Interview: STEEL PROPHET - R.D. Liapakis

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"Wir entwickeln „The God Machine“, die göttliche Maschine, die uns irgendwann einmal schön das Genick brechen wird..."

Mit der Verpflichtung des MYSTIC-PROPHECY-Sängers R.D. Liapakis brachten die US-amerikanischen Altmeister STEEL PROPHET frischen Wind in die Stube. Der neu angetretene Stahlprediger sprach mit uns über Band-Polygamie, die Nähe zu seinen Fans und die Entstehung des aktuellen Albums "The God Machine".

Veröffentlicht am 30.05.2019

Die US-Amerikaner STEEL PROPHET sind bereits seit 35 Jahren im Geschäft und gelten als Urgesteine im (US) Heavy / Power Metal. Dennoch sind die Jungs um Gitarristen und Bandgründer Steve Kachinsky in den letzten Jahren ein wenig ins Hintertreffen geraten. Nach der Trennung von ihrem langjährigen Frontmann Rick Mythiasin konnte die Band letztlich R. D. Liapakis verpflichten, der insbesondere als Sänger von MYSTIC PROPHECY bekannt ist. Damit gewann die Band nicht nur eine sehr markante neue Stimme, sondern auch eine potente Verstärkung in Sachen Songwriting und Sound-Engineering. Das erste gemeinsame Album "The God Machine" konnte aus dem Stand überzeugen und fuhr der Band durchweg positives Feedback ein. Grund genug für uns, den frisch gebackenen Stahlpropheten um einen freundlichen Schwatz zu bitten.

Hi Lia! Schön, dass du dir Zeit für ein Gespräch genommen hast! Wie geht es dir?

Alles gut hier! Ich hatte viel zu tun in der letzten Zeit...und es geht gleich wieder weiter mit meiner anderen Band, MYSTIC PROPHECY. Wir sind gerade im Studio und nehmen unser elftes Album auf. Es gibt immer viel zu tun, Musik ist eine schöne Sache! Und der gehe ich nach, aus Liebe und nicht für’s Finanzielle. So lange es Spaß macht, mache ich das weiter. Wenn es einmal keinen Spaß mehr macht und die Leute nichts mehr von uns hören wollen, dann hören wir auch auf.

Eine gute Einstellung...wenn etwas Spaß macht, kommen die besten Ergebnisse raus.

Ja! Wir wollen den Leuten ja auch nicht irgendwie mit sinnlosem Zeug die Zeit verderben. Und vor allem: wenn einmal deine Zeit abgelaufen ist und du nicht mehr interessant bist für die Leute, dann solltest du spätestens da wissen, dass du einpacken und etwas anderes machen sollst [lacht].

Bitte erzähle uns – wie bist du zu STEEL PROPHET gekommen?

Ich hatte STEEL PROPHETs vorherige Scheibe gemixt und gemastert. Vier Jahre danach war da tote Hose und die Jungs haben nach einem neuen Sänger gesucht, weil Rick [Mythiasin] nicht so ganz mitgespielt hat. Wieso, weshalb, warum, weiß ich nicht. Das hat mich auch nie interessiert, das ist ein Thema von den Jungs unter sich. Als Steve [Kachinsky] einen neuen Sänger gesucht hatte, fragte er mich, weil wir uns ja kennen: „Wie findest du den? Wie findest du diesen?“. Sie haben ein paar Sänger ausprobiert, aber es war anscheinend nicht das, was sie sich vorgestellt hatten. Dann hat er [Steve Kachinsky] mich eines Tages angerufen und mich gefragt, ob ich das machen würde. Da habe ich zuerst einmal gelacht und gesagt: „Ne, lass mal gut sein, ich habe überhaupt keine Zeit für all das. Ich habe ja selber MYSTIC PROPHECY und DEVIL’S TRAIN, Studio, Job, Familie, das ist mir alles too much.“ Dann hab’ ich ihm erst mal abgesagt, aber nach drei, vier, fünf Wochen hat er nochmal angerufen und war ziemlich hartnäckig. Da musste ich erst mal lachen und hab’ wieder abgesagt, aber in der Zeit hatte ich gerade ein kleines Zeitloch und dachte mir irgendwann „Ach komm, scheiß’ die Wand an! Das sind nette Jungs und ich mochte die Band schon damals – also probieren wir es mal“. Dann habe ich zugesagt, er hat sich sehr gefreut und mir erst einmal sein ganzes Zeug rübergeschickt.

Hast du dich gut in der neuen Band eingelebt?

