Interview: ÁRSTIDIR LIFSINS - Stefán

Artikel-Bild

Wir möchten uns nicht als elitäre Heavy Metal Akademiker präsentieren, die diese Band gegründet haben um der Szene eine Lektion in Sachen altisländische Geschichte und Kultur zu erteilen.

“Saga á tveim tungum II: Eigi fjëll né firðir” heißt das neueste Album dieser in ihrem Zugang zur Historie der Wikingerzeit und frühen Islands recht einzigartigen Band. Mastermind Stefán sprach ausführlich mit uns über ÁRSTÍÐIR LÍFSINS Schaffen.

Veröffentlicht am 19.07.2020

Vor kurzem habt ihr euer neuestes Album “Saga á tveim tungum II: Eigi fjëll né firðir” veröffentlicht. Darin und im dazugehörigen letztjährigem Release “Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr” wird die Geschichte zweier getrennter Geschwister erzählt, während der Herrschaft König Olafs II, der Norwegen christianisierte. Der Bruder ist ein Anhänger Olafs, die Schwester hingegen wuchs in einem nicht-christlichen Umfeld auf. Alle eure Alben erzählen die Geschichte einer isländischen Familie, beginnend in der späten Eisenzeit. Kannst du kurz zusammenfassen was vor “Saga á tveim tungum” geschah? Welche Etappen der isländischen Geschichte habt ihr bisher behandelt?

Eine detaillierte Zusammenfassung ist hier wahrscheinlich fehl am Platz, aber ich versuche mal die Texte unserer bisherigen Alben zusammenzufassen. ”Jëtunheima dolgferð” (2010) basiert historisch auf den letzten Jahrzehnten der Besiedlungsperiode Islands (ca. 870 930), die ersten paar Jahre nach der Etablierung des Alþing [Gemeinderat] 930 und und zum Teil der darauffolgenden Wiederspaltung. Genau das wird in den letzten Songs auf diesem Album beschrieben, als die Familie gezwungen ist von Berufjörður im Osten Islands nach Önundarfjörður im Nord-Westen umzusiedeln. Die Geschichte endet damit, dass die Familie aufgrund von schlechter Ernte und wenig gefangenem Fisch an Hunger leidet und der Protagonist letztendlich eines Winternachts, als er nach seinen verbliebenen Rindern sucht, ertrinkt. Insgesamt behandelt das Album nicht nur wichtige Veränderungen in der isländischen Gesellschaft während des 10. Jahrhunderts, sondern auch die Schicksalsschläge welche die Familie erleidet, welche aus einer sehr mythologischen Sicht erzählt werden. Unser zweites Album, ”Vápna lækjar eldr” (2012), konzentriert sich auf die sogenannte Söguöld Islands, welche in den 100 Jahren nach der bereits erwähnten Etablierung des Alþing 930 folgte. Klassisch in ein Íslendingasögur [isländische Saga] Erzählmuster eingebettet, beschreibt “Vápna lækjar eldr” die Blutfehde zwischen der Familie und einer rivalisierenden im Westen Islands während der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Jedoch beschränkt sich die Geschichte nicht auf Island, da sie auch einen Schiffbruch vor den Küsten von Orkney inkludiert, bei der Verwandte des Protagonisten ertrinken. „Vápna lækjar eldr“ endet mit der Brandstiftung des Heims des Protagonisten, wobei, abgesehen von zwei Söhnen, die den Flammen entkommen konnten, seine ganze Familie stirbt. Diese Söhne sind die Hauptcharaktere unseres dritten Albums „Aldafëðr ok munka dróttinn“ (2014). Beide wuchsen in verschiedenen zu Hausen auf, wobei einer Christ in Island wird und der andere ein Pagananhänger im Westen Norwegens. Das Album spielt um die Zeit der Christianisierung Islands 999/1000 mit ihren tiefgreifenden sozialen und religiösen Veränderungen. „Aldafëðr ok munka dróttinn“ endet mit einem dramatischen Brudermord in Island, kurz nach der Bekehrung. „Saga á tveim tungum“ (2019 and 2020) beginnt schließlich dort wo „Aldafëðr ok munka dróttinn“ endet und erzählt von den beiden Nachkommen eines der Brüder. 
Während alle Alben größtenteils auf der Geschichte Islands und Norwegens basieren, so wie sie in ausgewählten Primärquellen wie Sagas, skaldische (und zum Teil eddische) Dichtung, Runensteine und anderem relevanten Material überliefert wurde, ist die Familie selbst völlig erfunden.
 

Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr wurde aus der Perspektive des Bruders erzählt, beginnend damit, dass er dachte, dass seine Mutter und Schwester ertrunken seien. Saga á tveim tungum II: Eigi fjëll né firðir wird aus der Sicht der überlebenden Schwester erzählt und eine andere, negativere und weniger heroische Seite von Olaf und seinen Anhängern des White Christ zeigt, da sie die Verfolgung und Ermordung von Paganen wie ihr selbst miterlebt. Die letzten Songs auf beiden Alben erzählen dieselbe Geschichte, vom Tod des Bruders in einer Schlacht und wie er in den Armen seiner Schwester stirbt.
Ihr ergreift aber nicht wirklich Partei, stattdessen nähert ihr euch dem Thema auf einer eher akademischen Weise, wie ein Historiker. Was ist deine persönliche, subjektive Meinung über den Heiligen Olaf und die brutale Art und Weise wie das Christentum im frühen Mittelalter verbreitet wurde?

Ich habe keine persönliche Meinung zur behandelten Zeitspanne skandinavischer Geschichte. Generell versuchen wir es zu vermeiden irgendwelche subjektiven Bedeutungen in unsere Lyrics zu packen, da das deren Inhalt verzerren und sie weniger ästhetisch machen wurde. Ich persönlich mag es auch nicht Texte von Metalbands zu lesen, die sich mit historischen Themen befassen, die ihre eigenen, oft sehr modernen, Meinungen ausdrücken. Im schlimmsten Fall geschieht das noch mit einer politischen Absicht im Hinterkopf, was ich absolut verabscheuungswürdig finde.


Ihr habt an beiden Alben gleichzeitig gearbeitet. Wie lange dauerte das insgesamt?

Das ist schwer zu beantworten, da wir schon 2014 mit groben Entwürfen für das Konzept begannen. Wenn ich mich jedoch richtig erinnere, dauerte es zirka zwei Wochen die Musik und die ganzen Texte im Juni 2016 zu schreiben.


Wenn ihr an neuen Songs arbeitet, arbeitet ihr an Musik und Texten gleichzeitig? Wenn ihr Musik komponiert, schreibt ihr die Songs auf der Gitarre oder benutzt ihr auch manchmal andere Instrumente wie ein Piano?

Meist beginnen wir an der Gitarre, Bass- und Schlagzeugstrukturen und dann fügen wir die zusätzlichen Instrumente und Gesang nachträglich ein. Da wir es so handhaben, können sich die ursprünglichen Tracks noch ziemlich drastisch ändern.


Eure Songstrukturen sind ziemlich komplex. Inwieweit kommen diese zu Stande während ihr daran arbeitet oder plant ihr die Struktur in Voraus?

Fast alle unsere Parts der Songs werden organisch, mit eher limitiertem theoretischem Hintergrund im Kopf, geschrieben. Generell versuchen wir unsere Musik von zu viel Theorie frei zu halten.
 

Etwas, dass alle Akademiker unter euren Fans erfreuen dürfte ist, dass ihr alle eurer Quellen offenlegt. Ihr benutzt viele Primär- oder zumindest mittelalterliche Quellen um eure Geschichten zu erzählen. Das unterscheidet ÁRSTÍÐIR LÍFSINS von vielen anderen Bands die sich mit derselben Zeit oder Region auf oberflächlicherer Weise beschäftigen, es in puren Fantasy oder Party Metal verarbeiten. War es je eine Option für euch, euch mehr Freiheiten mit eurem Thema zu erlauben oder etwas das du in der Vergangenheit schon mit einer anderen Band gemacht hast?

