Interview: Thomas Waldner

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Mir ist es egal, ob sich ein Künstler da oder dort verspielt, oder Campino bei dem einen oder anderen Song den Text vergisst. Es geht mir darum, die Energie, das Menschliche dahinter zu spüren.

Der Herr der Bühnen über Hardcore, Metal und das Donauinselfest.

Veröffentlicht am 25.10.2019

Thomas, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst!​
Du warst noch jung, als du zum Donauinselfest (DIF) kamst. Erzähle uns bitte kurz, wie es dazu kam.

Eigentlich über Umwege: Ich habe im technischen Organisationsbereich begonnen, kleinere Veranstaltungen organisiert. 2009 kam ich in das Team von Heinz Fischer, um den Wahlkampf technisch zu begleiten. Danach ein paar Jahre in der SPÖ Wien, wo ich teilweise schon mit dem DIF zu tun hatte. Als 2012 mein Vorgänger ausschied, wurde ich gefragt, ob ich das gesamte Donauinselfestprojekt übernehmen möchte. Ich war noch sehr jung, 28 Jahre alt, dachte mir aber: darauf gepfiffen und nahm an. "Zum Glück" war mein erstes Jahr gleich das 30jährige DIF Jubiläum, es lag also besonderer Druck auf mir. Es war kein schönes halbes Jahr. Es sind viele dabei, die das DIF schon seit Jahrzehnten in diversen Funktionen begleiten, die waren natürlich alles andere als begeistert, dass so ein Junger daherkommt, aber ich habe versucht, alle mit meiner positiven Art mitzunehmen und das ist mir gelungen, ich habe mir mein Standing gut erarbeitet. Nächstes Jahr ist es mein achtes Donauinselfest.

Dein erstes Jahr war sehr erfolgreich. Ich erinnere mich an das begeisterte Feedback in den Social Medias.

Ja, stimmt. Es war zwar keine Gradwanderung, aber schon ein gewisser Umbruch, weil ich den Zugang Qualität statt Quantität hatte und viele Aspekte wie die Gastronomie neu aufgesetzt oder neue Meilensteine im Sicherheitsbereich erreicht habe. Was mir Herzbluten bereitete, war die Streichung der Rockbühne. Das war notwendig, weil sie sich an einer für die Besucherströme extrem schlechten Position gegenüber der Electronic Music Stage befand. Dadurch kam es zu einigen unguten Situationen. Es war der Wunsch der Behörden, diesbezüglich eine Veränderung herbeizuführen. Im ersten Jahr eine große Bühne zu streichen, ist halt auch nichts, was man sich auf die Fahnen heften möchte. Aber bevor es zu einem großen Schadensereignis kommt, muss man es machen. Dennoch, das Jubiläum war für mich sicher eines der schönsten Feste, zusammen mit dem heurigen DIF.

Damit erübrigt sich meine Frage nach dem schönsten Erlebnis.

Naja, das schönste Erlebnis war das Konzert der SPORTFREUNDE STILLER 2013 auf der Festbühne. Ich stand auf dem ORF-Turm und sah hinunter, wie 90.000 Leute mitsangen. Diese Energie war unglaublich, es war eine schöne Bestätigung und ein unvergesslicher emotionaler Moment!

Wie lauft die Auswahl der Bands ab?

Wir hatten heuer 13 Bühnen, das ist von Bühne zu Bühne unterschiedlich. Zum Beispiel die Großen, die wir kommerziell sehr stark vermarkten und für die wir Medienpartner und klassische Sponsoren mit dabei haben. Die FM4 Bühne etwa wählt in Zusammenarbeit mit Muff Sopper de facto autonom. Muff Sopper bekommt von mir ein Budget vorgegeben, wenn er an einen Act glaubt, vertraue ich ihm. Die Künstler müssen zum Medienpartner passen. Die Festbühne am Samstag wiederum wird von uns gebookt, Ö3 hingegen bookt wieder autonom.

Nachdem ich weiß, dass du ein Metalfan bist: Wird der Tag kommen, an dem zwischen Ambros und Fendrich CANNIBAL CORPSE von der Bühne runter grölen?

Das hat was (Thomas lacht). Ich weiß es nicht. Es gibt genug Metalbands, die das Potential hätten, eine derartige Bühne zu füllen.  Ich war bei RAMMSTEIN im Prater, die Woche davor bei METALLICA, das waren gigantische Konzerte. Diese Bands haben die Kraft, Massen zu bewegen, aber es muss zum Gesamtkonzept passen. Es muss bei jeder Bühne eine gewisse Linie drinnen sein, was immer schwieriger wird, weil die Genres verschwimmen. Natürlich wäre es schön, gerade weil wir in Österreich tolle Rock-und Metalbands haben, bei denen aber leider der Medienpartner fehlt, um es in die Breite zu bringen. Es gelingt zwar bei 88.6 in Wien Ostregion, dass sie derartigen Bands eine Plattform bieten, aber generell fehlt es in Österreich, dass man für diese Bands eine Lanze bricht.