Ja! Ich war in den USA, das wollte ich unbedingt. Wir sind die Songs gemeinsam durchgegangen, haben was re-arrangiert und im Studio aufgenommen. Dann bin ich wieder zurück. Von dort bin ich mit einer ganz komischen Company [Airline] aus Indien von Sibirien aus zurück nach Finnland und von da zum Mischen der Scheibe nach Schweden. Dann bin ich für drei Tage nach Hause und dann direkt wieder in die USA geflogen, um die Videos zu drehen. Ohne Scheiß, ich bin in drei Wochen zwei Mal um den Globus geflogen, um ein Heavy-Metal-Album zu machen, das war echt heftig. Aber es hat auch Spaß gemacht und ich komme mit den Jungs super aus. Das hört man auch an der Musik. Das ist mir sehr wichtig, sonst würde ich so etwas nicht machen.

Wie schnell kannst du dich in älteres STEEL-PROPHET-Material einarbeiten? Fällt dir das schwer oder leicht?

Manche Songs gehen ganz, ganz easy. Wenn du einen Sänger kopierst, tust du ja nichts anderes, als deine Stimmfrequenz zu verändern. Wenn du das ein oder zwei Wochen lang versuchst, klappt das ganz gut. Ich bin aber kein Fan von Covern und arbeite lieber mit meiner eigenen Stimme. Ein guter Song klingt auch mit einem tiefstimmigen Sänger gut. [Rob] Halford singt auch nicht mehr so wie vor 20 Jahren und macht bei „Screaming For Vengeance“, „Freeweehl Burning“ oder „Painkiller“ nicht mehr ganz so hohe Sprünge. Er singt da heute eine ganz andere Tonart, aber es klingt trotzdem gut. Klar, manche Songs sind auf einer bestimmten Stimme aufgebaut, aber damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich bin schon so viele Jahre im Business und weiß, wie ich meine Stimme trimmen muss, um jemanden ziemlich ähnlich zu kopieren. Da sehe ich überhaupt kein Problem.

Eure Zusammenarbeit erstreckt sich über zwei Kontinente - wie kann man sich das vorstellen?

Die Jungs gibt es ja jetzt auch schon seit 35 Jahren und ich bin auch schon 30...35 Jahre „on the road“, wir haben da schon alle genug Erfahrung. Wenn Steve mir z. B. einen Song schickt, dann weiß ich schon, wie ich da von zu Hause drauf üben kann. Wenn wir spielen, treffen wir uns zwei Tage vorher, proben einen Tag ausgiebig und dann geben wir Gas! Das ist auch bei MYSTIC PROPHECY so, die Jungs wohnen in Duisburg, Stuttgart, Aschaffenburg und in der Schweiz. Wenn wir dann mal zusammen proben, sind schnell 500€ Spritgeld weg, das ist unmöglich. Also klemmt man sich dahinter, macht seinen Job von zu Hause aus und probt dann einmal vor der Tour. Man hat da wie gesagt Erfahrung und es sind alles gute Musiker. Da gibt es 100-prozentiges Vertrauen.

Herzlichen Glückwunsch zu „The God Machine!" Seid ihr mit den Reaktionen zufrieden?

Ja, total! Ein paar Oldschool-Fans haben sich beschwert, aber ganz, ganz, viele Reaktionen von Magazinen usw. waren sehr positiv: Album des Monats im Rock It!, Top 10 im RockHard in Deutschland, Top 3 in Griechenland, usw. Das Album ist richtig gut angekommen. Wir haben nächsten Monat ein Release in Japan. Wir haben noch nie einen Deal in Japan bekommen, aber die Japaner wollten das Album unbedingt haben. Die Platte erscheint über ein großes Label, Marquee / Avalon, und das hat schon was zu heißen.

Deine Stimme unterscheidet sich deutlich von der deines Vorgängers Rick. Gibt es dazu auch kritische Reaktionen der Fans?

Puh...ganz wenig. Das waren vielleicht 5.000 [Fans], die das alles geil fanden und dann drei, vier oder fünf, die sagen „Das ist alles nicht mehr so, wie die Band mal war!“. Ja mein Gott, Leute – Dio hat auch Ozzy ersetzt - ist das die gleiche Stimme? Dio hat genau so Erfolg gehabt mit BLACK SABBATH. Außerdem ist eine Band ja nicht nur eine Person, sondern ein Team. Und wenn das Team funktioniert, dann kommen auch gute Sachen raus. Manche gehen jetzt halt raus und sagen „Die prägnante Stimme vom Lia stempelt die Band!“ und solche Sachen. Was soll ich denn machen? Soll ich vielleicht Harakiri mit meinen Stimmbändern machen, damit ich höher singen kann [lacht]? Ich hab’ halt eine Stimme, die man vielleicht ein bisschen erkennt und ich bin ganz happy, dass ich eben nicht genau klinge wie Dio oder irgendwer anders. Das ist halt meine Stimme, aber das heißt jetzt nicht, dass ich die Band stigmatisiere und dass die jetzt nach Lia klingt – das ist doch Bullshit. Die Band klingt wie sie klingt und das klingt musikalisch nach STEEL PROPHET, nur halt mit meiner Stimme.
 