Wir nehmen uns zwar auch manchmal ein paar Freiheiten heraus, aber es gibt bestimmte akademische Ethiken an die wir uns halten, die uns nicht gestatten Texte basierenden auf zu oberflächlichen oder modernen Konzepten der Wikingerzeit oder andere bekannte Aspekte der altisländischen Mythologie zu schreiben. Es versteht sich von selbst, dass wir auch kein Interesse daran haben so etwas zu tun.


Wie lässt sich die Arbeit an euren Alben mit einem akademischen Projekt oder einer Masterarbeit vergleichen?

Ich würde das Schreiben von Texten für Árstíðir lífsins nicht mit einer akademischen peer-reviewten Monografie, Artikel, oder Kapitel vergleichen. Davon ist es weit entfernt. Dafür gibt es viele Gründe und ich möchte hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Unser ziemlich einzigartiger Zugang eine Geschichte auf einem Album oder einer EP gänzlich in einer toten Sprache (Altisländisch) zu erzählen, mag den Eindruck erwecken von einem akademischen Hintergrund er zu kommen. Aber wir möchte es nicht so verstanden wissen, zumindest nicht im engeren Sinn Wir möchten lieber Geschichten erzählen die in ehrlicher Wikingerzeit und mittelalterlicher Geschichte angesiedelt sind und die alleine wirken können ohne oberflächlich oder einfach inkorrekt zu sein. Die Sprache die wir benutzen mag natürlich erschwerend für die meisten Zuhörer sein, aber sie vermittelt sehr gut eine gewisse Atmosphäre die durch die Primärquellen und Zeit mit der wir uns in unseren Texten und Layouts kreiert wurde. Diese Atmosphäre ist es, was wir grundsätzlich zu erzeugen versuchen Generally, this atmosphere is what we wish to create. Wenn die bei den Zuhörern ankommt, denke ich, habe wir unser Ziel erreicht. An unserer Musik hingegen ist nichts historisch.
 

Ihr erzählt nicht nur Geschichten mit euren Texten, sondern zu einem gewissen Grad benutzt ihr auch sonische Aspekte um damit quasi ein Bild zu malen. Wenn man sich beispielsweise „Sundvërpuðir ok áraþytr“ von „Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr“ anhört, fühlt man sich als wäre man draußen auf dem kalten, dunklen Ozean. Wie wichtig ist es für euch solche Klanglandschaften mittels Atmosphäre zu kreieren?

Das ist für uns sehr wichtig. Wie ich gerade erläutert habe, versuchen wir immer eine gewisse Atmosphäre zu schaffen, welche nur durch das Zusammenspiel von Musik, Texten und Layout erreicht werden kann. Die Songs – oder Klanglandschaften – mögen für viele wie der wichtigste Aspekt erscheinen, sind aber für uns nur ein Teil von dreien. 
 

“Saga á tveim tungum II: Eigi fjëll né firðir“ ist auf Spotify zu finden, „Saga á tveim tungum I: Vápn ok viðr“ ihingegen nicht. Was ist der Grund hierfür?

Das weiß ich nicht. Aber ich muss zugeben, ich habe ein eher begrenztes Interesse in diese moderneren und digitalen Distributionsplattformen. Ich schätze da müsstest du Ván Records selbst fragen.
 

Beide Alben wurden als Doppel-Vinyl mit schwarzen anti-statischen sowie zusätzlichen Innenhüllen veröffentlicht. Auf letzteren befinden sich eure Quellen, Texte, deren englische Übersetzungen, verflochten mit Holzschnitten, auf einer Seite ein Landschaftsfoto, auf einer anderer was wie mittelalterliche Buchmalerei aussieht in voller Farbe. Zudem beinhalten sie ein Poster. Das Cover Artwork stammt wieder von Christopher Duis und es hat eine nette haptische Qualität, da die Ornamente im Zentrum metallisch gold bzw. rot gestanzt sind (genauso wie die Trackliste auf der Rückseite). Kannst du uns etwas mehr über die Ornamente erzählen, was sie darstellen und symbolisieren?

