www.youtube-nocookie.com/watch?v=Gjk1SpSop5o

Toby, du arbeitest als Produzent, unterstützt L' ÂME IMMORTELLE und andere Künstler (Ein Interview mit dem bekannten Künstler Joachim Luetke erschien kürzlich bei STORMBRINGER). Betätigst du dich anderweitig künstlerisch?

Toby: Das ist so nicht ganz richtig. Meine Zeit als Produzent mit eigenem Studio liegt bereits viele Jahre zurück. Aktuell mache ich nur noch mit JANUS Musik. Für weitere künstlerische Betätigungsfelder wäre auch einfach keine Zeit mehr neben Beruf, Familie, Hobbies und Älterwerden.

Wollen wir eine Runde experimentelles Jeopardy spielen? Ich gebe die Antwort vor und ihr die Frage dazu. Hier kommt sie: "Weil wir mit unserem eigentlichen Berufen ziemlich ausgelastet sind!"

Toby: Weshalb sieht man euch so selten beim Ironman auf Hawaii oder in der Gruppentherapie mit den neuen deutschen Songpoeten?

Auf dem Album "Vater" befindet sich der Song "Saitenspiel". Damit habt ihr einen Evergreen gelandet, der sich jenseits vom Darksector bewegt. Viele Leute kennen das Lied, JANUS hingegen nicht. Ist zwar rein spekulativ, aber was macht ihn zum unvergessenen Ohrwurm?

Toby: Keine Ahnung. Ist das Lied überhaupt ein Evergreen? Wusste ich gar nicht.

RIG: Ich auch nicht. Aber wenn es so wäre, warum nicht. Ich mag das Stück heute noch. Und es handelt von einem meiner musikalischen, ewigen Idole, Gustav Mahler. Passt also.

 

 

Alexander Kaschte (SAMSAS TRAUM) ist euch ja ein Begriff. Es ist schon lange her, etwa zu der Zeit von "Aura und das Schneckenhaus". Ich war großer Fan von diesem und den ersten Alben und Demo-Aufnahmen ("Oh Luna mein" halte ich immer noch für ein Meisterwerk). Aber seine krankhafte Geschwätzigkeit zwang mich, ihm eine Email bezüglich seines Benehmens zu schicken. Als ich mich das nächste Mal auf der offiziellen SAMSAS TRAUM Homepage umschaute, erblickte ich eine neue Rubrik. Sie hieß "Mülltonne" und enthielt meine ungekürzte Email. Glaubt ihr, Alex denkt manchmal noch an mich? Er ist doch so ein emotionaler Typ.

RIG: Ich verstehe nicht ganz, was diese Frage mit JANUS zu tun hat und was wir zur Lösung eures Kommunikationsproblems beitragen könnten.

Toby: Jetzt zier dich nicht so. Du hast doch mal Psychologie studiert.

RIG: Zu lange her. Heute langt es nur noch zur Küchenpsychologie.

Wie geht es mit JANUS weiter? Wenn die Promo-Phase von "Ein schwacher Trost beendet ist und die Bühnen abgebaut sind, ist es dann der letzte Abschied?

Toby: Stand jetzt: es geht weiter. Aber bei JANUS weiß man nie so genau.

RIG: Wir haben noch einige Projekte in der Mache, z.B. das „All die Geister“ Album, das „Labyrinthe“ Buch und einiges mehr. Aber ob wir die auch zu einem Abschluss bringen werden, kann man nie genau sagen. Dasselbe gilt auch für Live-Auftritte.

Toby: Mein Traum wäre es, einmal mit einem richtigen Orchester live aufzutreten.

RIG: Oh ja. Das wäre was. Vielleicht ja mit dem „Lenz“.

Toby: Das wäre das wahnsinnigste Projekt aller Zeiten. Wenn wir das machen, wäre danach Schluss.

RIG: Meinst du?

Toby: Naja, vielleicht auch schon davor.
 

Nun erwarten wir aber gespannt euer bevorstehendes Output! Vielen Dank, dass ihr mich ertragen wolltet. Lasst mal was von euch hören!

Toby:
Gerne doch!

RIG: Jederzeit.

 


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