Über den Gesang hinaus warst du auch am Songwriting und an der Produktion beteiligt – wie war der Entstehungsprozess? Wie haben Steve und du euch das aufgeteilt?

Steve hatte schon neun Songs fertig geschrieben, aber wir haben sie nochmal gemeinsam angepackt. Ich hatte Steve vorgeschlagen, dass wir vielleicht „back to the roots“ gehen und mal wieder richtig voll auf die Zwölf geben sollten. Anfangs war er nicht so ganz begeistert, hatte es aber schließlich abgenickt. Wir haben die Songs dann alle noch einmal rangenommen und re-arrangiert: hier ein anderes Riff, hier ein anderer Hook, da ein anderer Refrain...und das was du hörst, ist das Resultat. Viele Songs sind über sieben Minuten gegangen – das waren neun Songs und 70 Minuten! Da habe ich gesagt: „Jungs...wie ich euch auch mag, aber ich mache keine Scheibe mit 70 Minuten!“. Das war meine Meinung...und wir haben dann aus diesen Songs mit sieben Minuten welche mit vier Minuten gemacht, und dreieinhalb. OK, das waren neun Nummern und ich dachte mir: „machen wir noch eine Zehnte!“. Dann habe ich noch einen eigenen Song mit unserem MYSTIC-PROPHECY-Gitarristen geschrieben - daraus ist dann „The God Machine“ geworden.

Das wollte ich gerade fragen...den Einfluss hört man sehr deutlich.

Ja, das ist halt ein richtiger Powerknödelsong! Das ist aber genau das, was wir mit STEEL PROPHET machen wollten. Jeder, der die Band kannte, hätte wohl eher so etwas erwartet wie das, was sie vor zehn Jahren gespielt hatten. Aber das hier war jetzt mehr „back to the roots“ und wie die ersten Demos „Steel Prophet“, „Visions Of Force“ oder „Inner Ascendance“. Kennst du nicht, oder?

[beschämt und bedröppelt] Ich kenne STEEL PROPHET, muss aber ehrlich zugeben, dass ich mich bisher nicht so intensiv mit ihnen beschäftigt hatte...

[Lacht] Siehst du – jetzt hab' ich dich im Sack! Genau das Gleiche höre ich von bestimmt 90% der Leute. Aber das ist für mich ein gutes Zeichen, denn auf einmal kennen die Band Leute, die sich vorher keinen Schimmer dafür interessiert hatten. Das ist ein toller Beweis von deiner und anderer Seite. Von vielen Fans, die zig Jahre Heavy Metal hören, höre ich immer wieder „Hey – ist das eine neue Band?“. Ich sage denen dann: „Das sind STEEL PROPHET – kennt ihr die nicht?“ und höre oft „Nö – woher?“. Aber ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass amerikanischer Power Metal in Europa wohl nie so richtig angesagt war, abgesehen von einigen wenigen Bands.

Der Dämon auf dem neuen Albumcover erinnert ein wenig an MYSTIC PROPHECY...war das Absicht?

Nein, eigentlich nicht. Das ist alles in einer Kirche, unten sind die Mönche und oben dieses Monster. Die Mönche bzw. die Menschen versuchen, die neue Gottesmaschine zu erschaffen - also den unsterblichen Menschen...und man sieht ja, was daraus geworden ist. Und Monster sehen sowieso immer gut aus.

Du hattest es schon angedeutet, aber was ist eigentlich die „God Machine“?

Der Mensch übergibt immer mehr dem Computer...in 30 Jahren schätze ich, dass unsere Kinder nicht mehr mit den Computern konkurrieren können. Wir übergeben alle unsere Gewohnheiten, die wir seit über 500 Jahren pflegen – Lesen, Schreiben, Malen, etc. pp. - den Computern. Und wenn die irgendwann einmal so fit sind, das alles übernehmen zu können, dann haben wir das Spiel verloren. Das ist das, was der Mensch meiner Meinung nach brutal falsch macht, dass er versucht, Gott zu spielen und neben dem Menschen noch etwas Neues zu erschaffen, um zu zeigen: „Schaut her, ich kann die Unsterblichkeit erreichen, ich kann dies erreichen, ich kann das erreichen...“. Wir entwickeln „The God Machine“, die göttliche Maschine, die uns irgendwann einmal schön das Genick brechen wird und wir als Menschen nur noch daneben her laufen...arbeitslos oder weiß der Geier, was alles.