Ich vermute du fragst über die Bedeutung des Runensteinartworks auf den Covern und Postern. Die Inschrift auf „Vápn ok viðr“ heißt auf Englisch: „Not a single adorner of the horse of the ice-world will be fearless before the glorious Lord at this assembly“. Es entstammt einem wunderschönen christlichen Gedicht namens „Harmsól“ (im ersten Teil von Strophe 32), welches im 12. Jahrhundert in Island von einem unbekannten Priester genannt Gamli kanóki geschrieben wurde. In Bezug zu unserem Album steht es für die Idee des letzten Gerichts, während dessen die Menschheit für ihr Handeln entweder bestätigt oder bestraft wird. Der kämpferische Ton spiegelt sich gut in den Lyrics des gesamten Albums wider und das große Ungeheuer das die Runenschlange auf dem Cover niedertrampelt unterstreicht dies noch mal. Die Runeninschrift auf dem Cover von „Eigi fjëll né firðir“ spiegelt ebenfalls einen Teil der Lyrics. Es ist ein Fluch und heißt auf Englisch: „May Þórr the land-god be angered at this foe, the defiler of his holy place“. Es ist Teil von Lausavisa 28 aus der berühmten Egils Saga “Skallagrímssonar“. Der Fluch ist hier als persönlicher Ausdruck der Protagonistin interpretiert und gegen den Heiligen Olaf gerichtet. Ähnlich wie die Inschrift auf „Vápn ok viðr“ spiegelt sie einige Emotionen des Protagonisten und ist zum Teil in die Texte des Albums eingebettet. Das große Ungeheuer, das hier in eine andere Richtung marschiert und ein Schiff zertritt zeigt das ebenfalls. Das Schiff ist ein wichtiger Aspekt auf „Vápn ok viðr“ und auf dem Cover von „Eigi fjëll né firðir“ repräsentiert es die Mchte des Heiligen Olaf. Das große Ungeheuer, dass auf beiden Covern dargestellt ist, ist eine ambivalente Figur auf Runensteindarstellungen im späten 11. / frühen 12. Jahrhundert. Gleichwohl haben die Inschriften der beiden originalen schwedischen Runensteine aus dem 12. Jahrhundert, denen die Motive entnommen sind, christliche Bedeutungen.
 

LPs kosten heutzutage oft gut über 20 Euro und kommen trotzdem manchmal nur mit einem simplen Cover und einfacher Innenhülle. Bei euch bekommt man für sein Geld auch was geboten. Ihr steckt eine Menge Mühe in das Layout und Artwork und mit Ván Records habt ihr ein Label, dass bereit ist solch hochwertigen Produkte zu veröffentlichen. Wie zufrieden seid ihr damit so ein Label zu haben?

Wir sind sehr zufrieden mit Ván Records seit wir 2010 Teil ihres Kaders wurden. Sie haben immer viel Herzblut in ihre Releases gesteckt und fast jeder davon ist herausragend, sowohl in Hinsicht darauf wie er gedruckt und allgemein gemacht wurde, als auch was die oft einzigartige Natur der Musik betrifft. Aber abgesehen von der Arbeit, fühlen wir uns auch auf persönlicher Ebene bei Ván Records zu Hause und stehen in freundschaftlichen Kontakt zu einigen anderen Bands wie SVARTIDAUÐI und THE RUINS OF BEVERAST. Zudem gehören die letzten Alben von ANTLERS, ATLANTEAN KODEX, OUR SURVIVAL DEPENDS ON US, SULPHUR AEON, URFAUST, CARONTE, SWEVEN, THE RUINS OF BEVERAST, SINMARA, ALMYRKVI und SVARTIDAUÐI zur besten Musik, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Auch von einem künstlerischen Standpunkt sind und waren Ván Records immer das perfekte zu Hause für ÁRSTÍÐIR LÍFSINS.
 

