Interview: ITCHY - Sebastian Hafner

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Da dachten wir, dass diese Ankündigung doch recht gut dazu passen würde, auch wenn Panzer erst meinte, dass uns das eh keine Sau abkaufen würde. Sah ich ähnlich, aber wir haben es einfach gemacht und am nächsten Tag gab es derart viele Kommentare nach dem Motto "Sowas kann auch nur euch passieren" und jetzt fragst du in ähnlicher Form. Offensichtlich trauen uns die Leute zu, so dermaßen dumm zu sein. (lacht)

ITCHY sind zu einer festen Größe in der deutschen Punkszene geworden, liefern aber nicht nur schrammeligen Punk Rock, sondern Musik, die den Hörer einfängt und gleichzeitig mit Texten zum Nachdenken anregt. Nun hauen sie mit "Ja Als Ob" ihr erstes deutschsprachiges Album raus.

Text: Sonata
Veröffentlicht am 02.02.2020

Mit "Ja Als Ob" erscheint zum ersten Mal ein ITCHY Album auf deutscher Sprache. Was waren die Beweggründe dafür, vom englischen ins deutsche zu switchen?​

Wir hatten uns schlichtweg gedacht: "Wieso eigentlich nicht?". Zugegeben, in unserer langen Karriere war bisher nie wirklich das Bedürfnis da, hinsichtlich dessen was zu ändern, aber diesmal wollten wir mal ausprobieren, was passiert, wenn wir einen deutschen Text auf unsere Mucke schreiben. Wenn das im Resultat nicht authentisch geworden wäre bzw. sich nicht gut angefühlt hätte, hätten wir wie gehabt auf Englisch weiter gemacht, aber es hat erstaunlich gut geklappt. Wir sind sehr gut reingekommen und hatten dann Richtung Sommer 2019 in der Songwriting Phase an die 50 Songs! Es sprudelte förmlich aus uns heraus und war auch echt interessant zu beobachten, wie sich das Hören der eigenen Musik dadurch verändert. Wir haben besonders großen Wert auf die Texte gelegt, auch wenn wir natürlich im Englischen ebenso immer gute Texte schreiben wollten. In der Muttersprache ist es aber doch noch nochmal was anderes und man hört in der einem bekannten Sprache zuerst tatsächlich oftmals auf den Text. Es hat sich gut angefühlt und daher entschieden wir uns auch recht schnell dazu, es so durchzuziehen. Nach ein paar Wochen und Monaten hat es sich auch so angefühlt, als hätten wir nie was anderes gemacht. Wir wollen uns immer neue Aufgaben stellen und uns nicht wiederholen. Da bietet uns die deutsche Sprache einiges an Möglichkeiten. Das wichtigste: Es kommt auch gut bei den Leuten an!

Ich muss sagen, dass ich das Konzept auch sehr interessiert verfolgt habe, wie ihr das mit deutschen Texten aufbereitet. Die eigene Sprache bietet ja dann doch nochmal eine andere Wortvielfalt sich ausleben zu können und im Allgemeinen offenbart die deutsche Sprache sehr viel lyrisches Potenzial.

Es lässt sich auch gar nicht so leicht umswitchen und wird einem nicht so leicht verziehen, denn im englischen kannst du auch mal eine Textzeile formulieren, die nicht so bedeutungsschwanger ist und es wird dir noch eher verziehen. In der deutschen Sprache formulierst du deine Texte am besten so, dass du sie in der Theorie fertig auf ein T-Shirt drucken könntest.

Zu Beginn war ich auch relativ skeptisch, weil ich grundsätzlich Jemand bin, der mit deutschen Texten nicht so gut kann und mehr auf englische Texte abfährt. Woran das liegt, kann ich dir gar nicht genau aufschlüsseln, aber als dann eure erste Single "Faust" rauskam, hat es sofort Klick gemacht. Als würde ich in meinem Bewusstsein gar nicht merken, dass es plötzlich deutsche Texte sind, weil ihr euch musikalisch treu bleibt. Die Frische durch deutsche Texte, aber das "Gewohnte" durch eure Musik. Quasi eine sehr gut funktionierende Symbiose!

Das ist ganz witzig, denn ich muss dir sagen, dass ich privat auch lieber Musik mit englischen Texten höre. Ich hab mit den Jungs zwar besprochen, dass wir fortan dann auf Deutsch texten, aber ansonsten finde ich selber das meiste der deutschsprachigen Musik kacke. (lacht) War also eine besonders große Herausforderung, deutsche Musik zu schreiben, die ich selber nicht kacke finde. Ähnlich wie du haben andere Leute auch schon das Feedback gegeben, dass ihnen der Sprachwechsel gar nicht so auffällt und das ist letztlich auch das Beste, was dir passieren kann.

Definitiv! Ich verfolge euch ja jetzt auch schon eine Weile und gerade das letzte Album "All We Know" hat mich sehr mitgerissen, weil ich es auch thematisch insgesamt sehr ansprechend finde. Daher die anfängliche Skepsis bezüglich der deutschen Sprache, wobei ich eben kein Mensch bin, der sofort die Scheuklappen hochfährt und das Ganze als "scheiße" abspeichert, weil es nun auf deutsch vorgetragen wird. Hat sich ja auch gelohnt! 