Ich nehme an, ihr seid in der aktuellen Besetzung noch nicht live aufgetreten?

Nein, das kommt alles noch.

Aber ihr habt sicherlich Pläne für eine Tour - wann dürfen wir die neuen STEEL PROPHET live erleben?

Wir haben jetzt schon ein paar Anfragen und so, aber wir müssen das jetzt erst mal alles sortieren und schauen, was machbar ist. Es ist ja nicht gerade günstig, die Jungs aus Amerika hierher zu schicken. Wir haben auch einige Angebote in den USA, da ist es zunächst vielleicht günstiger, wenn ich dort rüber fliege und wir dort was machen. Aber wie gesagt schauen wir, was alles machbar ist und ich denke, dass in 2020 auch hier etwas auf uns zukommen wird.

Bist du trotz deiner langen Liveerfahrung nervös in der neuen (Band-)Umgebung?

Nein, das habe ich schon lange abgelegt [lacht]. Ich bin nicht unbedingt ein nervöser Typ, das war ich noch nie. Die ersten paar Jahre habe ich mich vielleicht ein wenig unwohl gefühlt, aber das hat sich alles eingepegelt. Ich denke da gar nicht daran, denn je mehr du dich damit beschäftigst, desto mehr Fehler machst du und desto weniger kannst du dich auf das konzentrieren, was wichtig ist.

Wie hältst du dich auf Tour fit?

Nun, ich trinke keinen Alkohol, ich bin kein Raucher und ich lasse es locker angehen. Ich schaue mir immer die Städte an, in denen wir spielen. Ich versuche, mit meinen Bandmitgliedern eine gute Zeit zu haben, nach dem Gig versorge ich unsere Fans und alle, die ein Interview, Signings, etc. wollen. Dann gehe ich in den Bus, packe mich schön warm ein und gehe ins Bett. Ich bin kein Partytiger. Ich muss auch ganz ehrlich sagen: auf Tour gehen ist schon ein harter Job...du schläfst in einem Bus, du schläfst nie ruhig und du musst am nächsten Tag Leistung bringen. Da stehen Leute, die Geld bezahlt haben, um dich zu sehen – und die haben es nicht verdient, dich besoffen und unfit zu erleben. Ich will unseren Fans immer das Beste geben!

Du bist gleich in vier Bands aktiv – wie bekommst du das unter einen Hut?

Wie gesagt, ich liebe Musik. Ich gehe nicht in Kneipen, ich gehe nicht viel weg, ich habe meine Familie, meine Freunde und die Musik. Und da ist es mir die Musik wert, Zeit mit ihr zu verbringen. Du musst dich dahinterklemmen, sonst kriegst du das nicht hin. Ich habe jetzt seit [überlegt] 2001 16, mit der neuen MYSTIC PROPHECY 17, Longplayer auf dem Markt. Das ist alle 12 bis 13 Monate eine Scheibe...und das mit vier, fünf verschiedenen Bands.

Du hattest erwähnt, dass ein neues MYSTIC PROPHECY Album in der Mache ist – was dürfen wir (wann) erwarten?

Ja, das Album erscheint nächstes Jahr – lasst euch überraschen! Es ist heftig, aber es ist ein sehr geiles, abwechslungsreiches Metalalbum geworden. Da bin ich fest überzeugt!

Was steht sonst noch so in der nächsten Zeit an?

Wie gesagt machen wir jetzt die neue MYSTIC-PROPHECY-Scheibe fertig, drehen noch ein paar Videos, spielen einige kleine Konzerte und bereiten uns auf die Release-Shows vor. 2020 geben wir wieder mehr Gas. Bis die neue MYSTIC PROPHECY läuft, können wir mit STEEL PROPHET hier und da spielen und mit MP auch. Das sind dann zwar zwei Baustellen, aber das kann man gut koordinieren.

Noch einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Die abschließenden Worte überlasse ich dir!

Danke, dass es noch so Leute wie dich gibt und Magazine, die noch richtige Interviews machen, statt alles nur über den Computer laufen zu lassen. Danke an die ganze Metal-Gemeinschaft, dass die Leute immer noch so aktiv sind, CDs kaufen und Bands unterstützen – auch welche wie uns und nicht nur die Großen. Ohne Fans ist eine Band nur eine große Null und sonst gar nichts.


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