Ein physisches Produkt dieses Standards kostet sicher mehr als ein schlichteres Produkt. Verdient ihr durch Albenverkäufe eigentlich genug um eure Kosten zu decken?

Ich habe ehrlich gesagt wenig Ahnung was unsere Albenverkäufe betrifft, aber ich interessiere mich auch nicht so sehr dafür. Mir wurde aber gesagt, dass sich unser neustes bisher sehr gut verkauft und selbstverständlich freuen wir uns sehr darüber. Das hat aber keinen Einfluss darauf wie wir Musik machen.
 

Wenn ich mich nicht irre, sind eure Texte eine Mischung aus Altnordisch und neuem Isländisch. Das verstehen die meisten nicht, aber eure physischen Veröffentlichungen enthalten die Lyrics auch in Englisch, was heutzutage eher ungewöhnlich ist (und man mag sagen in manchen Fällen ist es besser so). Es gab früher z.B. deutsche Pressungen von Woody Guthries „Ballads Of Sacco & Vanzetti“ welche die Texte in deutscher Übersetzung beinhalteten. Ganz zu schweigen davon, dass manche Grindcore und Death Metal Bands auch immer ihre Lyrics inkludieren. Wie wichtig ist es euch, dass die Hörer den Inhalt eurer Songs verstehen?

Unsere altnordischen Texte auf Englisch übersetzt zu haben ist uns sehr wichtig. Wir möchten uns nicht als elitäre Heavy Metal Akademiker präsentieren, die diese Band gegründet haben um der Szene eine Lektion in Sachen altisländische Geschichte und Kultur zu erteilen. Ganz im Gegenteil, wir möchten Interessierte ermutigen sich tiefgehender zu beschäftigen als mit dürftig übersetzten Ausgaben einer „Saga of Icelanders“, “Eddukvæði“ oder „Snorra Edda“. Wenn jemand Interesse hat ist er oder sie jederzeit willkommen mit uns via Facebook oder E-Mail in Kontakt zu treten um nach weiteren Empfehlungen und Literatur zu fragen (was schon einige in der Vergangenheit getan haben).


Während es sicher nicht für alle ist, gibt es zwei Ebenen auf denen man euer Album genießen kann. Es gibt sicher viele, die es lieben wie faszinierend es auf einer musikalischen Ebene klingt, der Atmosphäre die es kreiert, mit den instrumentalen wie gesanglichen Arrangements und großartigen Produktion. Aber ihr habt denjenigen die sich tiefer mit der Materie beschäftigen wollen mehr zu Glaubst du, dass die meisten eurer Fans primär an der Musik interessiert sind oder am Gesamtpaket von Musik, Texten, Artwork?

Das weiß ich ehrlich nicht und ich muss sagen, es interessiert mich auch nicht sehr. Für uns sind unsere Releases in erster Linie physisch wie ich in der folgen Antwort detaillierter erklären Aber ich möchte diejenigen die sie sich auf YouTube, Spotify und so weiter anhören nicht verurteilen. Das ist natürlich auch in Ordnung und für einige (oder viele) führt es zum gewünschten Ergebnis.
 

Ich denke, dass wir uns einig sind, dass es bei Reviews jedoch am besten wäre ein Album – besonders wenn es sich um ein Gesamtkunstwerk wie eure Alben handelt – es ganzheitlich zu betrachten und nicht nur einen Aspekt, auch wenn es ein wesentlicher ist. Aber es ist eine knifflige Situation, da Reviewer heutzutage meist digitale Dateien (Songs, Cover, Promo Info) oder Streams Wochen oder Monate vor dem Release erhalten. Das ganze Artwork oder Booklet zu schicken beinhaltet zu viele Risiken. Daher denke ich, dass es manchmal frustrierend sein kann Reviews zu lesen, aber wie könnte man die Situation anders handhaben?