Ich glaube, dass man einer Band anhört, ob es authentisch klingt und ob sie hinter dem stehen, was sie machen. Dann ergibt sich automatisch alles andere. Ich denke, dass man es uns anhören würde, wenn wir nur auf einen Zug aufspringen wollen würden, aber wir haben ja selbst gesagt, dass wir es nur machen, wenn wir zu 100% dahinterstehen würden und uns damit wohlfühlen. Das erste Feedback zu den Singles war zum Glück bisher sehr gut, denn mit einer  gewissen Angst geht man schon an die Sache heran, was ja normal ist. 

Sagt ihr euch selber denn auch, dass das fortan der Weg ist, den ihr beschreiten wollt mit deutschen Texten?

Ich glaub schon. Wir haben bisher zwar nicht drüber geredet, aber es fühlt sich alles sehr natürlich an für uns und nicht, als wenn wir plötzlich vollkommen andere Musik fabrizieren. Daher bin ich sicher, dass es so weiter gehen wird für uns.

Ich bin auch sehr gespannt, wie sich das Ganze auf eure Tour auswirken wird, die ihr 2020 angeht. Ich denke nämlich, dass die deutschen Songs sehr gut mit den englischen Songs resonieren werden. 

Ich bin auch gespannt! (lacht) Wir haben jetzt noch nicht gesprochen, wie viele neue bzw. alte Songs wir spielen werden, aber natürlich wird es eine Mischung. Ich bin aber auch sicher, dass die deutschen Songs sich sehr gut zum mitgrölen eignen werden!

Mit Sebastian Madsen habt ihr ja diesmal quasi deinen Namensvetter an Bord, der euch beim Song "Ich Wollte Noch" unterstützt. Ich weiß, dass ihr damals bei diesem MTV Contest erste Berührungspunkte hattet, denn ihr für euch entscheiden konntet, aber wie kam es nun zustande, dass er seine Stimme auf eurem Album verewigt?

Wir haben seitdem einfach immer wieder Kontakt gehabt, sind befreundet und haben ja auch auf diversen Festivals gemeinsam gespielt. Als ich den Song geschrieben habe, kam mir in den Sinn, dass Sebastian Madsen mit seiner Stimme sehr gut auf die Nummer passen würde. Wir wollten immer was zusammen machen und MADSEN waren damals für unsere 15-jährige Geburtstagsshow als Secret-Support Act eingeplant, was sie leider kurzfristig absagen mussten, weil er krank wurde, aber jetzt haben wir es endlich hinbekommen, was gemeinsam zu machen. Ich denke, dass die Nummer auch live gut knallen wird!

Ich bin gespannt drauf! Ihr seid die Alten, aber macht etwas Neues. 

Gibt ja auch nicht so viele Bands, die nach 18 Jahren und acht Alben nochmal überraschen können mit etwas Neuem und dementsprechend trifft es "gespannt" auch echt auf den Punkt.

Was behandeln eure Texte den diesmal grundsätzlich so? Natürlich bin ich der deutschen Sprache mächtig, aber wenn der Künstler selbst Eindrücke gewährt, ergibt das nochmal eine andere Sichtweise. Egoistischerweise würde ich mit "Godzilla" und "Nicht Weg" zwei Songs herausgreifen, die mich persönlich sehr mitnehmen. Geh gern mal gezielt auf diese zwei Nummern ein!

"Godzilla" ist im Prinzip der Versuch, zu beschreiben, was in meinem Kopf manchmal so abgeht und ich selber nicht immer weiß, was los ist und wie ich es verbalisieren kann. Daher wirkt der Text etwas wirr, wobei eben genau das auch die Zielsetzung war, dieses Zerstreute innerhalb meines Kopfes lyrisch aufzuarbeiten. "Nicht Weg" bezieht Stellung zur ganzen Flüchtlingsdebatte und Menschen, die sich ganz klar auf die rechte Seite stellen, um Hass gegenüber Flüchtlingen zu verbreiten. Das wir uns gegen diesen Hass stellen und "Nicht Weg" gehen. Du wirst ja auch die aktuellen Wahlergebnisse verfolgt haben und was da eine bestimmte Partei für Zuspruch erhält. Da wollen wir uns mit dieser Message eben gegen stellen. Natürlich muss man alle politischen Meinungen tolerieren, aber wenn diese in rechtsradikalen Fremdenhass ausarten, muss man sich meiner Ansicht nach ganz klar dagegenstellen und ein Zeichen setzen.

Gerade "Godzilla" catcht mich eben auch musikalisch total, weil ich diesen leisen Aufbau von Songs liebe. Ruhige Strophen und ein Chorus, der mit fortnehmender Dauer immer mehr Energie aufnimmt, um am Ende nach der ganz leisen Passage förmlich zu explodieren.