Wenn du freie Hand hättest und nicht auf Konzept, Image und Geld achten müsstest, welche Metalband würdest du auf die DIF Bühne holen?

Auf jeden Fall IRON MAIDEN, die liebe ich heiß! Nicht wirklich Metal, eher Hardcore: AGNOSTIC FRONT ist absolut eine meiner Lieblingsbands. Ich finde, Hardcore ist ein Genre, bei dem du die Energie, die eine Musik bei den Fans auslösen kann, total spürst. Dass es keine Barrieren gibt, ist von den Künstlern so gewollt, es gibt intensive Interaktion mit dem Publikum. Mir persönlich gibt ein Live-Konzert nichts, das das Gleiche ist, als würde ich die CD oder eine Playlist abspielen. Mir ist es egal, ob sich ein Künstler da oder dort verspielt, oder Campino bei dem einen oder anderen Song den Text vergisst. Es geht mir darum, die Energie, das Menschliche dahinter zu spüren. Das (IRON MAIDEN, AGNOSTIC FRONT, Hardcore Bands, Anm. d. Verfasser) wären definitiv Acts, die ich bringen würde.

Ich bin kein RAMMSTEIN-Fan im eigentlichen Sinne, aber was die Band live bringt, die Produktion, die sie im Happel-Stadion abgeliefert hat, war eine neue Klasse für sich. Mir würde es gefallen, ein Festival zu kreieren, das in der Zielgruppe sehr spitz ist, fernab der Aufweichung durch Mainstream-Acts, wie es zur Zeit, nicht nur in Österreich, der Fall ist.

Vor 8,9 Jahren war ich auf dem Metalcamp in Tolmin. Ein kleines Metalfestl, AMON AMARTH waren Headliner, da habe ich tolle Konzerte gesehen, da kam der Metal-Spirit richtig durch. Wenn ich also die Wahl hätte, würde ich versuchen, so ein Festival zu produzieren.

Da muss ich nun nachhaken: Heißt das, dass wir eines Tages auf ein Metal-Donauinselfest hoffen können?

Vielleicht kein Metal-Donauinselfest, aber auf die Metalbühne. Das ist schon mein Bestreben, dass diese Metalbühne in irgendeiner Form wieder kommt, mit einem starken Focus auf österreichische Bands. Das ist der Auftrag des Donauinselfestes: Bands eine breite Öffentlichkeit zu bieten. Da würde ich auch den Rock mitnehmen. Zum Beispiel die Stoner-Rock Band THE WEIGHT aus Vorarlberg macht tolle live Shows, also in diese Richtung würde es gehen. Ich hoffe, dass ich das in den nächsten Jahren erreichen kann.

Sollte dieses Vorhaben im Rahmen des Donauinselfestes nicht klappen, würdest du es dann als eigenständige Veranstaltung durchführen?​

Es ist die Frage, ob das wirtschaftlich durchführbar ist. Konzertveranstaltungen sind zur Zeit ein sehr hartes Geschäft geworden. Das muss wirklich gut geplant werden, damit es kein Bauchschuss wird. Man muss aufpassen, dass es zu keiner Kannibalisierung kommt, wie es schon öfters der Fall war, wo es Machtkämpfe gab.

An Potential haben wir in Österreich genug, wir haben großartige Bands.

Ja, absolut!

Weil wir gerade von Festivals sprechen: Es ist beachtlich, dass das DIF, als Europas größtes Open Air Festival bei freiem Eintritt, auch eines der Sichersten ist.

Stimmt. Im Vergleich zu den Besuchermassen sind wir eines der Sichersten. Da ist jeder Kirchtag bei uns in Kärnten gefährlicher als das DIF. Das hat sowohl mit der hohen Sicherheitspräsenz und dem damit verbundenen subjektiven Sicherheitsgefühl zu tun, als auch mit der Tatsache, dass wir qualitativ sehr viel machen. Wir haben 45 Kameras im Einsatz, wir arbeiten mit Nachtsichtgeräten, wir verfügen über eine Hubschrauberkamera. Wir sehen alles.

Kommen wir kurz zu Bands: Was mich immer wieder überrascht: dass manche Musiker eine gewisse "elitäre" Einstellung zeigen. Ein Beispiel: Wenn eine Band den Rock The Island Contest gewinnt und sich dann drei Jahre später beschwert, der Gewinn habe der Band nichts gebracht, und man recherchiert, was die Band in diesen Jahren gemacht hat, merkt man: Sie haben die Hände in den Schoß gelegt und nichts gemacht.