Es wäre am besten wenn zumindest auch das Booklet den Reviewern geschickt werden würde. Wir hatten uns diesmal dazu entschlossen und zumindest einige haben sich die Mühe gemacht sich das Artwork anzusehen und Lyrics zu lesen bevor sie ihre Reviews schrieben. Aber generell scheint der Fokus einzig auf der Musik zu liegen, was auch in Ordnung für uns ist. Für viele Heavy Metal Bands mag das ausreichend sein, aber da wir eine Menge Zeit in das Layout, Texte und Übersetzungen, sowie das Zusammenspiel zwischen allen drei Teilen (Musik – Layout – Texte/Übersetzungen) investieren, mag da manches zu kurz kommen. Zum Beispiel wurde und wird immer wieder der Aspekt des nicht-Verstehens angeführt was nur daher rührt das der Reviewer nicht weiß, dass wir immer Übersetzungen in unseren physischen Veröffentlichungen haben.
Reviews die sich nur auf einen Aspekt konzentrieren sind eine Sache, aber sind dir schon mal Reviews untergekommen, wo du den Eindruck hast der Reviewer hat sich überhaupt nicht darum geschert Recherche zu betreiben oder sich deinen Release richtig angehört? Ich verfolge Reviews nicht so genau, um ehrlich zu sein, aber oft hat man den Eindruck der Schreiber hat sich gar nicht bemüht sich auf deine Musik, Lyrics und Artwork einzulasse. Aber das schien schon immer so gewesen zu sein beim Heavy Metal Journalismus, und was ich soweit gelesen habe haben sich die meisten genug Zeit genommen sich unsere Veröffentlichungen gründlich anzuhören.

Bisher seid ihr eine ausschließliche Studioband. Ich weiß, ihr werdet immer danach gefragt wie es mit Liveauftritten aussieht, und wenn man dich, Árni und Marcel mit HELRUNAR sieht, seit ihr gute Livemusiker. Aber denkst du, dass es überhaupt möglich ist eure Musik live ohne etliche extra Musiker oder Backing Tapes wiederzugeben? 

Danke für das Kompliment. Ja, ich denke sowohl auf als auch jenseits der Bühne sind wir erfahrene Musiker. Trotzdem ist es, zumindest derzeit, keine Option für uns live mit ÁRSTÍÐIR LÍFSINS zu spielen. Früher oder später wird es wahrscheinlich dazu kommen und wir haben schon fast ein komplettes Live Lineup, aber das muss warten bis wir uns alle darauf gründlich konzentrieren können.

In welcher Jahreszeit ihrer Lebensspanne denkst du bist du jetzt mit ÁRSTÍÐIR LÍFSINS? Ist da noch Raum sich zu entwickeln?

Für uns gibt es keine konzeptionelle Verbindung zwischen dem Bandnamen und der musikalischen Entwicklung der Band. Wie ich etliche Male gesagt habe, bezieht sich der Name auf das Konzept unserer Alben, nicht mehr, nicht weniger. So oder so, wir haben uns über die Jahre tatsächlich entwickelt und besonders auf unserem dritten Album, “Aldafǫðr ok munka dróttinn”, da ist die Art wie wir unsere Musik komponieren irgendwie stimmiger. Aus meiner Sicht haben wir uns immer entwickelt und haben kontinuierlich an verschiedenen Elementen unserer Musik gearbeitet und ich denke, da gibt es noch eine Menge Neuland für uns zu entdecken. Unser neuestes Album mag schon einige Elemente beinhalten an denen wir in der Zukunft mehr arbeiten möchten.

“Saga á tveim tungum II: Eigi fjǫll né firðir” ist nicht euer einziger Release heuer. In April habt ihr ein split Album mit CARPE NOCTEM (mit Árni am Bass) herausgebracht, “Aldrnari”, je einen 20+ Minuten Song pro Band beinhaltet. Kannst du uns darüber etwas erzählen?