Cool, vielen Dank! Da sind wir tatsächlich auch musikalisch immer dran, dass wir nicht nur drei Akkorde verzerrte Punk Rock Gitarre spielen, sondern uns da auch herausfordern. Ich schreibe gern vielschichtige Songs und höre auch extrem viele Genres. Wenn man 50 Songs schreibt, ist viel Verschiedenes dabei und es ist schwierig, am Ende Songs auszwählen, dass es am Ende wie eine homogene Platte klingt, die trotzdem abwechslungsreich ist. Persönlich finde ich es erfrischend, wenn auch mal etwas passiert, womit man nicht rechnet. Finde ich also toll, dass dir der Song so gut gefällt!

Wie war das denn nun wirklich mit dem Video zu eurem kürzlich erschienenen Titeltrack "Ja Als Ob". Habt ihr das wirklich verpennt und hattet dementsprechend kein Budget zur Verfügung oder habt ihr das letztlich auch ein wenig als Marketinggag weiter gesponnen? Ich kann euch ja durchaus so chaotisch einschätzen! (lacht)

Ich könnte jetzt den Mythos natürlich weiterspinnen, aber wir sind hier ja in einem ehrlichen Interview und dementsprechend erfährt es ja niemand außer uns beiden. (schmunzelt) Grundsätzlich haben glaube ich viele Bands die Idee, dass ein Video eine möglichst geile Idee verwursten soll und gleichzeitig so wenig wie möglich kosten soll, was natürlich nicht immer so einfach ist. Wir haben uns als Ziel gesetzt, das Video mit 0 Euro Budget durchzuziehen und alles selbst zu machen, was letztlich auch gelungen ist. Man sieht ja auch, dass es extra fürs Handy optimiert worden ist und es quasi einen Whatsapp Chat nachstellt. Da dachten wir, dass diese Ankündigung doch recht gut dazu passen würde, auch wenn Panzer erst meinte, dass uns das eh keine Sau abkaufen würde. Sah ich ähnlich, aber wir haben es einfach gemacht und am nächsten Tag gab es derart viele Kommentare nach dem Motto "Sowas kann auch nur euch passieren" und jetzt fragst du in ähnlicher Form. Offensichtlich trauen uns die Leute zu, so dermaßen dumm zu sein. (lacht) 

Macht doch aber ein wenig den Charakter der Band aus, wenn nicht alles so gleichförmig ist, sondern ein wenig das Verrückte nach außen kehrt.

Ja, eben! Und beim Budget standen am Ende auch tatsächlich 0 Euro. Die Butterbrezel für die Jungs habe ich privat bezahlt, ebenso Panzer seinen Anfahrtsweg von 10 Euro. Am Ende stand also die Null! 

Hast du denn selbst Songs auf der Platte, die du favorisierst oder wo du dich drauf freust, sie live zu performen?

Ist natürlich immer schwierig als Künstler und hängt am Ende auch viel mit dem Gefühl zusammen, wie die Songs live ankommen und was wir für ein Feedback erhalten. Aktuell schwanken die Songs immer, aber "Ich Wollte Noch" stelle ich mir live sehr cool vor. Auch "Herzlich Willkommen Daheim" ist einer meiner persönlichen Favoriten. Oder so ein Liebeslied wie "Pflastersteine". Ich erinnere mich noch, als Panzer es uns auf seiner Gitarre vorgespielt hat und uns die Kinnlade runterfiel. Im Studio haben wir mit unserem Produzenten auch entschieden, den Song nur minimal mit Drums auszustatten und die Melodie in den Fokus zu rücken. Wir haben uns ja auch fast ein Jahr nonstop mit den Songs beschäftigt und jetzt kommen nach und nach die ersten Singles raus, die Tour beginnt etc. Das Album als solches war ja abgeschlossen und wir konnten mal kurz zur Ruhe kommen. 

Zum Abschluss eine etwas frischere Kategorie in Sachen Fragen von mir. Prinzipiell ist es an dir, mir eine Frage stellen zu dürfen, die im Gesamtkontext dieses Interviews passt. Da sind dann allerdings auch keinerlei Grenzen gesetzt.

Puh! Coole Idee, lass mich kurz überlegen... Gibt es etwas, was wir als Band tun können, was dir als Fan richtig gut gefallen würde?

An und für sich bin ich rundum zufrieden, würde aber gern ein Versäumnis aufarbeiten. 2017 habe ich euch beim Olgas Rock in Oberhausen live gesehen, habe aber die ersten Songs verpasst, weil die Schlange draußen unendlich lang war... Und ich hörte nur aus der Entfernung, dass ihr gerade "Black", einen meiner Lieblingssongs spielt und war richtig pissed, dass ich ihn nicht live miterleben konnte. Daher wünsche ich mir, dieses Versäumnis nachholen zu können auf der kommenden Tour!

Gibt gute Chancen, dass du das kannst! Sei pünktlich da und ich sage mal vorsichtig, dass du das aufarbeiten kannst!

Ja cool, vielen Dank für das spannende Interview, lieber Sibbi und viel Erfolg mit eurer Platte! Wir sehen uns auf Tour!

Danke auch die für das tolle Gespräch und bis bald!

 


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