Ja. Das ist wie in jedem Job: Oft fliegt dir der Erfolg nicht in den Schoß, sondern bedarf richtiger Arbeit, die man machen muss. Und oft ist es ein harter und steiniger Weg, den du gehen musst. Man muss den Extra-Schritt gehen, die Extra-Meter machen, um Erfolg zu haben. 

"Nur" weil man den Rock The Island Contest gewinnt, 1.000 € Gage bekommt und einen tollen Auftritt hinlegt, ist man noch kein Rockstar. Zum Beispiel die Band FLOWRAG, die auch den Rock The Island Contest gewann: Sie hat sich danach gut vernetzt, hat die Chance genutzt, zum Beispiel mit Ö3 in Kontakt zu treten und hat es sukzessive mit Qualität und Hartnäckigkeit geschafft, Chartplatzierungen auf Ö3 zu bekommen. Manche junge Bands glauben, sie sind ALICE COOPER, wenn sie auf die Bühne gehen. 

Es gibt übrigens eine lustige Geschichte mit MICHAL BOLTON: Die junge 18jährige Security hatte ihn am Eingang nicht erkannt, weil er seine Akkreditierung nicht dabei gehabt hatte. Sie hatte ihn einfach nicht durchgelassen, erst nach telefonischer Rückfrage durfte er durch. Michael Bolton hat sich danach dafür bedankt, dass die Security so strikt war! 

Sehr wichtig ist auch Eigen-PR für Künstler, das ist extrem wichtig. TURBOBIER sind ein gutes Beispiel: Sie haben sich ein Image als die Wilden, als Punkband, aufgebaut, aber Marco Pogo, nebenbei, hat eine Partei gegründet, einen klaren PR-Plan für die Bandvermarktung erarbeitet, beginnend mit der Kooperation mit 88.6 über Ottakringer, Volume, etc. Das ist in Wahrheit eine gewisse Unternehmensführung. Eine Band ist ein Unternehmen!

Weil du PR erwähntest: Zum Thema Medienkooperation gibt es viele Missverständnisse. Kannst du kurz beschreiben, wie bei euch eine Medienkooperation ablauft?

Gerne. Es gibt zwei Bereiche: Die bühnenspezifische Medienkooperation, etwa mit Ö3 oder 88.6, wo wir auf Gegengeschäftsbasis eine Präsenz vor Ort anbieten und im Gegenzug Medienvolumen bekommen, das wir dann wieder an dritte Sponsoren weiter vermarkten, um an Cash-Leistungen der Dritt-Sponsoren zu kommen. 

Dann gibt es die klassische Medienkooperation, bei denen die Medienpartner einfach nur vor Ort sein wollen und Bereiche hosten, wie die Kronen Zeitung, Heute oder das Wiener Bezirksblatt.

Im Grunde ist die Medienkooperation dem klassischen Sponsoring sehr ähnlich.

Genau. 

Du musst also etwas bieten und bekommst dafür einen gewissen Medienwert. Schreibt ihr diesen Medienwert vor?

Ja, weil die Leistungen, die wir bieten, einen monetären Wert haben, das muss dem gegenüber gestellt werden. Gerade für Medien ist das Donauinselfest ein willkommenes Thema, bei dem man auch sehr viele Geschichte drumherum erzählen und marketingtechnisch sehr gut positionieren kann. Das funktioniert sehr gut. Da muss man auch einmal ein ganz großes DANKE SCHÖN an die Kooperationspartner und Medienpartner aussprechen. Es haben sich einfach wirklich gute Partnerschaften entwickelt. 

Was würdest du jungen Bands ohne fachlichem Know-How (PR, Medienkooperationen, Branding) raten?

Das ist sehr schwierig. Man sollte sich einen Manager suchen, oder zumindest im Bekanntenkreis nachfragen, ob es jemanden gibt, der sich mit Brandmanagement etc. auskennt, ein bisschen Ahnung von Marketing hat und weiß, wie man damit umgeht: Welche Bandfotos mache ich, wie sieht das Bandlogo aus, brauche ich eine Website, wie inszeniere ich mich als Band. Und man muss sich fragen: Will ich das überhaupt? Der nächste Schritt ist dann, Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen. Booker, Veranstalter. Streamingplattformen nutzen, auch wenn es ein für Bands finanziell unfairer Markt ist, aber du erreichst eben viele Metalfans. Du hörst dich zum Beispiel auf Spotify in die Musik einer Band ein und irgendwann gehst du dann auch auf deren Konzert. Ich mache das auch nicht anders. Viele suchen in ihren bevorzugten Genres nach Neuem.


Lieber Thomas, herzlichen Dank für dieses hoch interessante Interview!

http://proevent.at


Herzlicher Dank gilt auch Christoph Machner, Geschäftsführer der​ webquake Professional Services GmbH für die Zurverügungstellung des Cisco-Videokonferenzsystems zur Durchführung dieses Interviews.

www.webquake.com


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