“Aldrnari” ist eine Zusammenarbeit der zwei Bands und wurde 2017–2018. aufgenommen. Die Idee zusammen an einem Konzeptalbum zu arbeiten geht bis 2016 zurück als Andri Þór Jóhansson von CARPE NOCTEM und ich und in London bei einem Bier oder zehn trafen. Beide Bands beschäftigen sich ausgehend von verschiedenen mythologischen und philosophischen Themen mit dem Element des Feuers. Es ist eine sehr interessante Veröffentlichung, sowohl textlich als auch musikalisch und ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Besonders angetan bin ich von der Vinyl Version der Veröffentlichung.

Alle drei Mitglieder von ÁRSTÍÐIR LÍFSINS spielen auch in anderen Bands und Projekten (zusammen auch in WÖLJAGER und als live Lineup von HELRUNAR). Das ist heutzutage sehr gängig im Vergleich zu vor einigen Jahrzehnten als Musiker oft nur in einer Band spielten und jedes zweite Jahr ein Album veröffentlichten. In welchen Bands und Projekten spielst du derzeit?

Ich spiele Gitarre für WÖLJAGER und live Rhythmusgitarre und Backgroundgesang für HELRUNAR. Bis vor ein paar Jahren habe ich in KERBENOK gespielt und derzeit befinden wir uns im finalen Stadium des Mischens und Masterns  von “Grund”, dem letzten Output der Band, den wir, wenn ich mich recht erinnere 2011 aufgenommen haben.

Egal wie sehr man sein Forschungsfeld liebt, wenn man als Akademiker jahrelang an einem Projekt oder einer Publikation arbeitet, kommt manchmal der Punkt, an dem die Begeisterung vorübergehend nachlässt. Ist dir das auch schon mal passiert?

Nein, niemals. Sicher gab es Zeiten wo Recherche oder Lehre etwas ermüdend wurden, aber ich war immer voll Enthusiasmus. 


Wie alt warst du als du begannst ein Instrument zu spielen und welches war es? 

Mit sieben oder acht musste ich in der Schule Flöte spielen, aber es hat mich nie wirklich interessiert. Erst als mir mit zwölf meine Mutter beibrachte das Piano zu spielen begann ich mich selbst mehr für Musik zu interessieren. Als ich so um die 15 war begann ich Gitarre zu spielen und gründete Ende 2000 KERBENOK mit zwei weiteren Mitgliedern.


Welche anderen Interessen oder Hobbys hast du außer altisländische Philologie und Musik zu spielen?

Ich würde altisländische Philologie nicht als Hobby bezeichnen. Ich habe es als BA, MA und PhD Studium absolviert und seit einigen Jahren bin ich im akademischen Bereich angestellt um Forschung zu betreiben und BA und MA Studierende in verschiedenen Themen im Zusammenhand mit mittelalterlicher skandinavischer Literatur und Sprache zu unterrichten. Das bedeutet nicht, dass mich das Thema weniger interessiert. Ganz im Gegenteil, aber es ist eindeutig kein Hobby. Genauso verhält es sich mit dem Schreiben und Spielen von Musik, ich würde es als meine Leidenschaften bezeichnen eher denn als Hobby.
Zu meinen Hobbys zählt das Lesen eines weiten Spektrums an moderner und klassischer Literatur und Musik verschiedener Genres zu hören. Derzeit lese ich wieder Hunter S. Thomsons Klassiker “Fear and Loathing in Las Vegas” und mag es, mir die neuesten Alben von SWEVEN (“The Eternal Resonance”), KATATONIA (“City Burials”), DEATHSPELL OMEGA (“The Furnaces of Palingenesia”) und Lana Del Rey (“Norman Fucking Rockwell!”) anzuhören.


Vielen Dank für das Interview!

Danke für das Interview.

 

 


ANZEIGE
ANZEIGE